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Wider der Konjunktivitis

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneWider der Konjunktivitis

Es gibt eine Krankheit, die kaum bekannt ist, aber stets allgegenwärtig erscheint. Ein Virus, den man kaum bemerkt, den man sich aber schnell einfangen kann.

Unsichtbar. Zu Anfang ist diese Krankheit klein und unscheinbar, ist kaum wahrnehmbar, aber wehe, wenn sie sich einmal in Jemanden eingenistet hat.

Ja, sie ist tückisch, dieses Konjunktivitis.

Es fängt ganz harmlos an: »Schatz, jemand müsste mal den Müll rausbringen.« Es ist klar, dass der Angesprochene gemeint ist, man selbst den Müll auf keinen Fall rausbringen möchte und dass die Sache demnächst mal geklärt werden müsste. Irgendwann fängt der Müll halt auch an zu stinken und die Küche ist nicht mehr betretbar, weil lauter Müllsäcke den Boden bedecken. Also: DU, ja, DU bist an der Reihe, pack den Müllbeutel, die Treppen runter, Container auf, Beutel rein und wieder hoch.

Aber du willst das natürlich jetzt nicht machen, weil du gerade das neueste Video der Space Frogs anschaust, gerade nach dem Popcorn und der Cola greifst. Außerdem: Du müsstest aufstehen. Och nee. Außerdem: Du bist ja gar nicht gemeint. Da war ja die Rede von Jemanden, von Irgendeinem - von einem Man halt. Mit einem N. Mit - einem ... Also streckst du dich nochmal aus, nickst ihr oder ihm zu und meinst: <<Man müsste mal ...>> Und verschiebst das Ganze auf das nächste Mal.

Ohne, dass es dir bewußt ist, hast du dir schon den heimtückischen Virus eingefangen. Heimtückisch hat er sich angeschlichen und hat dich nun infiziert. In den nächsten Tagen wirst du feststellen: Statt Du, Er oder Sie etabliert sich bei dir ein Man. Man muss mal dieses oder jenes tun. Man kann ja auch mal fünf gerade sein lassen. Man muss doch nicht alles ausdiskutieren. Irgendwann gesellt sich dann der Konjunktiv dazu: Hätte. Sollte. Müsste. Könnte.

<<Man müsste mal wieder den Wagen waschen.>> - <<Man müsste mal wieder den Boden wischen.>> - <<Man sollte die Oma anrufen, die hat heute Geburtstag.>>

An sich wäre das harmlos, aber die Konjunktivitis ist heimtückisch: Sie setzt sich im Gehirn des Opfers fest und lähmt alles, was irgendwie mit Bewegung zu tun hat. Um mit der Oma zu telefonieren, müsste man zum Smartphone greifen. Das liegt aber nicht gerade in Greifnähe. Man müsste als eigentlich aufstehen, aber andererseits - da sind die Beine auf einmal bleiern. Überhaupt sind alle Knochen mit Blei ausgegossen worden. Zudem: Du bist doch nicht behämmert und bewegst dich. In dieser Hitze. Du bist doch nicht bekloppt. So breitet sich die Konjunktivitis aus. Heimlich, still und leise. Sie befällt die Familie, den Arbeitsplatz, alles, was irgendwie mit Aktivitäten zu tun hat, bei dem Personen zusammensitzen und Dinge planen. Sie legt Organisationen lahm und behindert gute Ideen.

Ein Meeting. Irgendwo in einer Firma. Mehrere Personen haken lustlos die Tagesordnung ab. Jetzt, denkt Einer, jetzt ist der Punkt gekommen: Ich kann endlich meine Idee vorstellen. Meine Präsentation vorstellen. Endlich geht es vorwärts, endlich kann ich was bewegen. Und siehe, die Idee wird beifällig aufgenommen. Viktoria, jubelt es in dem Vorschlagen. Aber dann, aber dann ... DER Satz: <<Jemand müsste sich dann mal demnächst um die Umsetzung kümmern.>> 

Da schlägt die Konjunktivitis wieder zu: Jemand - irgendjemand - irgendeiner - nur halt man selbst erstmal nicht und wenn man in die Runde blickt, wird sich jetzt auch keiner spontan melden. Also: Man. Man müsste mal. Man müsste dringend jetzt jemanden bestimmen, der sich darum kümmert. Falls jemand noch eine offene Rechnung mit dem Vorsitzenden hat, dem wird das Ganze mit Freuden aufgehalst. Und dann der Konjunktiv: Das, was noch nicht ist, was aber werden kann, wenn man es denn mal anpackt. Also wenn. Irgendwann. Halt nur nicht jetzt und halt nicht von Einem selbst. Schlicht und einfach bedeutet das: Die Idee wird nie umgesetzt werden, weil keiner das machen möchte. Weil es zusätzliche Arbeit ist. Weil das Ganze eh sich bald wieder erledigen wird - spätestens mit dem neuen Vorsitzenden ...

Ja, tückisch ist die Konjunktivis und eine Medizin dagegen gibt es leider bislang nicht. Man kann sie allerhöchstens in den ersten Tagen aufhalten, in dem man die Dinge, die anliegen einfach selber macht, anstatt zu hoffen, dass Dinge von Anderen erledigt werden ... Aber mal unter uns: Wer ist denn so doof, sich freiwillig für irgendwelche Sachen zu melden? Und so wird die Konjunktivitis weiterhin ihre Opfer finden, wird weiterhin Menschen anstecken und Dinge unmöglich machen ...

Kommentare  

#1 R. Windeler 2019-08-23 19:21
@ Christian Spliess: PN für dich.
#2 Des Romero 2019-08-25 20:55
Oh, wäre das schön, den Titel des Artikels umzubenennen in "Wider die Konjunktivitis". Aber wer bin ich, solche Wünsche zu äußern …

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