Der Zauber des Analogen: Der Dunkle Kristall - Age of Resistance
Der Zauber des Analogen
»Der Dunkle Kristall - Age of Resistance«
Momentan belebt Netflix einige alte Franchises neu. Das Special von <<Rockos Modernem Leben>> habe ich ja schon gewürdigt, Invader Zim hat ebenfalls eines bekommen. She-Ra ist momentan in der dritten Staffel und etliche andere Klassiker stehen in den Startlöchern. Ob die Welt nun wirklich eine Neuauflage des WINXS-Clubs braucht sei dahingestellt. Aber für Netflix lohnt sich das Reaktivieren durchaus - selbst dann, wenns in den Sand gesetzt worden ist, etliche Millionen Zuschauer*innen haben sich die Neustarts oder Fortsetzungen oder - hmmm, gibts ein deutsches Wort für Prequel? - dann doch angesehen.
Allerdings ist manchmal nicht so ganz klar, warum gerade dieses oder jenes Franchise wiederbelebt wird. Überraschend waren die beiden Nickelodeon-Serien ja schon: Rockos Modernes Leben war zwar beliebt, aber nicht so unbedingt im kulturellem Gedächtnis - in Deutschland werden sich auch nur wenige an die Serie erinnert haben. Invader Zim - der vielleicht schon eher. Warum Netflix sich nicht der AAAAAAAAHHHHHHH - MONSTER oder der Rugrats angenommen hat, die ja doch eher die Massen erreichten?
Und jetzt also eine Prequel-Serie zu einem der schönsten Jim-Henson-Filme überhaupt: Dem Dunklen Kristall. Einem Film, der wegen seiner Machart meist als Kinderkram abgetan wird - denn seit Jim Henson die Muppet-Show gemacht hat, haftet der Firma dieses Etikett der Kinderbespaßung an. Kram, mit dem man sich als Erwachsener nicht rumschlagen muss. Dabei beschreibt der Dunkle Kristall eine verlorene Welt, die sich nach und nach erschöpft hat, beschreibt er das Eindringen von Kreaturen, die nur Übles möchten und letzten Endes ist er dann doch vielleicht auch eine Parabel auf Einheit und Zwietracht. Das Ende kann man jedenfalls auch in dieser Hinsicht so deuten.
Klar, die Geschichte des Films ist die Übliche: Held wider Willen muss die Welt retten. Kennen wir. Jeder Fantasy-Standard-Film macht das, wenn es nicht gleich sogar um ein Universum geht. Was wir aber so nicht gesehen hatten bis dahin: Der ganze Film ist mit Puppen animiert. Es dauert durchaus seine Zeit, bis die Zuschauer*innen sich eingesehen haben. Die Grenze zur Überwindung der Ungläubigkeit ist bei solchen Filmen doppelt so hoch wie sonst. Aber wenn man sich etwas Zeit nimmt und nicht gleich abschaltet, dann enspannt sich der Charme des Ganzen.
Es ist eine perfekt ausgearbeitete, fremde Welt, die wir da betreten. Es gibt zwar Kreaturen, die entfernt an irdische erinnern - kleine Fellknäuel, die kläffen etwa oder die bedrohlichen automatischen Soldaten der Skexe - aber ansonsten hat Jim Henson seiner Phantasie freien Lauf gelassen. Dann sind die Charaktere gut ausgearbeitet, man fiebert schnell mit den Protagonisten mit. Die Geschichte selbst ist spannend und abwechslungsreich. Und: Die Skexe sind gute Antagonisten. Ich würde übrigens empfehlen, den Film gerade wegen der Skexe nicht kleineren Kindern zu zeigen - diese aasgeierhaften Ausgeburten der Hölle könnten Alpträume verursachen. Der Nachteil des Films: Er ist unendlich langsam erzählt. So, wie das damals halt üblich war.
