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Lesen gegen Spielen - Was ist nützlicher?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneLesen gegen Spielen
Was ist nützlicher?

Auf das letzte Argument meinerseits ist er gar nicht mehr eingegangen. Was schade ist, denn eigentlich war die Diskussion erst jetzt so richtig interessant. Auf der einen Seite ein Boomer hoch zu Ross, der mildtätig Ratschläge mitteilt, wie Millnials denn nun leben sollten - seiner Meinung nach. Auf der anderen Seite dann ich mit der Meinung, dass die Millenials schon alleine klarkommen. Außerdem ist es eh so, dass jede junge Generation ihre eigene Kultur ausprägt und damit die Erwachsenen in den Wahnsinn treibt.

Das gehört dazu. Jedenfalls entzündete sich die Diskussion dann wirklich und ernsthaft daran ob es nützlich ist Bücher zu lesen oder Computerspiele zu spielen.

Wobei immer Call of Duty als Beispiel genannt wurde, aber sobald ich mal auf Celeste oder Meat Boy oder andere Spiele hinwies, kam da keine Reaktionen. Was nicht seltsam ist, wenn man Computerspiele generell verdammt, warum sollte man da noch zwischen den Genres unterscheiden? Ist ja eh alles Mist. Was aber noch etwas tiefer ging war die Andeutung, dass das Lesen von Büchern generell total nützlich ist - dass man hier also Zeit für etwas Gutes investiert - und dass Computerspiele halt nur dazu da sind, um Zeit zu vertrödeln. Interessante Auffassung. Kann man sofort zerlegen.

Denn generell ist es so, dass wir ja nicht ständig Sachbücher lesen. Die Wenigsten von uns lesen auch ständig irgendwelche Studien. Doktorarbeiten. Lehrbücher. Stattdessen zerstreuen auch wir die Zeit mit einem guten Roman, einer spannenden Geschichte. Wer zum Einschlafen das große medizinische Fachlexikon auf dem Nachttisch hat, der ist entweder kurz vor einer Prüfung oder hat wirklich Einschlafprobleme. Mein Beileid. Für Beides. Wir lesen Bücher, weil wir unterhalten werden wollen. Nicht, weil wir unbedingt was lernen möchten. Dass wir bisweilen unbeabsichtigt Dinge lernen, das kommt ja durchaus auch vor. Schön, im wahren Leben bringen mir sämtliche Zaubersprüche aus Harry Potter nun nichts, aber falls ich mal in eine Parallel-Dimension verschlagen werden sollte, wäre ich sicherlich im Krieg um Hogwarts total nützlich.

Andererseits: Das Nebenbei-Lernen trifft auch auf Computerspiele zu. Nein, ich meine nicht die Serious-Games, die man für die Ausbildung von Berufen einsetzt etwa, das ist ganz klar, dass da die Lernabsicht im Vordergrund steht. Bis zu diesen Beispielen sind wir übrigens in der Diskussion gar nicht mehr gekommen, schade. Aber nehmen wir mal irgendein Spiel aus der <<Assassins Creed>>-Reihe. Gut, im wahren Leben werde ich auch nie irgendwelche Wände hochkraxeln oder in Heuwagen fallen - ich wäre sofort tot - aber natürlich macht die geschichtliche Kulisse erstens einen großen Reiz der Spiele aus. Zweitens kommt man in Kontakt mit etlichen historischen Figuren. Man lernst also immerhin, wann wer gelebt hat und dass Leonardo da Vinci ein verdammt genialer Mensch gewesen ist. Und falls sich jemand intensiver mit Ägypten auseinandersetzen wollte - dazu gab es ein Extra-Addon, bei der man mit historischen Fakten in der Spielumgebung etwas über die Zeit erfahren konnte. Schade, dass das nicht dauern bei den Spielen nachgeliefert wird. Ich glaube bei <<Odyssey>> oder dem kommenden <<Vikings>> ist sowas nicht geplant. Aber selbst wenn nicht: Wie die Leute sich gekleidet haben, wie das Stadtleben aussah - das wird ja in jedem Spiel der Reihe schon mit etlicher Sorgfalt inszeniert.

Ein guter historischer Roman liefert ja auch genau das: Er entwirft ein lebendiges Bild von der Zeit, in der er spielt. Er zeigt auf, wie Leute damals gedacht und gelebt haben. Welche Sitten und Gebräuche es gab. Wer einmal <<Von Zeit zu Zeit>> gelesen hat, der kann sich das New York der Jahrhundertwende genau vorstellen. Er fährt mit der Hochbahn, er wirft einen Blick in den Central Park - und wird erstaunt feststellen, dass es da durchaus Nutzgärten gegeben hat - und ist nebenbei einem geschichtlichem Rätsel auf der Spur. Beide Medien können also genau dieselbe Wirkung erzielen. Ob ich mich nun für einen Roman entscheide oder für ein Computerspiel ist davon abhängig, in welchem Umfeld ich aufgewachsen bin, wieviel Zeit ich momentan habe und was für mich entspannender ist. Von außen betrachtet kann ich eigentlich gar nicht darüber urteilen, was nützlicher ist oder nicht. Das ist etwas, was der Nutzer entscheidet. Für sich. Allein.

Doch der Vorwurf, dass <<Call of Duty>> unnütze Zeitverschwendung sei, der stand halt in der Debatte zwischen uns und ich glaube, dass mein Gegenüber noch nie eine Partie gespielt hat. Oder sich mal Let’s-Plays auf YouTube angeschaut hat. <<Call of Duty>> in welch Version jetzt auch immer ist natürlich ein Shooter. Man schlüpft in die Rolle eines Soldaten und tut, was Soldaten in Gefechtssituationen tun: Man ballert sich den Weg frei. Das muss man nicht unbedingt mögen, man muss es ja auch nicht unbedingt spielen. Aber falls man Chirurg werden möchte, kann man hier schon mal die Auge-Hand-Koordination üben. Desweiteren erwirbt man die Fähigkeit, sich rasch in ein Menü einzuarbeiten. Es ist ja nicht so, dass jedes Computerprogramm im späteren Leben sofort auf Anhieb verständlich ist. Wenn ich lerne, gleichzeitig auf meine Lebensleiste zu achten, dabei dann die Waffen zu wechseln und überhaupt mal die Situation im Blick zu haben - man soll doch im Arbeitsleben belastbar sein, oder? Abgesehen davon, dass man lernt eine Strategie zu entwickeln und durchzuziehen und im Multiplayer mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Das muss man später im Arbeitsleben auch. Und von daher ist das gar nicht so unnütz, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Auf die Frage, was ich persönlich für nützliche halten würde - Bücher lesen oder sämtliche Vollversionen durchspielen - habe ich ehrlich geantwortet. Ich finde beides gleich nützlich. Ein <<Wow, wirklich>> kam dann als Antwort. Nun, wenn man natürlich das Buch als hehres Kulturgut verehrt und Goethe und Schiller mit Goldschnitt präsentabel im Wohnzimmerschrank stehen hat, dann könnte die Tatsache, dass alles nicht so einfach in Schwarz oder Weiß einzuordnen ist schon verwirren. Dabei könnte man einfach Schiller und seine Theorien über den spielenden Menschen zu Rate ziehen, dann wäre man vielleicht etwas weiser: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“  Was jetzt nicht heißt, dass Romane nicht auch total toll sind …

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