Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

»Das letzte Wort«: Vom Tod und vom Leben

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Das letzte Wort«
Vom Tod und vom Leben

Nachdem die ganze Bagage erfolgreich aus dem Haus gejagt wurde, haben Karla und Stephan Fazius eigentlich Zeit ihre Silberhochzeit so richtig zu genießen. Gerade aber dann als sich Karla schon im Bett räkelt, stirbt Stephan an einem Herzinfarkt. Es trifft die Familie unterschiedlich: Während Sohn Tonio mit seinen 15 Jahren komplett aus der Bahn geworfen wird, findet Tochter Judith ihre Bestimmung darin die Familie zu managen.

Währenddessen gibt sich Karla forsch und plant mit dem Bestatter Andi Borowski die Beerdigung. Dessen Unternehmen steht allerdings kurz vor der Pleite und seine Ehefrau drängt zum Verkauf. Die Ausgangslage bietet also schon genügend Stoff für Comedy oder Drama.

Deutsche Serien über den Tod muss man schon mit der Lupe suchen. »Der Tod ist kein Beinbruch« von den Misfits könnte man nennen. Ansonsten? Beherrschen amerikanische Serien das Feld. »Six Feed Under«, »Upload«, »The Good Place«, »Dead like me« … Wenn man mal all die Pilot-Folgen auslässt, in denen irgendjemand stirbt und dann anschließend die Handlung in Bewegung gesetzt wird außer Acht lässt. »Brothers and Sisters« wäre so ein Fall. Nun ist es so, dass amerikanischen oder britischen Serien unser Bild davon prägen, wie eine Serie sein soll, die mit dem Tod umgeht: Entweder soll sie eine dramatische Serie sein wie »Six Feed Under« oder sie soll eher etwas leichtfüssiger sein wie »Upload«. Irgendwas dazwischen hat es dann dementsprechend schwer.

Genau dieses Dazwischen aber trifft »Das letzte Wort«. Als Dramedy kann man sie nicht so richtig bezeichnen. Wir sind hier nicht bei »Ally McBeal«, bei denen der Humor aus den Situationen hergeleitet wird oder von den skurrilen Charakteren. Abgesehen davon, dass die Serie nicht auf das »Begräbnis der Woche« verzichten möchte, was für den ein oder anderen Schmunzelmoment sorgt. Sicher gibts auch den einen oder anderen Dialog, bei den man lächelnd nicken kann. Und es gibt sicherlich mit der Oma auch den skurrilen Charakter, wie es ihn offenbar auch immer geben muss. Doch für eine Comedy-Serie sind die Probleme zu schwerwiegend, sind die Probleme der Charaktere zu tiergehend. Während bei »Der Tod ist kein Beinbruch« auf eine derbe, pottselige Art der Comedy Wert gelegt wird, ist das »Letzte Wort« eine melancholische Abhandlung über zwei Familien, die unterschiedlich mit dem Tod zu tun haben.

Zudem - auch das muss wohl so sein - Stephan Fazius ein Geheimnis hatte, dass Karla nach seinem Tod entdeckt. Es ist keines, was wirklich Dinge auf den Kopf stellt, aber Karla dachte immer ihren Mann zu kennen. Ein Dauerläufer ist ja dann auch das selbstkomponierte Lied, dass Karla während der Silberhochzeit singt, aber während der gesamten Serie nie zu Ende bringen wird. Überhaupt kennen sich die Familienmitglieder kaum. Stephan als erfolgreiche Zahnarzt hat seine Frau sicherlich geliebt, aber Karla hat sich nie wesentlich um die Dinge gekümmert, die jenseits ihrer jeweiligen Hobbys lagen. Tonio muss damit klarkommen, dass Judith auf einmal wieder da ist. Zudem ist das Leben in der Pubertät extrem kompliziert, auch ohne dass der Vater verstarb. Zudem: Wer verliebt sich denn auch ausgerechnet in seine Therapeutin? Und Judith, die Werbephotographin, pendelt zwischen zwei Männern hin und her - unschlüssig, ob sie überhaupt in Deutschland bleibt oder ob sie nicht doch wieder in die Staaten gehen soll. Daneben kämpft auch die Familie Borowski mit Nähe und Ferne. Andis Frau hat sich komplet von ihm entfernt. So sehr Andi auch versucht die Risse in der Ehe zu kitten, es wird ihm nicht gelingen. Ronnie, sein Stiefsohn, arbeitet im Familienunternehmen mit. Und verliebt sich in Judith. 

»Das letzte Wort« zeichnet subtil und nachdenklich die Wirkung des Todes in der Familie nach. Dabei lebt sie von den intimen Momenten. Wenn Karla, verkörpert von Anke Engelke, im Bad nach dem beherrschten Auftritt zusammenbricht. Wenn Tonio und seine Ex-Freundin durch den Park gehen. Wenn Andi Borowski, dargestellt von Thorsten Merten, versoffen im Morgenrock in seinem Büro sitzt. Der Augenblick, in dem Ronny die Zigarette aus dem Auto wirft, weil Judith ihm ein Abfuhr erteilt hat. Diese kleinen Momente tragen die Serie. Sie sind unaufgeregt, intim und melancholisch. Es geht, so wird bald klar, nicht um den Tod von Stephan an sich. Wie es ja in den meisten Serien nicht direkt um den Tod an sich geht, sondern darum, wie Menschen mit dem Tod umgehen. Wie sie den Alltag nach einem Todesfall bewältigen und wie sie langsam vielleicht wieder ins Leben zurückfinden werden. Ob es Karla gelingt und wie, das ist die Frage.

Kommentare  

#1 Cartwing 2020-10-23 06:21
Hat mir auch gefallen.
Engelke war überraschend gut.
Und den Andi fand ich genial...

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.