Gestern, heute, morgen oder Blick zurück im Zorn?
Gestern, heute, morgen ...
... oder Blick zurück im Zorn?
Eine heiße Diskussion überflutete das Fandom zum Beginn des neuen Jahrhunderts: Die Besucher auf den Cons stagnierten und auch vom Alter her waren sie alles anderes als jung und dynamisch. Fanzines wurden kaum noch gekauft - wir reden hier von gedruckten - und es gab auch kaum Neugründungen. Irgendwie hatte man in den Jahren den Eindruck, dass die Szene stagnierte, kurzum, Weltuntergangsstimmung war angesagt. Und wer war schuld an diese ganzen Rückgang? Das Internet. Die neuen Medien. Jedenfalls gab es den Grundtenor in diese Richtung und da ich schon damals Werkzeuge als Werkzeuge verstand schrieb ich halte meine Meinung in einem konstruktiv formuliertem Artikel wieder, der oben verlinkt ist.
Nun: Ich hätte wissen sollen, dass SF-Fans schon damals bisweilen dazu neigten konstruktive Kritik als Meckern um des Meckerns willen zu betrachten. Besonders scharf angegriffen fühlten sich damals die Veranstalter des BuCons angegriffen. Warum auch immer. Dabei hatte ich die gar nicht mal namentlich erwähnt, sondern nur drei Vorschläge geäußert, wie man Cons eventuell attraktiver für Jugendliche machen können würde. Moderate Eintrittspreise, Themen, die für Jugendliche interessant sind und dann eventuell sogar eine eigene separate Programmschiene für Kinder?
Da ich seitdem etliche Barcamps mitorganisiert habe oder Konferenzen - die Erfahrung hatte ich damals noch nicht - kann ich mit Fug und Recht sagen: Ja, genau so kann das klappen. Man halte die Eintrittspreise niedrig oder sorge für Ermäßigungen, mache einen interessanten Themenmix - ich kann mir vorstellen, dass das Inneres des neuesten Raumschiffes von Perry Rhodan total interessant ist, aber da dürfte bei Jugendlichen ein Gähnen aufkommen - und dass mit den Programmschienen für besondere Zielgruppen haben wir beim StartCamp Ruhr des öfteren durchgeführt. So gab es mal eine Schiene für Social-Media-Einsteiger, andererseits hatten wir auch eine, die für Experten gedacht war. Insofern: Das funktioniert schon. Und dass Jugendliche, wenn das Konzept stimmt, den Veranstaltern die Türen einrennen zeigt die Gamescom, die kürzlich wieder in Köln stattfand.
Wie die aktuellen Besucherzahlen von Conventions aussehen - keine Ahnung. Wie die Zusammensetzung des Publikums ist - keine Ahnung. Ich habe mich vor langer Zeit bewußt dafür entschieden mich mit Conventions nicht mehr zu befassen. Einfach, weil - wie man das auch hier bisweilen in den Kommentaren lesen konnte - einige Leute einfach nicht begreifen, dass konstruktive Kritik kein Angriff der persönlichen Bemühungen Einzelner ist. Wer das nicht auseinander halten kann, ist nicht professionell und ernst zu nehmen. Punkt. Allerdings habe ich bislang nicht gehört, dass jetzt die Conszene in der SF - im speziellen Zweig noch derer, die sich im gebundenen und geschriebenem Werk wiederfinden - so total verjüngt haben, dass alle freudestrahlend jubeln, dass die SF jetzt gerettet sei...
