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Wir warten auf den Kindle... tun wir das wirklich?

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-KolumneWir warten auf den Kindle...
... tun wir das wirklich?

Der Mensch liebt das Neue und das Gefühl, dass dieses Neue eine Lücke in seinem Leben schließt, die ihn schon immer gestört hat. Zu diesem Zweck wurden viele Geräte erfunden und stets verfeinert. Die Entwicklung ging sozusagen vom Knochen zum Raumschiff. Frei nach dem Motto: Und wenn du denkst, da geht nichts mehr, kommt von irgendwo eine neue Erfindung daher.

Als ein Team von Wissenschaftlern in Erlangen, unweit von dem Ort, an dem ich diese Zeilen schreibe, das MP3-Format entwickelte, ahnten diese nicht, was sie damit auslösen würden.

Ich hatte das Glück, sie 2007 im Rahmen eines Suzanne-Vega-Konzerts kennenzulernen. Sie schienen mir immer noch keine Ahnung zu haben, was sie angerichtet hatten. Die Musiker bedankten sich artig bei ihnen für ihre Erfindung. Sie hatten, ohne es zu ahnen, den Musik-Konsum grundlegend revolutioniert. Von MP3 bis zum iPod war es nur noch ein kleiner Weg. Und der iPod wird keinesfalls das Ende dieses Weges sein. Denn eigentlich reicht der Einfluss dieser Erfindung viel weiter.

Schon vor iPod & Co. war man auf den Gedanken gekommen, Bücher zu digitalisieren.  Schließlich lag es auf der Hand, ließ sich nichts so leicht digitalisieren wie das geschriebene Wort. Eine überschaubare Anzahl von Buchstaben pro Alphabet, ein paar Satzzeichen dazu, Formatierungen – die Digitalisierung von Texten hatte praktisch gleich mit der Erfindung des Computers begonnen. Schon die frühen Lochkarten waren in der Lage, eine hohe Zahl von Wörtern zu speichern. Auch bei der Erfindung des Internets und seines HTML-Standards hatte man an die Digitalisierung von Texten gedacht, Befehle vorgesehen, die Seiten in Form von Büchern anordnen konnten. Doch diese Befehle wurden von den Browsern übersehen. Nicht der einzige Rückschlag. Neben der Möglichkeit, Bücher digitalisiert auf dem Computer zu lesen, wurden elektronische Lesegeräte entwickelt, die das digitale Buch mobil machen sollten. Keines konnte sich auf Dauer durchsetzen. Bis heute.

Denn nach dem Erfolg des iPod lag es doch wohl auf der Hand, dass sich so etwas auch auf dem Buchmarkt durchsetzen lassen musste. Wenn man es nur geschickt genug anfing. Wo der Mensch einen Markt wittert, da muss er handeln. Trotz der vergangenen Rückschläge versuchen es zurzeit wieder etliche Firmen, den Durchbruch zu schaffen. Aber können diese Versuche gelingen? Ist es wirklich nur eine Frage des Konzepts, um den Erfolg des iPods zu übertragen? Anhand der aktuellen Geräte wage ich einen subjektiven Blick auf die Welt der eBooks, ausgehend von den Bedürfnissen eines ganz durchschnittlichen Lesers.

Der Sony Reader PRS-505^ Die Zeit ist reif, jetzt im Jahr 2009 nach Christus, sich zumindest Gedanken zum digitalen Lesegerät, also zum Thema eBook-Reader zu machen. Im Jahr 2009 wird von der evangelischen Kirche die Bibel getwittert, lässt Arnold Schwarzenegger in Kalifornien eBooks als Schulbücher einführen. Und kein geringerer als Sony wagt sich mit seinem Sony Reader PRS-505 endlich auf den deutschen Markt. Nun wäre die Gelegenheit, den Early Adopter zu spielen und einen auf cool zu machen. Es gäbe kein Zögern, wenn nicht ausgerechnet das Paradegerät seiner Art, das am unverhohlensten vom iPod kopiert hat, der Kindle von Amazon, der gerne der Klassenprimus sein möchte, außerhalb von Amerika nicht zu erwerben wäre. Da kann schnell das Gefühl aufkommen, mit dem Sony vielleicht doch nur das zweitbeste Gerät zu erwerben. Mal ganz abgesehen von diversen anderen Geräten wie beispielsweise dem eBook-Reader von Weltbild, die es bei uns auch bereits zu kaufen gibt. Was also soll man tun, welche Argumente entscheiden über Kauf oder Nichtkauf, über Abwarten oder Desinteresse?

