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Bonding: BDSM und Beziehungen

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneBonding
BDSM und Beziehungen

Es scheint ein Zeichen der Zeit zu sein, dass nicht nur die Staffeln von Serien kürzer werden sondern auch die Folgen an sich. Allmählich nähern wir uns in Deutschland dem britischen Modell an: Sechs bis zehn Folgen Minimum, die dann jeweils bis zu einer Stunde dauern. Dabei scheinen aber auch die Folgen selbst immer kürzer zu werden. Jedenfalls bei den On-Demand-Anbietern wie Netflix. Die Folgen von Bonding etwa dauern um eine Viertelstunde.

Wenn der Stoff für eine Folge nicht mehr als eine Viertelstunde trägt ist es natürlich besser, wenn diese nur eine Viertelstunde dauert anstatt dass sie künstlich verlängert wird. Und dass eine Geschichte in fünfzehn Minuten erzählt werden kann, ist ja auch nichts Neues. Bei Bonding könnte eine verlängerte Folgenvariante durchaus auch manchmal etwas unangenehme Gefühle erwecken, denn die Serie ist im BDSM-Milieu angesiedelt, ab Sechzehn und scheut sich dann auch nicht vor entsprechenden Szenen zurück. Wobei man einschränkend sagen muss: Es ist keine Dokumentation, es ist eine Comedyserie. Da dient die BDSM-Szene in New York erstmal als Setting für eine Geschichte zwischen zwei Leuten.

Diese Zwei sind Peter und Tiffany. Beide kennen sich seit der Highschool, beide hatten auch schon mal miteinander Sex, aber irgendwie wurde da nicht mehr viel draus. Denn Peter ist schwul, was er allerdings erst vor kurzem öffentlich gemacht hat. Nebenbei versucht er als Stand-Up-Komiker Fuss zu fassen, traut sich aber irgendwie nicht so recht auf die Bühne. Zufälligerweise trifft er Tiffany wieder, die Psychologie studiert - und nebenbei als Domina arbeitet. Aus Gefälligkeit offeriert sie Peter einen Job als Assistent. Ob und wie die Beiden miteinander klarkommen, wie die Umwelt auf ihre Jobs reagiert und ob es ein Happy-End gibt: Das erforscht die Serie in der ersten Staffel.

Jetzt ist natürlich eine Comedyserie keine Dokumentation, allerdings kann auch eine Comedyserie einflussreiche Bilder von Szenen in die Köpfe der Zuschauer*innen verankern. Nachhaltig hat etwa The Big Bang Theory das Bild des Nerds beeinflusst. Ob zum Guten oder zum Schlechten sei dahingestellt. Und so muss man auch fragen, wie die BDSM-Szene in der Comedyserie dargestellt wird. Die Bandbreite reicht da von dem, was man allgemein seit Fünfzig Arten von Schatten kennt - also Fesseln und Schlägen - bis hin zu etwas ungewöhnlicheren Dingen wie dem Boxen in Pinguinkostümen. Nein, das denke ich mir nicht aus. Da wird gekitzelt, der Penis beleidigt und auf Leute gepinkelt. 

Jetzt könnte das Ganze natürlich in einer sehr lächerlichen Art und Weise ausarten. Die Verächtlichmachung von Klischees in Comedy-Serien hat eine lange Geschichte. Da mussten erst z.B. die Golden Girls antreten, um gegen die üblichen Klischees von Homosexuellen anzutreten. <Es gibt mindestens zwei Folgen, in denen das eine Rolle spielt, die drehen sich um Blanches Bruder.> Es wäre daher ein Leichtes für die Serie, sich über Diejenigen lustig zu machen, deren sexuelle Präferenzen außerhalb der Norm ist. Die Komik in diesen Szenen resultiert aber eher an dem Verhalten von Peter, der als Master Carter sich allmählich erst an diese Szene gewöhnen muss. Wenn man sich erst vor einiger Zeit als homosexuell geoutet hat, ist die Wucht der BDSM-Szene sicherlich nicht leicht zu verarbeiten.

Die Serie behandelt Diejenigen, die BDSM-Anhänger sind, tatsächlich mit Respekt. Zwar gibt es eine ausgehenden tiefe Charakterstudie über die jeweiligen Kunden von Tiff und Pete. Aber ihre Kunden sind durchaus Menschen, denen man auf der Straße begegnen, mit denen man im Büro zusammen an einem Projekt arbeiten könnte. Sie sind keine Karikaturen, sondern gut geschriebene Nebenfiguren, die die Hauptcharaktere kontrastieren und durchaus auch einen eigenen Kommentar zu dem geben, was mit Tiffany und Peter passiert.

Sicherlich ist die Art und Weise, wie Bonding mit den Hauptfiguren umgeht nicht so ungewöhnlich: Zwar ist hier nicht unbedingt die komplette Heldenreise wiedergegeben, aber am Ende stellen sie sich dann doch den Problemen und den aktuellen Widernissen des Lebens und gehen einigermaßen siegreich aus ihm hervor. Wobei das Ende der Staffel da durchaus auch noch einige Fragen offen lässt - doch selbst wenn es keine zweite Staffel geben sollte, wäre das durchaus ein rundes und passendes Ende.

Dass Bonding teilweise den Gegensatz zwischen Arbeitswelt und Alltag auch in den Sets widerspiegelt mag einem erst dann auffallen, wenn man sich etwa den Comedy-Club anschaut und dann die Häuser der Klienten bzw. auch den Raum im BDSM-Kerker, in dem Tiffany arbeitet. Die Alltagswelt ist durchaus nicht glamourös, teilweise sogar offenbar bewusst billig dargestellt. Der Comedy-Club genauso wie die Universität, an der Tiff studiert. Oder Peters Wohnung. Dagegen ist die BDSM-Szene deutlich abgesetzter. Sicher, das hat mit dem Neonlicht in Tiffanys Kerker zu tun, aber auch wenn die Beiden Kunden außerhalb besuchen sind die Sets etwas opulenter - man sehe sich nur das Haus des Ehepaars an, ein Traum in Weiß - und auch die Lichteffekte sind gezielter gesetzt. Dabei ist aber das Eine nicht glorreicher als das Andere sondern beide Seiten haben durchaus ihre Schattenseiten.

Alles in allem: Eine Comedyserie, die in der es um die BDSM-Szene geht hätte man so vermutlich vor Jahren noch nicht drehen können. Oder es wäre etwas im Stil von Ein Käfig voller Narren herausgekommen - nichts gegen das Original und die Botschaft am Ende, aber der Film ist stellenweise reiner Camp und strotzt nur so vor Klischees. Sicherlich ist die Serie kein Befreiungsschlag, aber sie korrigiert immerhin das ein wenig, was drei strunzdumme Hollywood-Filme in den letzten Jahren angerichtet haben. Und dafür gebührt der Serie definitiv ein großes Lob.

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