Es ist jetzt die Frage, ob ein Nachteil ist, wenn man den Film nicht kennt und erst die Serie anschaut. Ja und nein. Die Serie rückt neue Charaktere in den Fokus und die haben bis zum Ende der Serie auch wenig Bezugspunkte zum Film. Zwar deutet sich zwar das Ein oder Andere an - bei Erfolg kann ja noch eine weitere Staffel folgen - aber mehr auch nicht. Dann aber gibt es wiederum Punkte, bei denen den Filmkennern ein erfreutes AHA oder OH oder AH aus dem Mund entfleuchen, weil sie einige Dinge erklären, die später in den Filmen vorkommen. Insofern: Nein, man muss den Film nicht kennen. Man hat aber doch mehr Spaß, wenn man ihn kennt.
Die entscheidende Frage: Ist diese Prequel-Serie gut?
Brian Henson, der Sohn von Jim, hat tatsächlich eine sehenswerte Serie erschaffen, die Kids und Erwachsene gleichermaßen begeistern wird. Zum Einen: Diese Detailverliebtheit. Es gibt kaum eine Szene, in der während die Helden im Vordergrund wichtige Dinge verhandeln, im Hintergrund nicht irgendwas passiert. Kleine Wesen huschen vorbei. Pflanzen strecken ihre Blätter aus dem Boden - die Szene, als der Sanctuary-Tree seine Wurzeln ausstreckt, um das kleine Wesen wieder zu animieren ist sowas von eindrucksvoll. Dazu kommen die Landschaftsaufnahmen. Groß und weit. Wüste, Wald und Eis. Das verleiht dem Planeten Thra mehr Tiefe, erzeugt eine unglaublich dichte, lebendige, atmosphärische Welt, die einen fesselt.
Die Serie schafft dann aber noch etwas Anderes: Sie konfusiert uns Zuschauer nicht. Es gibt mehrere Helden in den ersten Folgen, es gibt den Strang um Mutter Ogra, wir haben auch immer wieder Einblicke in das, was die Skexes planen und tun - da könnte man den Überblick verlieren. Aber durch eine straffe Erzählweise weiß man immer, wo man ist. Und wenn die Charaktere an sich dazu noch glaubwürdig sind, wenn sie Facetten haben - dann fiebert man rasch mit ihnen mit.
Wobei: Die Geschichte selbst. Das könnte ein Problem sein, weil die Gelflinge im Film selbst ja fast ausgestorben sind - ups, Spoiler, sorry - also habe auch ich vermutet, dass wir am Ende der Staffel sehen wie es zum Aussterben der Gelflinge kommt. Dass die Skexe nicht besiegt werden können - klar. Deswegen hat man sich für die eine Nebenhandlung ausgedacht, die zeigt was für hassenswerte Scheusale die eigentlich sind - wobei man dann doch mit dem Antihelden mitfiebert. Auch die üblichen Weltrettungs-Erzählmuster können hier nicht greifen und es ist dann natürlich um so lobenswerter, wenn man eine Handlung hat, die in sich spannend genug ist, die dann gegebenenfalls lose an die Ereignisse des Films anknüpft. Was den Machern wirklich, wirklich, wirklich gut gelungen ist. Am Ende sind nicht alle Fragen geklärt, aber falls es keine zweite Staffel geben wird, ist die Haupthandlung der Serie in sich abgeschlossen. Ich hoffe auf eine zweite Staffel. Sehr.
Sahnehäubchen obendrauf: Im Original hat sich Brian Henson die Creme de la Creme - hah - der Schauspieler geholt. Als Erzählerin: Sigourney Weaver. All-Maudra: Helena Bonham Carter. Mark Hamill spricht den Scientist. Simon Pegg schmiedet Intrigen als Chamberlain. Und auch die Nebenrollen sind perfekt besetzt. Bisher habe ich mir die deutsche Synchronisation geschenkt, weil - SIMON PEGG UND MARK HAMILL … Allerdings, wenn ich mir den Eintrag in der Synchronsprecher-Datei anschaue: Wenn Joachim Kerzel dabei ist, sollte die Synchro auch recht ordentlich sein. <<Wir haben hier Kommentare, nutzt sie.>>
Alles in allem beschert uns Netflix ein großartiges Highlight, das den Charme des Analogen besitzt, uns daran erinnert, dass es nicht nur Computermodelle gibt sondern auch, dass Puppen durchaus etwas für Erwachsene sein können. Aber das wissen wir doch seit Meet The Feebles, oder?