Vielleicht das wichtigste Argument ist folgendes: Was bietet mir das eBook, was mir das Buch im Regal nicht bieten kann?

Analog zum iPod müsste die Antwort lauten: Miniaturisierung. Ein geradezu explodierendes Speichervolumen auf kleinstem Raum. Schnellerer Zugriff, einfacher und schneller Kauf des Mediums von zu Hause aus – womit die Liste der Vorteile nicht erschöpft wäre. Aber belassen wir es ruhig einmal dabei. Mit den MP3-Playern wandelte sich unser Umgang mit der Musik von Grund auf. Schafft das das eBook ebenfalls?

Um auf dem Gebiet der Miniaturisierung punkten zu können, vergleichen die Hersteller von eBook-Readern gerne ihr Gerät mit einem gefüllten Bücherregal. Klar, nähme man nur ein einzelnes Buch, es wäre nicht viel dicker und im Zweifelsfall womöglich sogar kleiner als ein eBook-Reader. Der aktuelle Kindle wiegt 290 Gramm, der Sony Reader 350 Gramm. Der Vorteil kann daher nur darin liegen, dass so ein elektronisches Lesegerät eben mehr als nur ein Buch speichern kann. Die Speicherkapazitäten schwanken je nach Gerät und Ausstattung, wie bei einem Computer hat man die Möglichkeit der Erweiterung über Speicherkarten. Der Rekord liegt bei der Grundausstattung derzeit beim aktuellen Kindle mit geschätzten 1.500 Büchern. Was aber bei der Musik Sinn macht, nämlich viele Songs mit sich rumzutragen, um spontan bestimmte Lieder hören zu können, ist bei Büchern etwas anders: Hier liest man in der Regel ein, vielleicht zwei Bücher gleichzeitig. Und so lange man diese nicht durchgelesen hat, benötigt man kein weiteres. Man muss schon ein Schnellleser sein, um nicht zwischendurch den Weg ans Regal oder in die Buchhandlung zu finden, um sich Nachschub zu besorgen. Zumal auch Bestellungen von gedruckten Büchern im Internet in ein bis zwei Tagen im Briefkasten landen. Es ist also nett, dank des eBook-Readers so viele Bücher mit sich herumzuschleppen. Für wissenschaftliche Recherchen können es immer noch zu wenig sein, für den Normalleser sind es zu viele. Eigentlich bietet einem in dieser Hinsicht das Gerät nur eine neue Möglichkeit: Gleich 1.500 Bücher auf einmal zu verlieren. Womit wir die Miniaturisierung samt Speichervolumen abgehakt hätten.

Der Kindle Käme als nächstes der schnellere Zugriff.  Dieser ist beim momentanen Stand der Technik dummerweise nicht gegeben. Die meisten verfügbaren Geräte, so auch der Sony Reader und der Kindle, arbeiten heute mit derselben patentierten elektronischen Tinte, die erstmals im Oktober 2007 mit dem Lesegerät iLiad ER 0100 vorgestellt wurde. Daher unterscheiden sich die Displays hauptsächlich in der Größe und der Anzahl der darstellbaren Grautöne. Das Aussehen ist weitestgehend gleich. Die Krux der sogenannten e-Ink liegt beim Seitenwechsel: Er dauert spürbar und erfolgt über ein kurzes Schwarzwerden der kompletten Seite. Auch hier unterscheiden sich die Geräte in der Geschwindigkeit, doch richtig flüssig hat es noch keines hingebracht. Das schnelle Durchblättern eines gedruckten Buches ist bisher nicht zu schlagen. Auftrumpfen können die Geräte beim Zugriff erst, wenn es um die automatische Suche von bestimmten Wörtern oder Textstellen geht. Hier zeigt sich der Vorteil der elektronischen Textverarbeitung. Nur: Wer sucht schon beim Romanlesen oft nach bestimmten Stellen? Das ist doch eher den Sachbüchern vorbehalten. Romanleser blättern einfach immer eine Seite weiter. Und hierbei kann man beim besten Willen höchstens ein Patt zwischen eBook-Reader und Buch konstatieren.

