»Clan«: Wie man Jean-Claude umbringt
»Clan«
Wie man Jean-Claude umbringt
ARTE sendet doch nicht etwa gräßlichen Horror mit Blut und abgehackten Gliedmaßen? Nein. Was ARTE präsentiert ist eine bitterböse Famiien-Abgrund-Serie, in der jeder und jede irgendwie ein Geheimnis zu verbergen hat. Allerdings wirklich nichts für Kinder ...
Zu Beginn steht fest: Jean-Claude Goethals ist tot. Damit wäre eigentlich die Lebensversicherung für ihn fällig, aber da besteht schon mal ein Problem: Die Versicherungsgesellschaft steht am Abgrund und kann den Laden dichtmachen, würde sie die Police auszahlen müssen. Bei einem Unfall wäre das unverzüglich der Fall, aber was, wenn jemand Jean-Claude ermordet Hätte? Matthias von der Versicherung, der rein zufällig auf der Beerdigung Rebekka kennenlernt, und sein Bruder begeben sich auf Faktenjagd. Währenddessen erfahren wir in Rückblenden, wer Jean-Claude wirklich war und wir erfahren auch: Es gab tatsächlich etliche Mordversuche. Wir als Zuschauende stellen fest: Jean-Claude ist ein Arschloch, ein Egozentriker, der für seine Vorteile nicht davor zurückschreckt, Intime Details auszuplaudern. Er behandelt seine Frau Veerle wie den letzten Dreck, bevormundet sie … Kurz: Wenn jemand den Tod verdient hätte, dann wohl er.Und es ist nicht so, dass die Goedehals-Schwestern es nicht versucht hätte, um ihre Schwester von ihm zu befreien. Wobei allerdings jede auch noch ein anderes Motiv hat, um Jean-Claude ein für allemal loszuwerden. Bleibt die Frage: War sein Tod ein Unfall? Oder das Resultat eines geschickten Komplotts?
Die Geschichte spielt sich auf zwei Zeitebenen ab, die klar voneinander getrennt sind: Eine Einblendung verkündet uns Zuschauenden, wo wir gerade sind. Dabei läuft eine Art von Countdown bis zu Jean-Claudes Tod ab. Da wir genau wissen, wann er stirbt, ist es klar, dass die zahlreichen Mordversuche nicht funktionieren werden. Allerdings machte uns diebisch Spaß beim Scheitern zuzusehen. Das macht die eine Faszination dieser Serie aus. Da Jean-Claude wirklich ein Fiesling ersten Ranges ist, sind wir nach seinem Tod auch nicht allzu sehr betroffen. Dass sich erst nach und nach entspinnt, wie fies und gemein Jean-Claude war - das ist das zweite Faszinosum, weil wir vermutlich im Bekanntenkreis genau so eine Sorte von Mensch haben. Vermutlich nicht so überzeichnet wie hier, aber ja, das kenne wir alle: Dieses Spießertum. Das Großtun: Das dickste Paket für die Frau vor allen anderen auf den Tisch legen. Spoiler: Es ist ein Bügeleisen. Diese Hang, in die besseren Kreise gelangen zu wollen und das Unvermögen sich so zu benehmen, dass man dort akzeptiert wird. Ja, da kenne wir alle sicherlich Jemanden auf den das passen würde.
Aber neben den bitterbösen Dialogen und den hervorragenden Schauspielern - und nicht zu vergessen, dem Twist, den man allerdings ab der vorletzten Folge durchaus erraten kann - ist es die Liebesgeschichte zwischen Matthias und Rebekka, die die Serie trägt. Klassische Julia-Romeo-Situation: Sie lernen sich kennen ohne was voneinander zu wissen. Matthias steht allerdings auf Seiten der Versicherung, die die Police nicht auszahlen will, während Rebecca Angst hat, dass ihr Geheimnis auffliegt. Zwischen Annäherung und Streit schwankt das Verhältnis der Beiden. Rebecca, die es bisher mit keinem Partner lange ausgehalten hat, ist wirklich in ihn verliebt. Dass Beide ahnen, dass da irgendwas faul ist am Tod von Jean-Claude schweißt sie einerseits zusammen, entfernt sie andererseits wieder. Klar, dass sie sich kriegen, aber bis dahin ist es ein langer und durchaus nachvollziehbarer Weg.
Der Mensch ist ein Abgrund. Familien sind es bisweilen auch. Die Frage ist: Ab wann ist man bereit, diesen Abgrund zuzuschütten? Ab wann hat man genügend Wut angesammelt, dass man gemeinsam auf Rache sinnt? Und wie wahrscheinlich ist es, dass diese Mordpläne gelingen? Eher unwahrscheinlich, wenn man dann der Serie glaubt. Selbst, wenn man einen Profikiller einschaltet, kann das schiefgehen. Gehörig. Gelingt es auch, das Geheimnis wirklich geheim zu halten? Auch nicht, denn rasch erfährt nicht nur die Eine sondern am Ende fast alle, was geplant ist.
„Clan“s Humor ist übrigens subtil. Man kann ihn schon verpassen, wenn man nicht genau achtigibt. Schenkelklopfer fehlen, wären hier aber wegen der Atmosphäre auch unangebracht. Sonderlich innovative Kameraarbeit darf man nicht erwarten, die ist solide. Ebenso wie die Regie der Folgen. Dabei wird Musik kaum eingesetzt, was auch besser ist, denn es gibt etliche längere Dialogszenen - die allerdings wieder so inszeniert sind, dass sie nicht langweilig sind. Wobei: Es gibt einige interessant gemachte Rückblenden. Skurril wie der Rest der Serie.
Wer einen Hauch von David Lynch mit einer Prise Braunschlag verträgt, der sollte sich Clan ansehen. Wer zynische Dialoge mag, ebenfalls. Ach so, ja: Der Twist. Der Twist ist wirklich, wirklich gut. Danke ARTE dafür.