Die Digitale Zukunft der EKD: Irgendwie vorhanden
Die Digitale Zukunft der EKD
Irgendwie vorhanden
Denn der Entwurf der elf Leitsätze war in mancher Hinsicht unglücklich formuliert. Auch ein wenig vage. Und ein wenig - ungreifbar. Von einem Zukunftspapier erwartet man nicht nur Visionen, sondern auch ein wenig Handgreifliches. Zudem das Papier ja noch die Landeskirchen passieren muss - denn richtig verbindlich ist das nun eben nicht. Da wäre es natürlich schon gut, wenn man auch Dinge präsentieren könnte, die man als Konzept weiterleiten könnte. Nun ...
Während klar ist, dass man den Gottesdienst in allen seinen Formen auch weiterhin unterstützen möchte, was nicht weiter verwundert, während Digitalisierung eine effektive Verwaltung unterstützen kann und die Kirche sich auch gegen Hassrede und für die Aufklärung dessen einsetzt, was mit KI und Bots hinter der glänzenden Benutzeroberfläche lauert – während hier alles klar und einigermaßen deutlich ist, bleibt gerade im ersten Abschnitt etliches im Vagen.
Dass die Präambel das zusammenfasst, was man ungefähr als Ziel anvisiert ist legitim. Ich erwarte von einer Präambel auch nichts Konkretes – sie ist die Einleitung zum Themenfeld. Sie stimmt auf das ein, was da kommt. In diesem Falle also möchte die EKD digitale Kirche werden, die Werkzeuge nutzen, von ihrem Glauben mit digitalen Mitteln erzählen. Anschließend aber müsste diese Vision nicht nur erläutert werden – was sie wird – sie müsste bei einem Zukunftspapier auch in handfesten Schritten vorgeben, wohin genau die Reise geht. Während die Präambel ungefähr festlegt, von welchem Ort zu welchem Ort man wandern möchte, sollte ein Zukunftspapier genauer beschreiben, wie man hinkommt, welche Hindernisse noch vorhanden sind, welcher Route man folgen möchte.
Wenn etwa die EKD näher bei den Menschen sein möchte im digitalen Alltag, dann müsste genauer festgelegt werden, wie das Ziel erreicht werden soll. Die Ausrede, dass man strategische Ziele im Digitalen nicht für Jahre festmachen kann, lasse ich nicht gelten. Ebenso war das Argument, man wolle den Täter*innen mehr Freiraum geben - was bei dem Interview von Terbuyken mit dem EULE-Magazin durchschimmert - nicht sonderlich wirksam. Sicherlich wird die Technologie sich weiterentwickeln, die generellen Leitlinien aber können durchaus auch schon für Jahre entworfen werden. So etwas kann die EKD durchaus feststellen: Wir haben ein Netzwerk für Influencer gegründet, dieses möchten wir in Zukunft verstärken und weiter ausbauen. Das soll zum einen mit mehr finanzieller Förderung passieren, andererseits möchten wir auch mehr in Kontakt mit Interessierten treten. Fernerhin haben wir den Gaming-Bereich vernachlässigt, der im Alltag der Menschen eine enorme Rolle spielt. Hier möchten wir in Zukunft mehr Experten ausbilden, um auch in diesen virtuellen Welten ansprechbar zu sein.
Die evangelische Kirche wird in Zukunft dem digitalen Raum hohe Aufmerksamkeit widmen. Bei aller Offenheit für digitale Formate verlieren wir Risiken und offene Fragen im Umgang mit der Digitalisierung nicht aus dem Blick.
Stattdessen bleibt – wie das Zitat oben zeigt – das Papier so vage, dass man an diesem Punkt fast schon von einer Substanzlosigkeit reden kann. Während Begriffe wie KI und Bots später darüber hinwegtäuschen sollen – denn mehr als nur reine Schlagwörter sind sie nicht – sind diese zwei Sätze mit denen der erste Absatz nach der Präambel endet nichts weiter als Absichtsbekundungen, die so auch in der Präambel stehen könnten. Denn: Wie genau verliert die EKD in Zukunft nicht den Blick für die Risiken der Digitalisierung? Wie genau wird man mit offenen Fragen umgehen? Möchte die EKD eine Arbeitsgruppe zum Thema Hass im Digitalen gründen? Möchte sie bestehende Strukturen stärken? Soll eine neue Arbeitsgruppe gegründet werden? Bekommt die Digitalisierung in der Ausbildung des Personals mehr Gewicht? Sind hier medienpädagogische Konzepte gemeint? Und so weiter, und so weiter …
Wohlgemerkt: Dies ist ein Zukunftspapier. Dieser Digitalisierungs-Abschnitt ist das Ergebnis von Experten, die sich zum Thema Zukunft zusammengesetzt haben und die sich bewußt sein müssten, dass sie hier eine Blaupause für die Gemeindearbeit vorlegen. Nicht so viel Papier verschwenden, sondern eher in Gang kommen ist die Devise, die hier vorliegt. Allerdings: Wenn der Presbyter an der Basis diesen Abschnitt der Gemeinde so vorlegt, wird diese auch nicht genauer wissen, was jetzt zu tun ist. Außer, dass hybride Gottesdienste gerne gesehen werden, dass irgendwas mit der Verwaltung passieren soll – und dass sich Kirche gegen die Unsitten des Netzes engagiert. Man sollte selbstverständlich davon ausgehen, dass Mitarbeiter auch geschult werden, aber schön, wenn es nochmal drinsteht schadet es nicht.
Wenn ich keine Vorstellung davon habe, was machbar ist und was nicht – und gerade das sollte ein Papier wie dieses doch festlegen – dann werde ich mich nicht unnötig auf die eigene Suche nach neuen Möglichkeiten begeben, sondern alles so laufen lassen wie es bisher war. Die Vorstellung, dass man einfach nur das Wort Machen in den Raum stellt und dass dann auch wirklich gemacht wird ist naiv. Dazu braucht es schon Ratschläge, Hilfestellungen, Vorstellungen davon, was konkret getan werden sollte. Diese Dinge sind in diesem Abschnitt nicht zu finden. Nicht, dass es nicht Angebote geben würde, aber müssten diese nicht auch als eine Art Resümee zu finden sein?
Ein Beispiel davon, wie das auch anders geht liefern die NRW-Grünen mit ihrem Papier zur Digitalisierung von der Landesdelegiertenkonferenz. Nicht nur, dass auf der Webseite selber eine Kurzfassung der Themen zu finden ist – etwas, was ich mir für das EKD-Papier auch wünschen würde. Es sind auch ähnliche Themen zu finden. Etwa das Thema Datenschutz und KI. Der letzte Absatz von Punkt Sechs im EKD-Papier lautet:
Als Kirche setzen wir uns für einen verantwortlichen Umgang mit den Möglichkeiten der Digitalisierung ein. Dazu gehören die Abwehr von fake news und Hassbotschaften, der Schutz gegen Missbrauch und Manipulation, der Datenschutz und die Sensibilität für die negativen Seiten der Digitalisierung. Dies betrifft nicht nur Fragen digitaler Medien und Kommunikation, sondern alle Bereiche des digitalen Wandels, der unsere Gesellschaft tiefgreifend verändert. Künstliche Intelligenz, algorithmische Entscheidungsprozesse, Social bots oder digitale Kriegführung sind nur einige wenige Beispiele für diesen Wandel. Auf der Basis christlicher Grundhaltungen tragen wir in Kirche und Gesellschaft zur Klärung ethischer Fragen bei, die in einer digitalen Welt neu entstehen.
Schauen wir mal kurz in den Abschnitt bei den Grünen zu dem Thema:
Datenschutz und Datensicherheit genauso wie Datennutzung fördern
Im digitalen Zeitalter stehen auch kleine und mittlere Unternehmen vor der Herausforderung, die Daten ihrer Kund*innen und ihre Geschäftsdaten sicher zu verwalten und zu verarbeiten. Die bestehenden Förderprogramme für IT-Sicherheitsberatung sind unterfinanziert. Für die Beratung von Unternehmen in NRW, mit Schwerpunkt auf KMU, wollen wir die Programme erweitern und zusätzliche Haushaltsmittel bereitstellen. Insbesondere soll dieser Basis-Check dazu dienen – ähnlich wie heute Hausbesitzer*innen in Energiefragen beraten werden – eine Analyse der Sicherheitslage im Unternehmen vorzunehmen und darauf basierend Handlungsoptionen für die KMU zu entwickeln.