Wie sieht es mit dem einfachen und schnellen Kauf aus? Gibt es ein mit iTunes und Musikload vergleichbares System, um elektronische Bücher zu besorgen? Ein vergleichbar abgestimmtes Zusammenspiel zwischen Internetportal und Gerät wie das zwischen iTunes und iPod? In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Angebote der verschiedenen Hersteller am deutlichsten, ist die Kaufentscheidung wichtig für den späteren Umgang mit Kauf und Speichern der elektronischen Bücher. Sony verlangt vom Leser, dass er sich die Bücher auf einem PC kauft, den Sony Reader daran anschließt und das neue Buch überträgt. Will man also in Urlaub fahren und den Computer daheimlassen, muss man sich vorher entscheiden, was man lesen will. Während man sich ein neues herkömmliches Buch zur Not auch beim Kiosk in Strandnähe besorgen kann – wobei hier sicherlich die Auswahl nicht die größte ist –, ist der Besitzer eines Sony Readers dazu verdammt, mit dem auszukommen, für das er sich zu Hause an seinem PC entschieden hatte. Und die Betonung liegt noch dazu auf PC. Wer nämlich „nur“ einen Apple-Rechner zu Hause stehen hat, braucht sich für den Sony Reader derzeit gar nicht erst zu interessieren. Mit Apple spricht der nämlich nicht.

Ein ähnliches Kaufverhalten gilt für andere Reader einschließlich dem von Weltbild. Immer erwarten die Firmen, dass man zum Kauf neuer elektronischer Bücher bei dem firmeneigenen Portal vorbeischaut. Und wenn dies auf für Amazon und seinen Kindle gilt, so wird doch hier zumindest das Kaufen zum System. Denn der Kindle kommuniziert mit dem sogenannten Whispernet, das in Amerika gut ausgebaut ist und den Kindle an jedem Ort drahtlos und ohne Umwege liebend gerne mit neuen Büchern versorgt. Dieses Whispernet ist dann auch einer der Gründe, warum der Kindle bisher nur in Amerika zu haben ist. Bei uns in Europa müssten spezielle Verträge mit Mobilfunkanbietern getroffen werden. Vor kurzem gab Amazon bekannt, dass Verhandlungen mit deutschen Anbietern gescheitert sind, da man sich nicht über Preise einigen konnte (Amazon gibt pro verkauftem Buch einen bestimmten Prozentsatz ab, weswegen der Kunde keinen Mobilfunkvertrag für den Kindle abschließen muss.) Dabei ist das direkte Runterladen sehr praktisch: Der amerikanische Leser darf in Urlaub fahren und den vermessenen Wunsch haben, auch am Urlaubsort ein neues elektronisches Buch zu wollen. Er geht dann einfach über den Kindle bei Amazon in den KindleStore, wählt ein Buch aus, kauft es und lässt es sich automatisch übertragen. Fertig! Hier endlich ist der Vorteil gegeben, den wir mittlerweile von der Musik her kennen: Ich muss nicht mehr in den Buchladen gehen, ich muss nicht hoffen, dass das Buch dort vorrätig ist, ich muss nicht warten, bis es geliefert wird. Solange es der Kindle Store führt, dauert es vom Moment des Kaufwunschs bis zum Besitz in der Regel nur wenige Minuten. Amazon hat in diesem Punkt weitergedacht. Schade nur, dass dieses System es verhindert, einfach mal eben so auch auf andere Länder und deren Märkte zuzugehen. Wie schon gesagt, gibt es den Kindle derzeit bei uns nicht, und auch ein absehbarer Veröffentlichungstermin steht noch nicht fest. Also scheiden für Deutschland sämtliche Gründe, die den iPod und seine MP3-Kollegen so interessant machen, als Argument für den Kauf eines eBook-Readers aus. Wir müssen also nach anderen Gründen Ausschau halten.

