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Salzburg, Nonnen und Nazis oder The Hills are alive

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSalzburg, Nonnen und Nazis
oder The Hills are alive

„The Hills Are Alive With The Sound Of Music“ - dies verbindet man nicht unbedingt mit der Stadt Salzburg.

Allerdings ist der bekannte Musical-Film namens The Sound of Music, in dem Julie Andrews schon zu Beginn klargestellt, dass nichts besser ist als die wunderbare Welt der Musik und der Berge und des Singens durchaus mit Salzburg verbunden.

Dabei verbreitet „Meine Lieder, Meine Träume“- wie der Film auf Deutsch heißt - genau das typische Bild, das wir vom Salzkammergut haben. Hier scheint immer die Sonne, regnet es selten und überhaupt sind die Kühe immer bester Laune. Die Männer sind noch richtige Männer, die Frauen sind noch richtige Frauen, die Buben sind natürlich fesch. Dazu kommt die Geschichte einer jungen Frau, die einen Witwer kennenlernt – schon etliche Kinder hat – und diese dank der Macht der Musik zu ordentlichen Bürgern erzieht.
Wenn Wilhelm Busch meinte: „Nicht allein das ABC bringt den Menschen in die Höh“, würde er bei den Machern des Filmes durchaus Zustimmung ernten.

Natürlich ist dieser Film Kitsch pur. Genau wie auch Das Weiße Rösdl am Wolfgangssee. Der Film mit Peter Alexander haut fünf Jahre früher genau in die selbe Kerbe wie The Sound of Music. Auch hier ist alles sonnig, strahlend, schön. Herzige Kerle, hübsche Mädchen. Dass die Idylle in Österreich zu Hause ist, das hat zuletzt die Neuverfilmung des Weißen Rössls aus deutschen Landen gezeigt. Kaum überschreitet man die Grenze zu Österreich ist alles sonnig, heiter, klar. Dass der deutsche Film nicht unbedingt etwas mit der musikalischen Revue zu tun hat oder vielleicht sollte man besser sagen mit der Operette, das ist dann eher Nebensache - aber auch hier finden sich vermehrt die ganzen Klischees die wir mit dem Salzkammergut beziehungsweise Salzburg verbinden.

Der Versuch einer ironischen Berechnung des Ganzen, wie die neue deutsche Verfilmung es versucht hat, muss nicht unbedingt scheitern. Es gelingt aber selten. Mark Twain schafft es in seiner Reise durch Europa die Alpen beziehungsweise die Besteigung eines Berges als ironische Satire zu gestalten.

Merkwürdigerweise bedient aber The Sound of Music durchaus das Klischee der Heidi-Figur, die zwar ein Schweizer Original ist, aber die ganze Idylle verkörpert. Rousseau wäre entzückt aufgrund der wonnigen Darstellung der durchaus Anfangs naiven Nonne. Ebenso wie Heidi ist sie eine reine Seele, typische Kitschfigur aus dem Courths-Mahler-Archiv. Nett ist sie halt. Unverdorben. Wie Heidi auch.

Und beide Figuren reifen. Heidi erkundet Frankfurt und freundet sich mit Clara an, die Nonne Maria erkennt, dass sie eigentlich nicht ins Kloster sondern zum General Trapp und seinen Kindern gehört. Wenn der Film an dieser Stelle zu Ende wäre - wir Deutschen würden Julie Andrews vergöttern. Ideale Idylle.

