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Digitalien ist noch weit: Schulen und Internet

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDigitalien ist noch weit
Schulen und Internet

Es ist das Jahr 2023. Das Schulministerium in NRW verkündet, man könne die Abiturzentralaufgaben nicht von dem Server eines externen Dienstleisters herunterladen. Deswegen verschöben sie sich um zwei Tage. Also von Mittwoch auf den Freitag. Zuerst habe ich mich auch gefragt: Aprilscherz? Am Ende des Monats? Aber nein, es ist tatsächlich wahr: Abituraufgaben konnten nicht heruntergeladen werden, weil es offenbar ein Problem mit der Zwei-Faktor-Authentzifizierung gab.

Was höchst ironisch ist, denn schließlich soll die gerade ja verhindern, dass die Panzerknacker - pardon - böse Buben an die Inhalte gelangen.

Diese Anekdote verbindlich allerdings wo wir momentan in der Republik stehen, wenn es um Schule und Digitalisierung geht. Offenbart nicht sehr viel weiter seitdem Angela Merkel den Begriff „Neuland“ für das Internet prägte. Das gute alte Fax ist in etlichen Behörden ja immer noch als Kopiergerät der Wahl in Funktion. Vielleicht hätte man die Abituraufgaben einfach mal faxen sollen - dann wäre die Verzögerung nicht passiert. Nun ist Digitalisierung zweischneidig: Auf der einen Seite fällt das Wort oft, wenn es um die Hardware geht. Da geht es dann häufig um White-Boards, Tabletts, WLAN an den Schulen. Die gute Nachricht: Die Fördermittel für die Anschaffung der Endgeräte sind fast allesamt aus dem Digitalpakt Schule des Bundes abgerufen worden. Oder sind gerade noch dabei ausgezahlt zu werden. Der Haken: Man muss die Mittel beantragt haben. Also die Schulen müssen da schon selbst Dinge in Bewegung gebracht haben. Manche Schule, die vielleicht ein alternatives Bildungsmodell bevorzugt, könnte davon eventuell nicht so begeistert sein. Jedenfalls: Die Technik und die Endgeräte müssten eigentlich stehen. Also da sein. Jedenfalls nach dem Deutschen Schulportal der Robert-Bosch-Stiftung.

Eigentlich müssten die aktuellen Schüler*innen doch top ausgestattet sein: Sie haben ein eignes Tablet, das von der Schule gestellt wird, oder sie haben einen eigenen Laptop zum Lernen. Die Schule hat ein funktionierendes WLAN - und eine Software, die aufpasst, dass man vielleicht Pornhub nicht unbedingt ansurfren kann. Lehrer*innen drehen Video und stellen die ins Intranet, damit dann in der nächsten Schulstunde über Fragen oder Probleme zum Stoff gearbeitet werden kann. Medienkompetenz wird übergreifend in allen Fächern gelehrt. Und natürlich wichtig: Progarnnieren! Das können die Schüler*innen ja schon seit dem Kindergarten! Ja, alles ist total super in unserer Republik …

Ach, das könnte schön sein … Ist es aber nicht. Lauthals wird in öffentlichen Debatten immer wieder nach Medienkompetenz verlangt, da sind natürlich die Eltern in der Pflicht, aber die Schule nun auch. Leherer*innen sollen kompetent sich im Metaverse bewegen können, was ihnen in der Ausbildung aber nicht beigebracht wird. Schön, ChatGPT als Künstliche Intelligenz kam etwas plötzlich - aber auch nicht unbedingt. Ähnliche Programme, ähnliche Software gibt es seit Jahren. Es wird halt versäumt sich darum zu kümmern und dieser Punkt fällt auch auf, wenn man sich anschaut, was während der Corona-Zeit passiert ist. Deutlicher als in der Pandemie-Lockdown-Zeit wurde das unterschiedliche Gefälle, dass Schule hat nicht deutlich.

Während ein Gymnasium in Düsseldorf damals im WDR stolz verkündete, dass Homeschooling kein Problem sein, Zoom hätten die Lehrer*innen ja sowieso schon im Blut. Das würde alles total super funktionieren. Dagegen dann später ein Bericht über eine Schule in einem Stadtteil von Duisburg, bei der die Lehrer*innen erwähnten, dass man ausgedruckte Aufgabenzettel an die Schüler*innen verteilen würde, denn selten gäbe es überhaupt einen Laptop in der Familie. Oftmals nur ein Smartphone mit Internetzugang. Für mehrere Schüler*innen in der Familie ist dann ein Zoom-Unterricht kaum vorstellbar. Die Kluft zwischen denen, die sich Technik leisten können und denen, die es nicht können, war in der Corona-Zeit so offen sichtbar wie nie. Und es wäre ja eigentlich sinnig gewesen, dass man diese Kluft auch bereiter diskutiert hätte. Was in der Corona-Zeit allenfalls in die Diskussion kam war „alle fünf bis zehn Minuten halt lüften“. Das kann sich natürlich jede Schule leisten. Sofern die Fenster mitmachen.