Wenn wir also mal ein bisschen in uns gehen, welche Vorteile könnten die eBook-Reader sonst so bieten, die sie vom Buch abheben?

Der Kindle Der Kindle kommt mit einer netten Tastatur daher, die es ermöglicht, innerhalb der Texte Kommentare zu hinterlassen.  Eine eher wissenschaftliche Form der Nutzung, denn ich persönlich habe bisher noch in keinem Roman einfach so reingeschrieben. Obwohl es ja Kultbücher à la „Fänger im Roggen“ geben soll, die einfach so schrecklich viele Zitate für den Hausgebrauch bereitstellen, dass diese sogar den Zitatenschatz von „Das Leben des Brian“ übertreffen und daher im Buch markiert werden müssen. Mir hat es immer noch gereicht, das Buch einfach zu lesen. Aber man kann den Kindle ja auch dazu benutzen, um ins Internet zu gehen. Da ist die Tastatur dann wieder sehr hilfreich.

Eine Eigenschaft, die interessanterweise alle Geräte vorweisen, ist die Veränderbarkeit der Schriftgröße. Der Leser ist nicht mehr darauf angewiesen, welche Größe der Buchsetzer ausgewählt hat, sondern kann nun die von ihm gewünschte Größe einstellen. Das hat allerdings eine direkte Auswirkung auf einen Wert, der bisher Auskunft über die Dauer des Lesegenusses gegeben hat: die Seitenzahl. Natürlich war die bisher schon kein unbestechlicher Wert für die tatsächliche Länge eines Buches, hängt sie doch von der Anzahl Wörter pro Seite ab. Da der Leser nun aber die Größe der Wörter bestimmt, bestimmt er auch, wie viele davon auf eine Seite passen. Wie viele Seiten das eBook also insgesamt hat. Oder besser gesagt: Wie oft er auf den Knopf zum Umblättern drücken muss. Wie gibt man nun aber eine bestimmte Stelle an, wenn man auf sie verweisen will: „Lies mal Seite 43, da geht es echt ab!“ Sony entscheidet sich hierbei weiterhin für eine Seiteneinteilung, die den Text unabhängig von der gewählten Schriftgröße einteilt. So wird die nächste Seite immer ab demselben Wort gezählt, egal, wo dieses sich auf dem Display befindet. Diese Lösung war den Erfindern des Kindles wiederum nicht logisch genug. Sie entschieden sich für den neuen Begriff der Location. Beim Kindle ist der Text in Locations unterteilt, die zwar auch bei immer denselben Wörtern stehen, aber häufiger wechseln als die Seiten bei Sony, also den Text feiner unterteilen.

Wer hat da gerade den Kopf geschüttelt und gesagt, hier sei ich aber nun in Details gegangen, die kaum jemanden interessieren? Ich denke mal, spätestens die Marketing-Angestellten der Verlage werden hier ein wenig Kopfschmerzen bekommen. Denn bisher haben sie den Preis eines Buches auch damit gerechtfertigt, wie dick es in der Hand liegt, wie hoch also die Seitenzahl ist. Das können sie nun nur noch bedingt tun. Bisher behelfen sie sich damit, dass sie beispielsweise im Kindle Store auf Amazon als Seitenzahl die Zahl des gedruckten Buches angeben. Was aber tun sie, sollte das eBook so erfolgreich seinen Vorgänger vom Markt verdrängen wie der MP3-Player? Dann fällt ihre Vergleichsgröße weg, und es wird schwerer, unterschiedliche Preise für die Bücher zu begründen. Dann nähern sie sich vielleicht dem Einheitspreis, den es bei iTunes bis vor kurzem noch gab.

Ach, und apropos MP3-Player: Das kann der eBook-Reader natürlich auch noch. Musik abspielen während des Lesens. Das ist fast schon ein Schritt in Richtung Verschmelzung zwischen iPod und Kindle, die eierlegende Wollmilchsau also, die sich nicht mehr entscheiden kann, was sie denn nun eigentlich ist. Aber das gehört schon in die nächste Kategorie der Kaufgründe, nämlich in das Gefühl des

Ich-muss-das-Ding-einfach-haben-sonst-kann-ich-nicht-mehr-leben!

