Wenn Youtube Schüler klüger macht
Wenn Youtube Schüler klüger macht
Dabei ist es erstaunlich, dass sich erst jetzt nachdem Hunderte und Tausende und Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen von Schülern Youtube schon für Schminktutorials und visuelle Anleitungen für den Zusammenbau von Dingen wie unter anderem IKEA-Möbeln benutzen, wenn sich die Wissenschaft erst jetzt damit beschäftigt. Wobei - so ganz richtig ist das nicht. Es ist eher so, dass die Videos, die manchen Nachhilfehrer ersetzen, bisher nicht unbedingt unter die Lupe der Wissenschaft genommen wurde.
Angesichts der Aufkommens von Programmen wie der Sesamstrasse oder der Open University - bei uns wäre das wohl das Telekolleg - beschäftigte sich der Forscher Gavriel Salomon in den Achtzigern mit der Frage, wie solche Sendungen auf Kinder und den Zuschauer wirken. Seine Ergebnisse münden in den bekannten Satz, dass TV einfach sei im Gegensatz zum harten Print. Das heißt: Fernsehen wird in erster Linie als Unterhaltungsmedium wahrgenommen, während man sich beim Lesen Inhalte eher erarbeitet und die besser im Gedächtnis bleiben.
Nun ist es so, dass das Medium sich gewandelt hat. Das Fernsehen ist ein unendlicher Strom, bei dem Inhalte hintereinander in der Zeit erscheinen, die keine weitere Verbindung an sich haben außer die, dass sie auf einem Kanal zu sehen sind. Wer daher beim Telekolleg keinen Videorecorder hatte und sich die Sendungen nicht aufzeichnen konnte - oder die Videokassetten nicht bestellen konnte oder wollte - an dem rauschten dann die Inhalte vorbei. Der Vorteil des Vor- und Zurückspulens, wenn gewisse Dinge nicht verstanden werden, ist im Fernsehen als Medium nicht gegeben. Außer: Man bewahrt eine Sendung als Konserve auf.
Das Fernsehen antwortet auch nicht, wenn es gefragt wird. Wenn nach einer Sendung noch Fragen ungeklärt sind, kann man zwar eventuell mal eine Hotline anrufen, aber selbst diese sind ja nicht immer in der Lage die komplizierten Matheaufgaben zu erklären, die gerade über die Leinwand flimmert. Da ist Youtube schon anders. Youtube ermöglicht einen Rückkanal und damit auch die Diskussion der Zuschauer unter sich. Inwieweit also das Diktum, TV sei einfach noch gilt ist die Frage.
Jetzt gibts durchaus auch schon pädagogische Konzepte, die auf das Vorhandensein von Videos abstellen. Der Umgekehrte Klassenraum etwa - Lehrer nehmen ihren Unterrichtsstoff auf, die Schüler sehen ihn sich zu Hause an und können dann in der Schule Fragen stellen, wenn etwas nicht verstanden wurde. Dass dieses Verfahren nicht so ganz dem Lehrplan entspricht und nicht jeder Lehrer dazu als Person geeignet ist - das ist dann halt so.
Jedoch: Wenn von der Digitalisierung an Schulen die Rede ist, dann weniger davon, dass es ausgefeilte Konzepte zum Nutzen von neuen Medien gibt - die Rede ist in der Regel von Technik, Technik, Technik. Und die Frage, ob Smartphones nun wirklich im Unterricht sein müssen. Und überhaupt, die ganzen Schulbuchverlage, die könnte man doch nicht einfach so verhungern lassen, die Armen …
Ja, die Gutenberg-Galaxis von Marshall McLuhan ist dem Globalen Dorf gewichen und McLuhan selbst hätte sicherlich spöttisch angemerkt, wir würden uns mit Smartphones und Apps zu Tode amüsieren - er hätte sicherlich durchaus etwas Recht damit - könnte man aber auch genauso an seinem Ohrläppchen ziehen. Darauf hinweisen, dass McLuhan ja selbst den Buchdruck als treibende Kraft für Innovationen ansah. Die Frage, ob wir in einem Oberflächenuniversum nicht gewisse Dinge verlieren werden, die steht auch tatsächlich im Raum. Aber da das Medium die Botschaft ist, müssten wir uns fragen: Wie gehen wir jetzt mit Schülern um, deren Botschaft aus dem Internet lautet, dass Lernen durchaus Spaß machen kann?
Momentan scheint keiner die Frage ernsthaft beantworten zu wollen, zwar werden diverse Influencer und Fachleute befragt - wie immer bei einem neuen Thema oder einer aufregenden Studie - gesellschaftliche Folgen aber scheint niemand wirklich in Angriff nehmen zu wollen. Natürlich sind Video-Tutorials erstens immer nur so gut wie der, der sie macht. Zweitens kann man theoretisch Klavierspielen durch ein Tutorial erlernen, aber es braucht dann doch die korrigierende Hand des Lehrers, denn ein einmal falsch eingeübter Fingersatz rächt sich. Drittens ist nicht jeder der Lerntyp, der durch Anschauen oder Hören lernt.
Jedoch: Wenn Lehrkräfte Lernenden Kanäle erstellen, in denen von ihnen geprüfte und für gut befundene Videos zu finden sind, dann ist das durchaus eine Erweiterung und eine gute Ergänzung. Das Eine tun, das Andere nicht lassen und mal mit dem Umgekehrten Klassenzimmer experimentieren. Was im Grunde auch nichts Anderes ist als wenn man eine Klassenlektüre durchnimmt und die Schüler nun etliche Kapitel zu Hause lesen sollen, die man dann in der Klasse nochmal bearbeitet. Insofern: Alles schon mal erprobt.