Die Leserseite. Überholt oder unverzichtbar?
Die Leserseite
Auch PR zog kurz darauf nach und in der Folge gab es praktisch in jeder Serie dieses Forum für die Leser. Die einzige Ausnahme war wohl Commander Scott. Aber Raumschiff Promet, Zeitkugel oder die Terranauten sind ohne Leserseite kaum vorstellbar. Heute gibt es die Foren im Internet und die Frage stellt sich: Ist die Leserseite noch zeitgemäß?
Bei PR gab es die erste Leserseite Anfang der 300er Bände, zunächst nur eine Seite. Später als die Zahl der Briefe stieg wurde eine zweite Seite drangehängt. Heute sind es wohl schon vier. Das zeigt deutlich wie wichtig diese Seite im Laufe der Zeit als Forum für die Leser und Diskussionsort geworden ist. Dabei gab es dort nicht nur Leserbriefe und Antworten seitens der Redaktion. Nein, auch Cartoons, Witze und Redaktionsinterna fanden an dieser Stelle ihren Platz. In Vor-Internetzeiten gab es in SF-Serien auch öfter Informationen aus dem Bereich "aus Forschung und Wissenschaft". Nicht zu vergessen die Leser-Kurzgeschichten. William Voltz und Arndt Ellmer sind legendäre "Leseronkel" geworden, verdanken ihre Popularität bei den Lesern nicht zuletzt der Betreuung dieser Seiten.
Aber auch die anderen Serien (und hier nicht nur im Bereich der SF) haben heutzutage alle eine Leserseite, die oft auch aus zwei oder mehr Seiten besteht. Man denke nur mal an Professor Zamorra, wo W.K.Giesa diese Seite zelebrierte und unverwechselbar inszenierte. Legendär im Fandom sind auch die Kurzgeschichten bei Ren Dhark. Und manchmal nahmen die Leser über die Leserseite auch direkt Einfluß auf die Serie. Zumindest sah es so aus, als ob. Ich denke da an die Zeitkugel, wo die Leser vehement die "Frau in der Zeitkugel" forderten. Unverwechselbar auch die Leserseite im Telegrammstil bei Raumschiff Promet.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich alle 14 Tage aufgeregt zum Zeitschriftenhändler gelaufen bin, um nachzuschauen, ob mein erster Leserbrief bei der ZEITKUGEL diesmal im Heft erschienen war. Die Leserseite war bis in die neunziger Jahre das Medium für den Leser, sich an "seiner Serie" zu beteiligen, einzubringen und sich Gehör zu verschaffen. Zugegeben manchmal gab es auch den Verdacht, dass dort eine willkürliche Auswahl getroffen wurde. Nichtsdestotrotz stand das Studium der Leserseite, egal ob sie sich vorn, in der Mitte oder hinten im Heft befand, immer zuerst auf meiner Agenda. Viele spätere Autoren haben vorher als Leserbriefschreiber oder Kurzgeschichteneinsender von sich reden gemacht. W.K.Giesa und Horst Hoffmann gehören z.B. dazu.
Inzwischen gibt es aber die Internetforen und so manche Leserseite besteht lediglich aus aus dem Abdruck von Postings aus den Foren (stillschweigend wird davon ausgegangen, wer ins öffentliche Forum postet, wird auch nichts dagegen haben, wenn das Statement auf der Leserseite landet), richtige Briefe sind mittlerweile selten geworden. Schade? Vielleicht, aber auch erklärbar.
Die Crux mit den Briefen war ja immer, dass es viel zu lange dauerte, bis sie endlich auf der Leserseite erschienen. So sechs Wochen waren das Minimum, es konnte aber auch schon mal ein Vierteljahr werden. Da geht das im Forum doch viel schneller. Frisch ans Werk und schon am gleichen Tag ist mein Posting online. Und es gibt meist auch schnelle Reaktionen darauf. Warum sich da die Mühe machen, einen Brief zu schreiben und ewig auf Antworten/Reaktionen warten? Hier liegen aber auch die Probleme.
1. Das scheinbar "anonyme" Posten lädt einige Leser dazu ein, wüste Schmähungen und Beschimpfungen von sich zu geben. Da kann man schon mal Dinge lesen, die sonst wohl nur an Stammtischen nach entsprechendem Biergenuss von sich gegeben werden.
2. Die Foristen bevorzugen kurze knappe Statements. Wer mehr als fünf, sechs Sätze schreibt, darf sich nicht wundern, wenn er einen Kommentar wie "ist mir zu lang, werde ich nicht lesen" bekommt. Das hat zur Folge, dass kein Raum für differenzierte Stellungnahmen, Analysen etc. da ist. Es bleibt sehr oft bei der Äußerung des Bauchgefühls. "Klasse Roman, hat mir sehr gut gefallen! Mehr davon" etc..
3. Auch die Sorgfalt bleibt auf der Strecke. Wenn sich dies nur auf die Rechtschreibung erstrecken würde, könnte man dies ja noch verschmerzen. Aber auch die Beiträge wirken oft seltsam undurchdacht, sind scheinbar mal schnell aus dem Augenblick heraus runtergeschrieben.