Dies ist das Lieblingsgefühl aller Verkaufsstrategen. Hirn ausschalten, in den Laden gehen und einfach alles von der ec-Karte abziehen lassen.

Etwas sachlicher gesprochen ist hier die Haptik von Bedeutung. Wie fühlt sich das Gerät an, wie liegt es in der Hand, wie sehr macht das Bedienen Spaß? Der Kindle hat sich von einem keilförmigen Aussehen in der 1. Generation, mit dem man ihn auch als Türstopper verwenden konnte, zu einem chic abgerundeten weißen Handschmeichler entwickelt, der nicht leugnen kann, dass beim Entwurf ein iPod in der Nähe rumlag. Der Sony-Reader wiederum kommt in silbrigem Aluminiumglanz daher und will einen auf professionell und technisch machen, was ihm ganz gut gelingt. Alle anderen Reader sind design-technisch bisher noch nicht ganz so auf der Höhe und zeigen auch schon mal unbeholfene Design-Sünden, seien es kantige Gehäuse oder langweilige Tasten.
 
Der Weltbild-Reader Der Weltbild-Reader zeigt auf dem Gebiet Schwächen, aber über Design-Geschmack kann man ja streiten.  Hier zeigt sich sowieso ein kleines Problem: Glaubt man den Klischees, lesen mehr Frauen als Männer, während aber mehr Männer als Frauen technik-affin sind. Beschränkt sich das Habenwollen also auf die wenigen lesenden Männer bzw. auf die wenigen technikbegeisterten Frauen? Das wäre schlecht für die Marktaussichten. Und schlecht für eine einheitliche Marketing-Strategie.

Denn, und das ist die Krux: Außer der schnellen Verfügbarkeit neuer Bücher beim Kindle und der Möglichkeit, viele Bücher auf einmal in den Urlaub mitnehmen zu können, will man die Kofferhenkel nicht zu sehr belasten, hat so ein eBook-Reader wenig zu bieten, was einen Lesenden interessiert. Es mag scheinen, man muss das eBook um seiner selbst willen kaufen. Wirklich kein Ansatz für eine große Kaufwelle.

Gibt es da noch eine Chance, das Gerät als jene oben angesprochene Wollmilchsau anzupreisen? Der kann nicht nur Bücher, der kann auch Musik, der kann auch Internet, der kann auch Einkaufszettel und was sie alles wollen? Wohl kaum, denn dieser Bereich gehört den Smart-Phones. Jenen Handys, die nur vorgeben, ein Handy zu sein, in Wirklichkeit aber ein tragbarer Computer sind. Wie zum Beispiel das iPhone, das sich mit dem Kindle angefreundet hat. Herausgekommen ist dabei der „Kindle for iPhone“, eine Software, mit der sich eBooks auf dem iPhone lesen lassen. Der besondere Clou: iPhone und Kindle sprechen sich via Whispernet ab, sodass jedes Gerät weiß, wo man beim jeweils anderen Gerät mit dem Lesen des Buchs am Vortag aufgehört hat. Und die kleinere Darstellung hat einen netten Nebeneffekt. Einzelne Seiten haben weniger Wörter und sind schneller durchgelesen. Man wischt sie mit dem Finger einfach nach links weg, von rechts kommt die neue Seite. Die man auch schnell gelesen hat, sodass man aus dem Umblättern, pardon, Wegwischen gar nicht mehr rauskommt und das Gefühl hat, immer schneller zu lesen. Dieser psychologische Effekt hat eine äußerst positive Auswirkung auf die Geschwindigkeit, mit der man ein Buch durchliest. Für den einen ist das fast schon ein Ersatz für den eBook-Reader, weil man das Handy meistens dabei hat. Für den anderen ist das kleine grelle Display einfach nicht zum Lesen geeignet. Ein undankbares Gebiet für eBook-Reader wie für Smart-Phone.

Und gibt es vielleicht spezielle Inhalte für den eBook-Reader, quasi künstlich geschaffene Vorteile?

