Zeitenwende
Zeitenwende
Kann man in Krisenzeiten weitermachen wie zuvor? Oder muss man es nicht sogar?
Das ist eine Frage, die so einfach nicht zu beantworten ist. Erstmal dies: Nur, weil nicht Jede*r etwas zu aktuellen politischen Situation im Netz sagt heißt es nicht, dass die Sache jemanden nicht bedrückt, verängstigt oder beschäftigt. Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, Dinge im Netz als „wirklich“ zu nehmen. Erinnern müssen wir uns daran, dass wir nur das sehen, was wir sehen sollen - jedenfalls wenn es um die Sozialen Netzwerke geht. Die Identität im Netz spiegelt nicht die Identität im analogen Raum wieder. Es mag jemand im Netz selbstbewusst und selbstsicher auftreten - es muss nicht unbedingt heißen, dass er das im analogen Leben auch ist. Ich vermeide den Begriff „richtiges Leben“, weil das digitale Leben natürlich nicht unbedingt ein falsches sein muss. Sicherlich ist die Frage, was wahr und was gelogen ist in Zeiten von kriegerischen Auseinandersetzungen zu stellen. Aber wenn jemand sich inszeniert, dann ist auch das Teil seines Lebens. Er ist halt nur nicht rund um die Uhr so wie er sich gibt. Aber wer ist das schon …
Weiterhin auch dies: Medienkompetenz ist wegen der digitalen Propaganda wichtiger denn je. Wenn es auch überwiegend eine Aufgabe von Journalist*innen ist, ist es auch im Alltag wichtig zu wissen, ob das Video, dieses Bild wirklich das darstellt was es zeigt. Fakenews haben in diesen Zeiten leichtes Spiel, vor allem auf TikTok kann man schwer nachprüfen von wann ein Video ist. Jetzt zeigt sich mal wieder, wie schwerwiegend die Vernachlässigung dieser Vermittlung in der Schule und im Berufsleben ist. Wer nämlich angesichts der Tatsache, dass man ja eh nichts glauben kann was in Medien berichtet wird das Handtuch wirft, steht mit einem halben Bein schon im Querdenkerlager. Und schon diese hätten eigentlich ein Alarmsignal für die Politik sein müssen was das Sortieren und Analysieren von Medien und dem Umgang mit ihnen anbelangt.
Aber auch jenes: Was wir aus den ersten Tagen der Corona-Pandemie gelernt haben sollten ist, dass wir nicht in Nachrichtentickern, Sondermeldungen und Pressemitteilungen ertrinken sollten. Sicherlich ist die Lage ernst, sich informiert zu halten auch wichtig. Doch ständig sich mit der Lage zu beschäftigen lähmt die notwendigen Ressourcen, die wir für den Alltag brauchen. Denn der geht für uns ebenfalls weiter. Da der Alltag nicht auf die stille Treppe geschickt werden kann, wir alle weiterhin zur Arbeite gehen werden, der Kühlschrank muss ja gefüllt werden, ist das Weiter-So von Influencer*innen auch etwas Gutes. Es vermittelt einen Hauch von Normalität. Sicherlich kann man es sarkastisch formulieren: Solange Diana zur Löwen irgendwelche Dinge bewirbt, solange kann die Lage ja noch nicht so dramatisch sein. Solange nicht Rabattcodes für Panzer angepriesen werden … Wobei: Es würde mich auch nicht wundern.
So stehen wir also im Schatten der Zeitenwende, hoffend, dass der Krieg in der Ukraine bald beendet werden wird. Was werden wird, wissen wir nicht. Anders als in den 80gern ist aber keine generelle Apokalypse über unsere Häuptern. Auch, wenn Russland uns daran erinnert, dass es immer noch Atomwaffen gibt - auch, wenn wir nicht den sauren Regen haben, aber genügend Umweltprobleme - ist keine bleischwere depressive Stimmung zu vernehmen. Das kann sich noch ändern. Ich hoffe nicht so schnell.
Kommentare
Habe ich das richtig verstanden: Alle Journalisten sind deiner Meinung nach das Sprachrohr der Wirtschaftseliten? Wenn ja, wer soll das sein?
Ich für meine Person ziehe mir nur noch die wichtigsten Informationen heran, habe mich allerdings aus dem ganzen medialen Rummel in den verschiedenen Medien herausgezogen, und das aus zwei Gründen: 1.) Es ist kein gutes Zeichen, wenn mögliche Ängste anfangen, das eigene tägliche Leben mitzubestimmen und 2.), ich persönlich werde an der Situation mit Sicherheit eh nichts ändern können, egal wie es am Ende auch ausgeht.
Im Segment Tageszeitungen fallen mir lediglich zwei Ausnahmen ein: "junge Welt" und "nd.Der Tag" (vormals "neues Deutschland"). - Beide werden von Genossenschaften herausgegeben.
Wobei ich weiß, dass meine Kinder das trotzdem immer hinterfagen, im Gegensatz zu den erwachsenen Lesern einer gewissen Boulevard - Zeitung, denen gerade der Weltuntergang prophezeit wird, und die das auch glauben
Hm. Das klingt ein bißchen nach Verschwörungsideen: Sämtliche Berichterstattung ist auf den Erhalt des Nationalkapitals ausgerichtet?
Was soll das Nationalkapital überhaupt sein?
Die von dir genannten Medien (junge Welt, ND,) sind ja nun nicht gerade ein Beispiel für journalistische Ausgewogenheit. Vielleicht verfolgen die keine ökonomischen Ziele, sondern sind rein ideologisch grfärbt, was es ja auch wirklich nicht besser macht.
Der
Nationalkapital bezeichnet den verfügbaren materiellen und finanziellen Reichtum eines Staates, ausschnittsweise abgebildet beispielsweise Im DAX.
Dem (kapitalistischen) Staat bzw. seiner Regierung als "ideellem Gesamtkapitalisten" (Engels) obliegt es, dieses Kapital zu hegen und zu mehren.
Die Annahme, dass Arbeitnehmer*innen selbstverständlich im Interesse ihres Arbeitgebers* agieren, als Verschwörungstheorie einzuordnen, erscheint mir - gelinde gesagt - recht bizarr.
Und welches - amtliche oder industriell produzierte - Medium bietet Deiner Meinung nach denn journalistische "Ausgewogenheit"?
Der ÖR bietet mir die Ausgewogenheit, die ich benötige. Ich nehme an, das bezeichnest du als amtlich. Diese und ähnliche Bezeichnungen für den ÖR finde ich bei extremen Kräften links und rechts.
Die Wochenzeitung Die ZEIT bemüht sich ebenfalls um Ausgewogenheit, was sie in vielen Fällen auch gut hinbekommt. Ist das für dich ein industriell produziertes Medium? Klingt auch sehr abwertend.
Leider scheint der Begriff diesmal zutreffend.
Obwohl die Zeiten sich schon seit Anfang der 2000er geändert haben. Bei uns wollte oder konnte man dies aber nicht sehen.
Mir fällt dazu irgendwie der Satz aus "Der Krieg der Welten" ein:
"And slowly and surely, they drew their plans against us."
Zeitenwende 89, 90, 2001, 2022 und da dazwischen könnte wohl auch was nennen, wenn man wolte.