Dass die Bereitschaft, sich sozusagen lebenslang an ein Projekt zu binden - sei es ein Club oder ein Fanzine - immer noch bei Jugendlichen kaum vorhanden ist, das sollte bekannt sein. Das ist ein Problem, mit dem politische Parteien genauso kämpfen wie die Kirchen. Das ist geblieben und die Behauptung, das eine Übersättigung eingetreten sei ist auch heute noch durchaus schlüssig: Ich gründe doch keinen Doctor-Who-Club mehr, wenn es etliche in der Nähe gibt. Schön, wenn Serien wie The Expanse neu dazukommen oder Westworld - okay. Aber ich gründe doch heutzutage keinen Club, ich gründe eine Facebookgruppe. Installiere ein Reddit. Mache einen Discord-Server auf. Kann man bei The Sun Vanished verfolgen aber auch bei The Expanse etwa. Und wenn ich dann Lust habe, dann verabrede ich mich halt mit einigen Leuten aus diesen Foren zum Essen im nächsten Lokal. Nennt sich dann Stammtisch. Die frühere Rolle des Clubs als ein Raum, in dem man sich austauschen kann und Gleichgesinnte findet, als eine Art Dritter Ort also - das hat sich erledigt. Zumindest in der Form, die man als traditionelle Clubform kennt und als Club bezeichnet werden könnte.
Wie man aber sieht: Der Abgesang auf die deutsche SF war verfrüht, es gibt heute noch genügend Leute, die sich für sie interessieren. Unfassbar, nicht?
Kommentare
Das waren immer deine Fehler, werter Artikelschreiber und genau deshalb ist dir die Ablehnung entgegengeschlagen, die du heute so beklagst.
Es kommt nicht nur darauf an, wie gut ein konstruktiver Vorschlag ist.
Es kommt auch darauf an, wie man ihn vorträgt.
PS:
Das Fandom ist für das Überleben der SF längst nicht mehr wichtig.
Und andererseits hat er das Stadium des überzeugen-wollens IMHO längst hinter sich gelassen. Irgendwann versuchst du nicht mehr zu überzeugen, sondern legst Finger in Wunden.
Du stößt allzu oft nur zu gern auf Ignoranz.
Im Nachhinein betrachtet glaube ich heute auch nicht mehr, dass das Fandom wirklich je die Rolle spielte, die es sich selbst attribuiert hat. Auch ich habe mal zu denen gehört, die dem Fandom eine Bedeutung angedacht haben, die es in Wahrheit niemals hatte.
(Aber damals war man jung und naiv und hat daran geglaubt.)
Das Fandom war ein Sammelbecken für Leute, die SF liebten und sich darüber untereinander austauschen wollten - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und auf Cons lernte man Fans und Autoren dann auch persönlich kennen.
Für die SF-Literatur (bzw. für ihre Herausgeber) war das Fandom ein Beliebtheits-Indikator und ggf. auch eine Art Werbe-Verstärker.
Und durch Story-Beiträge in Fanzines wurde mancher neue Autor "geboren", der später zum Profi-Schreiber wurde - das gibt's aber seit dem Aussterben der Fanzines nicht mehr.
(Eigentlich war das mMn. alles, was das Fandom je zur Förderung der SF beigetragen hat.)
Diese Zeiten aber sind lange vorbei, denn im Internet-Zeitalter braucht die SF ein Fandom eigentlich nicht mehr.
Ich glaube auch nicht, dass eine "Verjüngung" daran etwas ändern würde.
Dennoch: Das Hobby macht Spaß, erst recht, wenn man sich nicht überbewertet und glaubt, man sei im Besitz einer wie auch immer gearteten Meinungsführerschaft. Hat man das begriffen, kann man wirklich Spaß haben und nicht anderen denselben vermiesen.
Da gebe ich dir uneingeschränkt recht.
"Einen " leicht bitteren Geschmack" hat die Sache für mich dann doch (wenn man das so nennen soll) - ich stelle immer öfter fest, dass, z.B. im Zauberspiegel offensichtlich echte Profis schreiben. "
Nun ja, ich würde mich hier nun bei all den Artikeln die ich bisher schon für den Zauberspiegel schrieb, nicht als "Profi" bezeichnen wollen. Da gehe ich eher nach dem Leitsatz, dass man so alt werden kann wie ein Pferd und immer noch dazu lernt.
Und wenn ich dir hier noch ein wirklich gut gemachtes Fanzine empfehlen darf, dann leg dir "VIRUS" zu. Kommt alle zwei Monate als Print in den Handel und haut in Sachen Horror richtig informative Sachen hin.