»El Reino«: Glaube und Inszenierung
»El Reino«
Glaube und Inszenierung
Die traditionellen Werte der Bibel - womit meistens immer auch eine Verachtung von Homosexuellen oder Binär-Personen einhergeht - sind auch die Lösungen für die Probleme der Politik. Dass Glaube und Politik nicht nur in Südamerika besonders miteinander verwoben sind, nichts Neues. „El Reino - Dein Königreich komme“, jetzt neu auf Netflix, erzählt davon.
Mitten im argentinischen Wahlkampf wird der Präsident ermordet. Eigentlich ein klarer Fall, da der Mörder gefasst wird und auch den Mord gesteht. Während der Pastor Emilio, Vizepräsident, noch mit sich ringt, ob er zurück in seine Kirche des Lichts gehen soll oder ob er als neuer Präsident kandidiert, ist der Staatsanwältin irgendwas nicht geheuer an dem Fall. Zudem der Mörder auf einmal sein Geständnis widerruft und eine Bombe platzen lässt: Nicht der Präsident, sondern der Pastor Emilio sei es gewesen, den er umbringen wollte. Was aber wegen einer Verwechslung nicht passierte. Während die Staatsanwältin und ihr Team herauszufinden versuchen, warum Emilio umgebracht werden sollte hat auch dessen Assistent Julio seine Zweifel. Steckt sein Vater, ein mächtiger Oppositioneller, hinter dem Mord? Dass Julio nicht nur Emilio, sondern auch dem Geheimdienst der USA verpflichtet ist, dass die Kirche mit unlauteren Mitteln gegründet wurde, dass ein Machtkampf in der Kirche entflammt … all das fesselt die Zuschauenden für 8 Folgen zu je um die 45 Minuten an den Bildschirm.
Es gibt drei Handlungsebenen: Einmal natürlich die Staatsanwältin, deren Vorgesetzte darauf drängen, dass der Fall so schnell wie möglich abgeschlossen wird. Es gibt die Handlung um Julio, der sich in die Tochter von Emilio, Ana, verliebt hat und der Vater des kommenden Kindes ist. Julio hat gegenüber Emilio eine Schuld abzutragen, wie er selbst das in der ersten Folge formuliert. Und in Folge Drei erfahren wir als Zuschauende dann auch, was das für eine Schuld ist, die Julio meint begleichen zu müssen. Die dritte Handlungsebene ist der Konflikt zwischen Emilio und „dem Fisch“ um die Frage nach dem wahren Glauben. Dabei schält sich genau diese Frage zum Ende hin als die zentrale heraus. Ein wenig Übersinnliches ist dann auch noch von der Partie.
Denn während der Handlung taucht der Junge mit dem Namen „der Fisch“ auf. Ein Junge, der übersinnliche Fähigkeiten entwickelt hat und von Tabeo, einem weiteren Sohn Emilios, als Gottes Geschenk an die Welt, ja, als neuer Messias angesehen wird. Es gilt ihn vor dem Teufel zu beschützen - und wenn evangelikale Fundamentalisten vom Teufel reden, dann meinen sie das wörtlich. Dabei ist auch klar: Das, was die Kirche vom Licht abzieht, ist eine Inszenierung. Keineswegs ist Emilio ein Heuchler, nein, er glaubt wirklich an das, was er tut - gerade deswegen ist er so gefährlich. Allerdings ist das, was im Gottesdienst passiert von Anfang bis Vorne durchgeplant. Es dient zwar alles zur höheren Ehre Gottes, aber die Absichten der Menschen sind keineswegs lauter.
Dabei erzählt die Serie auch die Läuterung von Julio vom leichtlebigen Sohn eines Industriellen, der wegen Anstiftung zum Selbstmord ins Gefängnis kommt. Wobei Julio keine Schuld an dem hat, was passiert ist. Er selbst kann mit Gott und der Bibel nichts anfangen, aber als er in Kontakt mit der Kirche des Lichts kommt, ist da doch Etwas, was ihn hält. Es sei, so äußert er sich einmal im Gespräch, zwar nicht alles Gold, was da glänzt. Allerdings sei da durchaus Einiges, was ehrlich und wahr ist. Dass Julio am Ende erkennen muss: Emilio ist weitaus schlimmer als er bisher dachte - das ist die Tragik der Beziehung zwischen den Beiden. Vor allem, weil Emilio Julio so sehr schätzt wie kaum einen Anderen in seiner Umgebung.
Die Serie lässt offen, ob „der Fisch“ - der Junge mit den übersinnlichen Fähigkeiten - nun wirklich von Gott gesandt ist oder nicht. Tabeo glaubt das ebenso wie der Mörder des Präsidenten, Remigio. Wo die Serie aber durchaus Stellung bezieht ist bei der Art des Glaubens. Die Macher lassen keinen Zweifel daran, dass sie die evangelischen Megakirchen, die inszenierten Gottesdienste, den heuchlerischen Aspekt verabscheuen. Dabei zeichnen Sie Emilio durchaus als Jemanden, der von ganzem Herzen glaubt. Jemanden, der wirklich mit sich kämpft: Soll er tiefer in die Politik eintauchen oder soll er sich lieber wieder seiner Kirche widmen? Doch seine Art des Glaubens wird von den Machern durchaus kritisiert. Sie sind auf der Seite von Tabeo, dem Hippie, auf der Seite von Remigio, der den Grundsätzen Jesu direkter nachfolgt und sie sind auf der Seite des Fisches. Wobei: Wenn man weiß, dass der Fisch das Symbol der ersten Christen war und als Abkürzung für „Jesus Christus, Sohn Gottes, Messias und Retter“ diente …
Letzten Endes aber - und das ist das Bittere an dieser Serie - sind alle Protagonisten Spielfiguren in der Hand von Orsino, einem Geheimagenten der USA. Er ist Derjenige, der manipuliert, der die Fäden zieht. Man erfährt in einer Folge, wie es zu der Verbindung zwischen Politik und der Kirche des Lichts gekommen ist. Für Osino ist alles Mittel zum Zweck. Politik und Religion gehen eine unheilvolle Heirat ein, an derem Ende - das lässt der Fisch durchblicken - keine guten Zeiten stehen werden.
Ob wir allerdings diese sehen werden ist unklar. Bisher gibt es nur die erste Staffel und die fühlt sich nach der letzten Folge auch sehr beendet an. Interessant wäre es allemal. Aber selbst wenn es nicht der Fall sein sollte: El Reino ist eine Serie, die Fragen aufwirft und die man durchaus als Mystery-Serie betrachten kann, die aber auch einen Einblick in die Funktionsweise der evangelikalen Megakirchen gibt. Wenngleich es auch nur ein fiktiver ist - ein wenig Wahrheit steckt wohl doch drin.