Aber da „The Sound of Musik“ 1938 spielt hat der Film eine durchaus bittere Endnote. 1965 wollten die Deutschen Winnetou und Old Surehand sehen, flogen Männer in Kisten über die Leinwand, zwei Bondfilme buhlten um Aufmerksamkeit und Julie Andrews flimmerte als Mary Poppins über die Leinwände. Der im Dezember erschienene andere Andrews-Film war da zeitlich gesehen doppelt deplatziert. Zum Einen: Nazis? In einem Musikfilm? Österreich und Hitler? Nicht doch. Harmlose Unterhaltung war den Deutschen lieber. Mary Poppins war ideal. Disney-Moral inklusive. Und selbst etliche Jahre später hätten die rebellierenden Studenten das Ganze als spießerischen Humbug abgetan. Und ja, natürlich ist er das auch. Das Bild der Familie, die nur dank der fürsorglichen Frau wieder Eins wird - natürlich ist das spießig. Aber Mary Poppins ist das genauso. Schlimmer noch: Die um die Gleichberechtigung der Frau kämpfende Mutter widmet sich am Ende wieder der Familie... Der Zuschauer mag sich ausdenken, sie würde Beides in Balance bringen, aber Drachenfliegen steht am Ende von Mary Poppins. Nebenbei: Man sollte die Bücher mal lesen, der Bildungsschreck kann durchaus lehrreich sein.

Die Idylle, die wird im Weißen Rössl übrigens durch den Kaiser wiederhergestellt und auch hier mit der Moral: „Hübsch bescheiden sein“. Dann fügt sich alles. Ansprüche runterschrauben, Berge genießen, Oberkellner statt Doktor. Dass der längst vergeben ist, geschenkt. Die Handlung könnte den Nazis noch gefallen haben, aber die Musik - und die Ironie der Texte und Dialoge - alles andere als kreuzbrav. Aber auch hier zugleich: 1960 kommt die Verfilmung mit Peter Alexander in die Kinos. Bearbeitete Musik. Kreuzbrav. Übertrieben komisch bisweilen. Wer die Bühnenfassung mit dem ironischem Abgleich zwischen Berlin und dem Salzkammergut nicht kennt, mit glatzköpfigem Sigismund, der für seine Schönheit nichts kann und mit lispelnder Damenbekanntschaft - das Verbot der Nazis wird der nicht nachvollziehen können.

Glücklicherweise ist von einem Remake von The Sound of Music keine Rede. Das Musical selbst ist allerdings auch kaum auf den Bühnen zu sehen. Mag daran liegen, dass die Darsteller der Trapp-Kinder wirklich gut singen können sollten - vielleicht in Zeiten des Supertalents auch kein Ziel mehr im Musical bekannt zu werden. Am Kitschfaktor kann es nicht liegen: Der Geist der Weihnacht haut auf Dickens eine Menge Schmalz drauf. Und es wird jede Weihnachten wieder irgendwo gespielt. Dann doch lieber singende Nonnen und Weitwinkelaufnahmen von Bergen.

 

Kommentare  

#1 Falk 2018-11-23 12:11
Man sollte ergänzen, dass sich die Bühnenabstinenz ausschließlich auf den deutschen Sprachraum bezieht. Idyllischer Kitschfaktor und Nazis, das möchte das deutsche Publikum im Musical offenbar nicht sehen - oder die Theatermacher möchten es diesem nicht zumuten. Dabei zählt eine der Vorlagen des Musicals - der Heimatfilm „Die Trapp-Familie” - zu den erfolgreichsten deutschen Filmen.
In der englischsprachigen Theaterszene ist das Stück dagegen weiterhin immens beliebt. In New York erlebte es zwischen 1959 und 1963 1.443 Aufführungen und das Revival von 1998/99 brachte es auf weitere 533 Vorstellungen. Der Londoner Premiere 1961 folgten gar 2.385 Aufführungen sowie zwei Revivals. 1981 sorgte Petula Clark für Publikumsinteresse und beim Revival 2006-09 wurde für die Rolle der Maria extra eine TV-Casting-Show veranstaltet. Gleiches gilt auch für eine Aufführungsserie in Toronto. Fast allen diesen Produktionen folgten erfolgreiche Tourneen durch Großbritannien bzw. über den nordamerikanischen Kontinent, oft in der originalen Westend- oder Broadway-Besetzung.
Doch zumindest in Österreich hat es zwei namhafte Produktionen gegeben: 2005 an der Wiener Volksoper und 2012 am Salzburger Landestheater, die allerdings dem Vernehmen nach fast ausschließlich von englischen und amerikanischen Touristen besucht wurden.

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