4. Das schnelle Erscheinen und die scheinbar sofortigen Reaktionen erwecken bei einigen Foristen die Erwartung, jetzt müssten ihre Vorschläge, Beschwerden etc. auch sofort umgesetzt werden. An so etwas wie Vorlaufzeiten bei der Drucklegung denkt kaum einer der eifrigen Schreiber.
5. Auf der Leserseite kann die Redaktion steuernd eingreifen und die Post selektieren, zumindest den Erscheinungszeitpunkt bestimmen. Die Foren werden leider oft zum Tummelplatz von Trollen, zugespamt oder von immer wieder denselben "Fans" als Plattform für ihre allseits bekannten immer gleichen Ansichten und Forderungen benutzt. Hardcorfans deuten dies als Meinungsfreiheit, für den objektiven Betrachter ist das aber allenfalls Anarchie.
Doch zurück zur Leserseite. Wenn dort fast nur noch Postings aus den Foren stehen, warum wird dann nicht gleich darauf verzichtet? Okay manchmal geben die Redaktionen dort ja auch Dinge bekannt, weisen in eigener Sache auf etwas hin u.ä.. Ein wirklicher Grund kann das aber nicht sein, das ganze weiter Leserseite zu nennen. Ein anderer Verdacht drängt sich auf. Wenn die Redaktionen es für sinnvoll halten, Postings aus den Foren zu bringen und kein Widerspruch seitens der Leser erfolgt, muss man doch annehmen, dass nur ein Bruchteil der Leser auch die einschlägigen Foren besucht und dort liest. Entweder sind jetzt die Foren so uninteressant und abschreckend oder ein Großteil der Leser verirrt sich nicht ins Internet. Sind Heftromanleser also überwiegend Internetmuffel oder rekrutieren sie sich vielleicht sogar größtenteil aus den Jahrgängen, die auf ihre "alten Tage" sich nicht mehr mit diesen neuen Techniken befassen wollen? Ist der typische Heftromanleser vielleicht schon über 60?
Und wie soll/wird es weitergehen mit der guten alten Leserseite? Wird sie demnächst endgültig durch das Internetforum ersetzt? MadMike hat bei MADDRAX ja eine interessante Zwischenlösung eingeführt. Dort gibt es im Forum einen Thread für Leserbriefe, was zumindest den Vorteil hat, dass derjenige, der dort postet, auch weiss, was auf ihn zukommt. Schade wäre es auf jeden Fall wenn die Leserseite verschwinden würde, denn Schwarz auf Weiss ist für die Dauer, während die elektronischen Dateienspeicher flugs geleert oder verändert werden können. Die Diskussionen auf den Leserseiten der alten Hefte aus den sechziger und siebziger kann man noch heute nachlesen, aber werden die Inhalte der Internetforen in 30 oder 40 Jahren noch online stehen? Ausserdem ist die Leserseite einer der wenigen Pluspunkte, die der Heftroman gegenüber dem Taschenbuch aufweisen kann. Ohne Not sollte der nicht aufgegeben werden.
Trotzdem sollte an einer zeitgemäßen Erscheinung gearbeitet werden und zumindest Verbindungen zu den entsprechenden Foren geschaffen werden. Ein einfaches Abdrucken der Forenpostings kann einfach nicht der Weisheit letzter Schluß sein.
Kommentare
Für mich war die Leserseite immer irgendwie das Herzstück. Die las und lese ich noch beinahe rituell beim Frühstück (sonntags wenns keine Zeitung gibt natürlich).
Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass es auf der ganz alten PR-LKS noch so gut wie gar keine Briefe gab, sondern hauptsächlich Meldungen zum Clubgeschehen.
Heute fehlt mir auf der PR-LKS das Barometer, weil ich immer in erster Linie am Feedback zu den Romanen interessiert bin, weniger an Storys oder seitenlangen Spekulationen
Auch ich habe früher die Leserseite immer zu erst gelesen. Besonders auf Larry Brent habe ich mich immer gefreut.
Was die Leserbriefe überhaupt angeht, da muß ich ehrlich sagen fange ich wie die Japaner ihre Mangas den Roman von hinten an zu lesen, also Leserbriefe und dann ab zum Anfang der Story.
Als die LKS eingeführt wurde, waren das tiefgreifende Veränderungen im Verlagswesen - und nun steht wohl eine neue Veränderung an, bei der letztendlich die Ansichten des Verlags ausschlaggebend sind.
Sollen die sich doch die Köpfe um eine Lösung zerbrechen!
Was mich angeht, so mag ich die Leserseite, auch wenn sie nur aus Forenbeiträgen besteht. Das gibt dem Schreiben im Forum noch einen Extra-Kick, denn schliesslich könnte es auch gedruckt werden. Und vor allem könnte der Beitrag kommentiert werden und zwar mit "Das war ja wohl nichts, Heinz, versuch's noch einmal" ...
Seit Band 1 enthält die LKS nur echte Leserpost, es wurde kein Brief "getürkt". Das zeigt doch, dass es auch heute noch genügend Fans gibt, die ihre Gedanken in Worte fassen. Ich verwende auch Postings aus dem MX-Forum - die dort im Thread "Leserbriefe" abgelegt, aber nicht beantwortet werden; dafür ist schließlich die LKS im Heft da.
Nicht erwähnt? Zitat: