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Netflix' Carmen Sandiego: Spritzige Agentenaction mit Wissensvermittlung

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneNetflix' Carmen Sandiego:
Spritzige Agentenaction mit Wissensvermittlung

Es gibt wenige fiktive Frauenfiguren, die einen derartigen Eindruck in der Popkultur hinterlassen haben wie Carmen Sandiego. Die Meisterdiebin in Rot trieb in diversen Computerspielen ihr Unwesen. Sie sorgte dafür, dass in einer Live-Quizsendung amerikanischen Kindern Geographie spielend nahegebracht wurde.

Wobei: Später gab es noch mal das Konzept mit einem Zeitreiseelement.

Stefan Pinnow durfte dann später für Deutschland in der ARD fragen, wo denn Carmen Sandiego steckte. In den Neunzigern tauchte sie dann als Star einer vier Staffel währenden Zeichentrickserie auf. Auch hier wurden Daten, Zahlen, Fakten über Länder und die Welt in eine Spielhandlung eingebettet.

Jetzt ist die mit dem roten Feodora und allerlei technischen Gadgets ausgestattete Carmen Sandiego wieder zurück. Allerdings hat sich gegenüber den Vorgängern Einiges verändert. Aus der Chefin der Organisation V.I.L.E, die Meisterwerke der Kunst klaut, ist im Remake eine junge Frau geworden. Mit einer geheimnisvollen Vergangenheit, denn als Baby wurde sie in Argentinien von einem der Mentoren der Akademie auf der V.I.L.E-Insel aufgelesen und verbrachte ihre Kindheit in der Akademie der Diebe. Ihr größter Wunsch: Ebenfalls wie alle anderen Schüler irgendwann einmal eine Diebin zu werden und V.I.L.E zu dienen. Allerdings kommt es dann anders als sie denkt und das ist der Start für eine sehr actionreiche - wir sind immerhin im Spionage- und Heist-Genre - Miniserie, die ihre Referenz an die Vorgänger leistet.

Man könnte die neue Netflix-Serie durchaus als Prequel für die FOX-Zeichentrickserie der Neunziger bezeichnen, aber dafür sind sie dann doch zu unterschiedlich. Nicht alleine durch den Zeichenstil, der in der neuen Serie frischer und deutlich aufpolierter ist. Und durchaus eigen. Auch die Hintergrundgeschichte von Carmen, die in den Neunzigern in den späteren Staffeln der Serie erzählt wird, unterscheidet sich dann doch deutlich von der, die wir in Netflix in den ersten beiden Folgen kennenlernen. Insofern: Prequel ist das nicht, eher ein Remake.

Aber für wen ist dieses Remake gedacht? Sicherlich einerseits für die Erwachsenen, die sich an die alte Serie erinnern können. Ich glaube zwar nicht, dass das besonders viele sind. Zwar haben sich nach der FOX-Serie noch etliche Computerspiele mit Carmen halten können - das letzte war sogar eine Mobile-Abenteuer - aber im Zeichentrickgenre trat dann etwa eine Kim Possible auf den Plan, die weitaus jünger, schlagfertiger und eine Spur skurriler war als Carmen Sandiego je sein konnte. Trotz der Quirks wie dem menschlichem Player, der Tatsache, dass die Figuren sich immer bewußt waren, dass es noch eine andere Welt neben der ihren gab und den Kapriolen der KI des Chefs - eine KI leitet eine Detektiv-Agentur, ja, diese verrückten Neunziger und ihre Ideen - ist die FOX-Serie um Carmen durchaus ernsthaft. Wenngleich im Rahmen eines Samstag-Morgen-Cartoons: Gewalt ja, Gadgets ja, aber eher weniger Blut bzw. Tote. Das gilt auch für die neue Serie übrigens.

Andererseits werden Kinder sicherlich Gefallen an der neuen Carmen Sandiego finden. Eine weibliche Hauptfigur, die clever, moralisch und für ihre Freunde da - eine Menge von Gadgets, Autojagden und Technik und ein Storybogen, der alle Folgen zu einem Ganzen macht. Das könnte durchaus funktionieren. Vor allem dann, wenn man noch nicht all zu viele Agenten-Heist-Serien oder -Filme gesehen hat.

Denn natürlich erfindet die Serie das Rad nicht neu - sie ist natürlich den Vorgängern und den Computerspielen verpflichtet, Fans würden wohl aufjaulen, wenn V.I.L.E oder ACME nicht auftauchen würden. Wobei sie geschickt die FOX-Serie referenziert: Im Fahrstuhl in der ersten Folge läuft das Thema der alten Serie als Hintergrundmusik. Zack und Ivy sind immer noch Bruder und Schwester und der Chief von ACME taucht wie in der alten Serie nur als Hologramm auf. Das Remake verwandelt den Jugendlichen vor dem Computer - ja, die FOX-Serie ist bisweilen seltsam - in einen Hacker namens Player. Sicherlich findet sich noch die ein oder andere Referenz an die alte Serie, etwa was die Namen der Diebe oder Charaktere anbelangt.

So unterhaltsam die neue Serie auch ist, es gibt für Jemanden, der schon genügend Bond-Oceans-Eleven-Filme oder Anderes gesehen hat aber kaum Überraschungen im eigentlichen Storybogen der Serie selbst. Es gibt natürlich einen Twist in der letzten Folge. Es gibt allerlei Standard-Plots in den einzelnen Folgen - über Nacht muss aus Zack eine cooler Adeliger werden, Aussprache inklusive, es gibt das übliche Inspektor-verfolgt-mit-Auto-einen-Zug-Element und so weiter und so fort. Klar, Fahrer-mit-Auto-fährt-in-Fluss ist auch vorhanden. Ebenfalls stellt sich natürlich wie immer die Frage: Wie finanzieren diese ganzen geheimen Gesellschaften sich eigentlich? Schön, V.I.L.E hat als Basis natürlich die Raubzüge, aber ACME und Carmen? Und hätte man dem Player nicht eine weitaus aktivere Rolle zuweisen können als nur Zulieferer für die Daten und Fakten, die man - wir sind immerhin noch in einer Edutainment-Serie - über das Land, in dem Carmen tätig wird, erfahren muss?

Trotzdessen: Carmen Sandiego ist spannend, macht Spaß. Die Sprecher im amerikanischen Orginal sind großartig. Gina Rodriguez als Carmen, Finn Wolfhardt als Player, Abby Trott als Ivy und Michael Hawley als Zack. Für Nostalgiker: Die Stimme der FOX-Carmen, Rita Moreno, als Buchhalterin an der V.I.L.E-Akademie - das ist schon schön. Leider nur in den ersten zwei Folgen. Seufz. Sicherlich: Die Serie ist nicht bahnbrechend, aber sie hat das Herz auf dem rechten Fleck. Wobei ich schon finde, man hätte einen schmissigeren Titelsong nehmen können, der aktuelle klingt so, als wäre er der Bewerber für den nächsten James Bond ...

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