BoJack Horseman: Von der Wichtigkeit, gesehen zu werden
BoJack Horseman
Von der Wichtigkeit, gesehen zu werden
Und irgendwie wächst einem dieses Pferd dann doch ans Herz und irgendwie hofft man immer, dass er letztendlich irgendwie doch aus seinen Fehlern lernt und endlich, endlich das findet, was man Glück nennen kann. Stattdessen tut Bojack das, was man als Mensch auch immer wieder tut. Man bemüht sich, man erreicht etwas und wird von der Vergangenheit eingeholt oder macht einen Fehler und landet wieder mit dem Gesicht auf dem Asphalt.
Das trifft nicht nur auf BoJack zu, sondern auch auf Princess Caroline, die dem <Wenn ich erst das habe, dann>-Versprechen verraut. Wenn sie doch einen richtigen Freund hätte, dann wäre alles gut. Als sie dann einen Freund hat, torpediert sie diese Beziehung wieder. Es war halt nicht das, was sie dachte, das sie bräuchte. Ebenfalls ist das Kind, das sie adoptiert, nicht in der Lage ihre Leere zu füllen. Das Einzige, was sie gut kann, ist ihre Arbeit im Showgeschäft. Und das so gut, dass sie selbst eine Nachfeier ihrer Hochzeit inszeniert, nur um Kontakte zu bekommen oder sich in Erinnerung zu rufen. Abgesehen davon, dass der Bräutigam gar nicht anwesend ist, weil er geschäftliche Dinge zu erledigen hat. Es mag sein, dass Princess Caroline am Ende der letzten Staffel dann doch glücklich ist. Allerdings könnte man das Ende einer jeden Staffel als Schlusspunkt nehmen, um dann doch in der nächsten wieder von vorne zu beginnen. Same same halt.
Was damit zu tun hat, dass Bojack zwar eine Geschichte erzählt, aber im Grunde sich der Geschichte an sich verweigert. Während wir selbst immer wieder daran glauben, dass unsere Biographie eine Geschichte erzählt, die unweigerlich auf einen Höhepunkt zuschreitet, mit kleineren und größeren Stolpersteinen zwar, aber im Endeffekt haben wir uns doch zusammengerissen und Hindernisse überwunden, um am Ende des Lebens ein großes Ende zu bekommen. Das Paradoxe bei BoJack Horeseman ist gerade, dass wir durchaus verstehen, warum BoJack so ist wie er ist und wir definitiv eine Geschichte präsentiert bekommen. Aber wir bekommen eben nicht das vollkommene und wunderbare Ende, das wir alle irgendwie erwarten, weil BoJack sich gerade in der letzten Staffel anstrengt, um aus seinem alten Leben zu entkommen. Stattdessen endet die Staffel mit einem Augenblick. Einem Gespräch von BoJack und Diane, die verheiratet ist, ihre Depressionen hinter sich gelassen hat und erfolgreiche Buchautorin ist. Was aber auch nur klappte, weil sie BoJack hinter sich gelassen hat.
BoJacks Geschichte ist also keine der üblichen Feel-Good-Movies, in denen wir eine*n Protagonisten*in zu Beginn am Boden sehen, dann erleben, wie er oder sie sich mit enormen Kräften hocharbeitet und am Ende glücklich ist. Wir erleben wie BoJack mit auftretenden Problemen zu kämpfen hat, falsche Entscheidungen trifft, gute Entscheidungen trifft, manchmal auch nicht Recht weiß, was denn jetzt gut oder schlecht sein soll. Ganz wie wir lebt die Serie oft im Jetzt. Im Moment. Es gibt zwar einen übergreifenden Handlungsbogen, aber es gibt keine aufsteigenden Treppenstufen dahin, erwartbare Wendungen gibt es hier nicht.
BoJack ist ein Meister darin, sich selbst in die Scheiße zu reiten, weil er nicht weiß, wann etwas zu Ende sein sollte. Im Bemühen um Anerkennung, im Bemühen um das Gesehen-Werden überschreitet er immer wieder die Grenzen. Anstatt innezuhalten schlittert er in das Chaos hinein und hat dabei durchaus gute Absichten. Gerade das macht ihn ja zugänglich: Wenn BoJack wie in der ersten Staffel ein selbstverliebtes Arschloch geblieben wäre, wäre die Serie rasch zu Ende gewesen. Wir können aber BoJacks Verhalten nachvollziehen, weil wir genau wie er manchmal zu blöd fürs eigene Glück sind.
Abgesehen davon: Wir alle möchten gesehen werden. Wir alle wollen akzeptiert werden, wir alle wollen geliebt werden. BoJack mit seinem kaputten Elternhaus mehr als alle anderen. BoJack will unbedingt gesehen werden. Um jeden Preis. Was in Staffel Eins das unterschwellige Thema ist, da BoJack hier nach seiner Zeit als Sitcom-Star definitiv seine Autobiographie schreiben lassen will, um wieder gesehen zu werden. Ein Thema, das immer wieder auftaucht und in der Beerdigungsfolge definitiv als ins Scheinwerferlicht tritt. Dass in dieser Folge, in der BoJack einen langen Beerdigungsmonolog über seine Mutter hält, am Ende eine bittere Pointe wartet - ein Anzeichen dafür, dass BoJack selbst das nicht richtig auf die Reihe bekommt.
Das Fatale dabei: BoJack arbeitet in einer Branche, in der das Gesehen-Werden essentiell wichtig ist. Sein Verhalten erinnert dabei permanent an das verzweifelte Bestreben von Stars, deren Ruhm längst vorbei ist, die das aber nicht wahrhaben wollen. Meistens landen diese dann im Dschungelcamp oder füllen die Spalten der Klatschpresse mit zweifelhaften Entscheidungen. Das Eine verstärkt also das Andere. Solange man in Hollywoob - ja, Hollywoob, danke Mr. Peanutbutter - Akzeptanz als Währung hat, solange wird BoJack sich nicht davon lösen durch fragwürdige Entscheidungen relevant zu sein und bleiben zu können. Der nächste schlechte Film wartet schon …
Dass die Serie darüberhinaus auch Dinge wie Instagram und Influencer aufs Korn nimmt, darauf, dass unabhängige kleinere Start-Ups von großen Firmen gekauft werden und dann sich deren Entscheidungen beugen müssen, dass die Serie auch zeigt, wie das Schema von Ausbeutung in der Branche funktioniert … all das macht BoJack Horseman zu einer Serie für die heutige Zeit. Was nach dem Ende der Staffel bleiben wird, das bleibt abzusehen. Vielleicht sind einige Dinge zu zeitgebunden, um in ein paar Jahren noch zu funktionieren. Wenn man aber sich anschaut, welche besonders guten Einzelepisoden die Serie zustande brachte, wie sie mit mentalen Krankheiten umgeht - Depression ist selten so exzellent bebildert worden wie in der letzten Staffel - dann wird BoJack Horseman sicherlich als eine der Serien in Erinnerung bleiben, die wichtige Dinge zu sagen hat. Auch noch, wenn Instagram nicht mehr da sein sollte.