Wenn man so will, gehören Stephen King und Perry Rhodan in diese Kategorie. Denn bei iTunes gibt es kostenlos den Perry-Rhodan-Action-Roman Nr. 25, Mutantensterben, zum Download. Stephen King ist einen Schritt weitergegangen. Schon immer offen für Experimente und neue Medien, hat er eine Novelle exklusiv für den Kindle geschrieben. Sie ist nur auf dem Kindle zu lesen und hat diesen auch gleich zum Thema. Frei nach dem Motto: Die unendliche Geschichte lässt grüßen.
 
Der Kindle-King So, wie einst Bastian Balthasar Bux in einem Buch gelesen hat, das genau so aussah wie das Buch, das man als Leser in der Hand hält, benützt man auch beim Lesen von „Ur“ einen Kindle, während der Protagonist der Geschichte in einem Kindle liest und damit wundersame Dinge erlebt. Zwangsläufig fragt man sich, ob der eigene Kindle auch wundersame Dinge kann. Man spinnt automatisch die Gedankengänge der Figuren in der Geschichte weiter. Die Originalität dieses Szenarios geht leider etwas verloren, als die Geschichte sich zum Zweck des Spannungsaufbaus auf das bekannte Terrain der Zeitreisegeschichte begibt und nur noch der Frage folgt, was man tun würde, wenn man die Zukunft kennt und diese so gar nicht mag. Glücklicherweise findet Stephen King hierfür aber einen netten kleinen Twist, der den Leser zufrieden zurücklässt. Allemal ist man als Kindle-Besitzer im exklusiven Kreis derer, die diese Novelle lesen können. Und das ist Sinn und Zweck der Angelegenheit.

Daher das Unerfreuliche zum Schluss: Welche Nachteile muss der eBook-Leser im Vergleich zum herkömmlichen Buchleser in Kauf nehmen?

Da wären zum einen die hohen Anschaffungskosten. Ein Kindle kostet aktuell 359 Dollar, das sind ungefähr 230 Euro. Der Sony kostet 300 Euro. Das amortisiert sich nicht so schnell, denn auch die Bücher selber kosten nicht allzu viel weniger als ihre gedruckten Kumpane. Zum Vergleich: Dan Browns Da Vinci Code (Sakrileg) kostet gedruckt als Taschenbuch unter 10 Euro, als eBook immerhin noch die Hälfte. Bei aktuellen Büchern ist die Differenz sogar geringer. Da darf man viel lesen, bevor man in die schwarzen Zahlen kommt. Eher muss man damit rechnen, dass ein neues Gerät auf den Markt kommt und wieder den Griff zum Portemonnaie erwartet. Oder, Gott behüte, dass das Gerät sogar kaputt geht. Dann fallen neue Kosten an. Und das neue Gerät will erst einmal eingerichtet und bestückt sein. Das erfordert zusätzliche Zeit.

Manche eBooks besitzt man nicht einmal selber. Amazon führt eine Art Kundenkonto, von dem aus man seine gekauften Bücher jederzeit erneut runterladen kann, wenn man ein neues Gerät hat oder sie zuvor aus Platzgründen gelöscht hatte. Das spart zwar Speicherplatz, macht aber auch abhängig. Wirklich sein eigen kann man die Dateien nicht nennen.

Und die netten Bildbände mit den farbigen Bildern sind derzeit sowieso noch nicht zu ersetzen. Das lustvolle Blättern darin würde einem die fehlende Geschwindigkeit des Readers sowieso verwehren, insofern wäre der Reiz eh verloren.

Fazit? Der iPod war ein genialer Schachzug, der den Musikgenuss in neue Dimensionen gestoßen hat... – und die Musikindustrie vor heute noch nicht gelöste Probleme gestellt. Der eBook-Reader will es ihm nachtun, kann das Bücherlesen aber bei weitem nicht ähnlich revolutionieren. Lediglich die schnelle Verfügbarkeit und die Möglichkeit, mehrere Bücher mit wenig Gewicht mit sich rumzutragen sind richtige Vorteile, ansonsten ist es einfach nur eine andere Art des Lesens. Wenn es einem gefällt, beim Lesen mit einem technischen Gerät zu spielen, wird man seine Freude haben. Ansonsten tut es auch das Buch. Und wenn die Bühcer zu viel Platz im Regal einnehmen, kann man sie immer noch der örtlichen Bücherei schenken. Mal ganz abgesehen davon, dass ein Buch ein schönes Geschenk ist, eine Kindle-Datei aber ziemlich schwer einzupacken ist.