Die Frage wer welche Daten zu welchen Bedingungen nutzen kann, ist die Gretchenfrage der digitalen Gesellschaft und die wichtigste Gestaltungsfrage für die Politik. Und wir GRÜNE sind überzeugt, dass der Zielkonflikt zwischen einerseits Datenschutz und Datensicherheit und andererseits Datenqualität und Datenquantität nicht so ausgehen darf, dass Forschung, Wirtschaft und Verwaltung in ihrem Bedarf an Daten für Innovationen und Wertschöpfung das Nachsehen haben. Die Regeln im Umgang mit Daten müssen für alle gelten. Wir Grüne werden neue Modelle des Datensharing und einen expliziten Aushandlungsprozess zur Datennutzung zwischen Bürger*innen, Staat und Unternehmen vorantreiben. Unternehmen, Wissenschaft und Verwaltung brauchen Daten für innovative Geschäftsmodelle, neue Forschungsansätze und intelligente Verwaltung. Verbraucher müssen indes mitbestimmenkönnen, wer welche Daten, in welcher Granularität zu welchen Zwecken erhält.
Daher ist es essenziell, einerseits in einer entschlossenen Open-Data-Initiative und unter Maxime offener Systeme und Standards (Open Source) und offenem Zugangs (Open Access) die Datensilos der öffentlichen Hand verfügbar und breit nutzbar zu machen. Zudem wollen wir Strukturen der öffentlichen Hand schaffen, die sowohl horizontal übergreifend als auch vertikal in den verschiedenen Sektoren Datenkooperationen zwischen Forschung, Unternehmen und Verwaltung ermöglichen. Dabei muss die öffentliche Hand eine Notarfunktion übernehmen und dafür sorgen, dass personenbezogene Daten DSGVO-konform behandelt werden und sensible Geschäfts- und Forschungsdaten genauso wie personenbeziehbare Daten durch Maßnahmen, wie sie etwa im Decodeprojekt (www.decodeproject.eu) erprobt werden, genauso sicher wie zur breiten Nutzung verfügbar sind. So kann Vertrauen in Datennutzung und darauf basierenden Innovationen erreicht werden und ein Ökosystem aus gesellschaftlich statt privatwirtschaftlich kontrollierten Daten entstehen. Die öffentliche Hand wird dabei zum verantwortlichen und legitimierten Akteur, Wissenschaft und Wirtschaft sind Partner. Die individuelle digitale Souveränität, demokratisch-rechtsstaatliche Prozesse/Standards und Gemeinwohl/Gemeinschaft sind das leitende Ziel, Technik ist „nur“ das Werkzeug. Aber das enorme Potenzial der neuen Werkzeuge ist allen bewusst und genau deshalb sollten sie nicht ungenutzt bleiben, sondern gemeinsam als Treiber für Fortschritt genutzt werden.
Ich kann zusammenfassen, was als Maßnahmen bei den Grünen geplant ist: Die bestehenden Förder-Maßnahmen sollen besser finanziert werden. Es sollen Programme für die Beratung von Unternehmen erstellt werden. Ein Basis-Check zur Datensicherheit und -schutz also. Datenschutz ist wichtig, aber auch die Datenhoheit – zugegeben, im zweiten Absatz steht nichts Konkreteres drin, aber immerhin: Regeln müssen für alle gelten. Und Absatz Drei folgt ja direkt aus dem Absatz Zwei: Open Source und Open Data schreiben sich die Grünen auf die Fahne. Datensilos als Stichwort.
Konkrete Maßnahmen kann ich aus dem EKD-Papier leider nicht ableiten. Selbst die Begriffe Bots, Hate Speech und KI sind ja nur als Beispiele für den digitalen Wandel genannt – aber wie konkret jetzt vorgegangen werden soll? Welche Marschrichtung gesetzt wird? Der Weg ist das Ziel, aber hier ist auch das Ziel im Weg.
Es ist schade, dass das Papier vage und damit auch unverbindlich bleibt was die Digitalisierung der Kirche betrifft. Es sind Absichtserklärungen, die nicht unterfüttert werden. Die damit auch ungehört verhallen dürften, weil alles Ungefähre und Vage nicht zu einer Auseinandersetzung einlädt oder zum direkten Handeln. Und etwas, was dann wenn es um die Umsetzung bei den und durch die Landeskirchen geht von denen ignoriert werden kann. Steht ja nichts Konkretes drin …