Der "txtr" Und es muss auch nicht der Kindle sein. Wie man der folgenden Liste entnehmen kann, haben auch andere Mütter schöne Töchter.  Nicht zuletzt der „txtr“, ein eBook-Reader eines Berliner Start-up-Unternehmens, der Ende des Jahres verfügbar sein soll, verspricht von Design und Funktionenumfang her echte Konkurrenz. Er könnte eine spannende Sache werden.

So oder so, der eBook-Reader wird seinen Weg machen, aber dieser Weg wird länger und beschwerlicher sein als der des MP3-Players. Was mit der Erfindung von MP3 in Erlangen begann und selbst das Team um den Professor des Fraunhofer Instituts verwundert zurückließ, es wird nicht aufzuhalten sein. Die Geister, die wir riefen, sie fliegen unaufhörlich um uns herum. Nur ob sie dabei eBooks lesen, das wird sich erst noch zeigen.


Folgende eBook-Reader sind bei uns mit Ausnahme des Kindles derzeit verfügbar:

Sony Reader PRS-505
8 Graustufen
6800 Seitenwechsel pro vollem Akku
256 MB Speicher – bis zu 160 Bücher - erweiterbar
800x600 Bildpunkte
Umblättern: 2 bis 3 Sekunden
174 x 123 x 8 Millimeter
350 Gramm
ca. 300 Euro

eBook-Reader von Weltbild
4 Graustufen
Bis zu 10 Romane pro vollem Akku
174 Gramm
512 MB Speicher – erweiterbar
8,7 Millimeter Dicke
Nachschub per Download
269 Euro

Kindle von Amazon (nicht in Deutschland erhältlich)
16 Graustufen
Voller Akku reicht 4 Tage
290 Gramm
8,4 Millimeter Dicke
Speicherplatz 2 GB – für 1.500 Bücher
359 US Dollar

Weitere bei uns verfügbare Reader:
eSlick der Firma Foxit
CyBook Gen3 von Booken
BeBook von Endless Ideas
iRex Digital Reader 1000S
iLiad. Electronic Reader ER 0150 (auch von iRex)


txtr – The next generation reader
– kommt voraussichtlich im Herbst, eine Rundum-Lösung eines Berliner Start-up-Unternehmens, die dem Kindle Konkurrenz machen könnte.

eBook-Reader-Programme für alle Java-fähige Handys: ReadManiac, Stanza, eReader

 

Kommentare  

#16 Andrew P. Wolz 2009-07-06 01:23
Eine interessante Variante, deine Nutzung für Fachliteratur, Holzi. Am Bildschirm lesen ist echt ätzend, da wäre so ein formatfreier Reader ein absolutes Plus.

Gerade im Urlaub finde ich es aber auch störend, wenn ich mich schon zu Hause entscheiden muss, was ich mitnehme, weil ich im Urlaub ohne PC nicht mehr an neuen Inhalt für meinen Reader komme. Den ich liebe nichts mehr als mir am Urlaubsort ein neues Buch auszusuchen und gleich vor Ort zu lesen. Wenn ich jetzt den Kindle hätte, wäre ich so unverschämt, mir im Buchladen das Buch auszuwählen, es dort aber nicht zu kaufen sondern stattdessen im Hotelzimmer runterzuladen.

Was das Umblättern angeht: Ich finde das Weiterwischen der Seiten auf dem kleinen Handy-Display sucht-gefährdend. Man wischt da so schnell weiter, dass man echt das Gefühl hat, schneller voranzukommen, und will nicht mehr aufhören. Das Runterscrollen wie beim Perry-Rhodan-eBook kommt da für mich irgendwie nicht so ran.
#17 Andrew P. Wolz 2009-07-11 02:39
Noch ein aktuelles Update, auf diesem Gebiet tut sich anscheinend ständig etwas:

Holzi hat es in seinen News schon gebracht, ab Band 2500, also ab dem 17. Juli, gibt es Perry Rhodan wöchentlich auf dem iPhone und auf Android-Handys. Dazu hat sich Pabel-Moewig mit textunes zusammengetan, die schon einige nette Bücher in elektronischer Handy-Form anbieten. Marc Herren, Autor von PRA, hatte im aktuellen Interview ja erwähnt, dass er es für nötig hält, neue Medien wie beispielweise eBooks zu bedienen, um für PR auch jüngere Leser zu gewinnen, da diese gern "elektronisch" lesen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass eBook-Reader und ihr Angebot in Deutschland schnellstens ausgebaut werden sollten? Brechen sonst die Leser weg?

Ob es wirklich angenehm ist, PR auf dem Handy zu lesen, ich muss es mal ausprobieren. Von Band 2500 gibt es wohl eine kostenlose Leseprobe (nicht den ganzen Band kostenlos, wie es in den Zauberspiegel-News steht) ab dem 17. Juli. Wer ein entsprechendes Handy besitzt, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
#18 Stefan Holzhauer 2009-07-18 14:28
Wie ich es schon vermutete - Man darf Amazon und dem Kindle nicht trauen: news.zauberspiegel-online.de/?p=3105
#19 Andrew P. Wolz 2009-07-19 01:34
Holzi, danke für die News. Um es mal gelinde auszudrücken: Ich bin entsetzt. Bedeutet das, dass man nicht mehr weiß, welche Bücher man wie lange besitzt, bevor sie einem wieder weggenommen werden? Wer auch immer das bei Amazon entschieden hat, hat jetzt hoffentlich Probleme. Das hat Apple auch nicht gemacht: Wenn sich herausstellt, dass eine Application fürs iPhone nicht legal ist, wird sie vom Netz genommen - aber wer sie bis dahin runtergeladen hat, darf sie selbstverständlich behalten.

Bisher stand ich dem Kindle wohlwollend gegenüber, jetzt wird Amazon einige Zeit brauchen, wieder Vertrauen aufzubauen. Denn in der Tat ist das noch größere Problem bei dieser Sache: Wer hat Einblick in meine privaten Dokumente, die ich auf den Reader lade? Und sind die auch eines Tages einfach weg?

Kürzlich ist der Fall eines Amazon-Kunden bekannt geworden, dessen Account gesperrt wurde, weil er (angeblich) zu oft bestellte Ware zurückgeschickt hatte. Eine Folge der Sperrung war auch, dass sein Kindle leer ist, alle erworbenen Bücher weg sind. Ob das rechtens ist?

Hoffen wir mal, dass sich die Konkurrenz geschickter anstellt. Und ihre Geräte schneller weiterentwickelt.
#20 Stefan Holzhauer 2009-07-19 12:32
Und es glaubt hoffentlich keiner, dass andere Anbieter das mit denselben technischen Möglichkeiten anders gehandhabt hätten? Prima, dass Amazon das jetzt in dieser Form passiert ist, das schärft den Blick des Kunden.

Und deswegen bleibt meine Einstellung: Offene Gerätespezifikationen und ein offenes DRM-freies Format bei den Medien, damit der Kunde die Gewalt über die Inhalte hat und nicht der Verkäufer. Es ist doch lachhaft, dass man ein ebook erwirbt und dann für denselben oder sogar einen höheren Preis als den der Druckversion nur eine "Leselizenz" erhält, die einem jederzeit wieder entzogen werden kann. Wenn die Verlagsbranche glaubt, damit durchzukommen, ist sie genauso blöd wie die Musikindustrie. Und wird auch mit denselben Konsequenzen leben müssen.
#21 Andrew P. Wolz 2009-07-22 10:46
Ein sehr interessanter Artikel zu diesem Thema, der Holzis Tendenz unterstützt, findet sich derzeit auf Spiegel Online unter der Überschrift "Wie uns Gadgets an Konzerne fesseln".
#22 Mikail_the_Bard 2009-08-02 17:29
So ein kleines Datenupdate aus dem Weltbildkatalog 08/09 :-)

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