Digitalisierung ist allerdings mehr als nur Endgeräte, die digital sind. Das ist einer der Fehler, die immer noch gemacht werden: Digitalisierung bedeutet auch ein Mitdenken, Mitbegreifen. Digitale Endgeräte kann ich bedienen lernen. Wenn ich aber nicht verstehe, was und wie Algorithmen sind und wie sie funktionieren und mir das auch nicht in der Schule beigebracht wird, dann bleibt Digitalisierung halbfertig auf der Strecke liegen. Obwohl 2016 schon der Bund auf die Idee kam, Schüler*innen zu fördern - deswegen dann ja auch die Idee mit den Fördergeldern - gibt es kein Fach Medienkompentenz an sich. Ich glaube nicht, dass ChatGPT als Thema jetzt in den Schulen thematisiert wird, wenn es um die Frage nach Echtheit geht. Oder ob KI`s perfekt sind. Was für Auswirkungen die KI künftig haben wird, wissen wir zwar alle nicht. Aber wir können gewisse Modelle aufsetzen und durchdisktutieren. Damit dann, wenn die Programme immer besser werden, wir den Schüler*innen den Umgang und das kritische Hinterfragen der Dinge mit auf den Weg geben können. Digitalisierung muss mitgedacht werden, wenn Dinge entworfen werden. Also sowas wie Lehrpläne. Und da sind wir noch ganz, ganz weit weg von.

Das Schulmodell, das wir jetzt haben, ist seit Jahrzehnten und Jahrhunderten bewährt. Vor Jahrzehnten und Jahrhunderten mag es ja auch noch funktioniert haben. Aber wenn wir uns im Beruf neuen Herausforderungen ausgesetzt sehen und Kinder und Jugendliche nicht auf diese vorbereiten, dann sollten wir uns nicht wundern, wenn es anfängt zu knirschen. Und das tut ja bereits. Schule sondert eh bereits aus, aber wenn es dann darum geht Digitalisierung zu lehren dann sind wir komplett schon in der Zwei-Klassen-Haltung angekommen. Entweder deine Schule hat alles, was du brauchst oder du musst dich mit dem Overheadprojektor zufriedengeben. Natürlich: Das sagt nichts über die Qualität des Stoffes aus und wie er gelehrt wird. Aber es geht um eine gewisse Grundeinstellung, die wir haben sollten. Nämlich: Jede*n nach seinen Talenten zu fördern. Und nicht Leute auf ein Abstellgleis zu packen, weil sie keinen Laptop zu Hause besitzen oder weil die Schule halt in einem zentralen Brennpunkt gelagert ist.

Die Kluft, die Corona da aufzeigte ist nicht auf einmal weg. Sondern sie ist immer noch existent. Und zudem: Sie wird demnächst noch größer, wenn Leher*innen dem System Schule fehlen. Vielleicht wäre es an der Zeit Dinge zu ändern. Vielleicht wäre es Zeit, das Schulsystem als solches mal nicht als Ausbildungsakademie für die Wirtschaft zu sehen - na ja, sie produziert doch immer noch genügen Leute, die im Niedriglohnsektor arbeiten werden, oder? Aber das wäre ja … Revolution. Wobei: Die Rückkehrer zum humanistischen Bildungsideal, dass mit er Digitalisierung so arbeitet, dass Zusammenhänge verständlich werden … wäre doch durchaus eine vernünftige Geschichte.

Kommentare  

#1 Mainstream 2023-04-21 10:15
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Im Jahr 1983 (!) besuchten wir eine Freundin in Bakersfield, California, und sie zeigte uns stolz ihren Arbeitsplatz, eine ganz reguläre amerikanische Middle-School.
In einem Raum gab es nur etwa 30 Tische, alle mit elektronischen Geräten und Bildschirmen ausgestattet. Computer. Alle zur freien Verfügung, zum ausprobieren, experimentieren, oder lernen.
Wirklich erschreckend wo wir in noch stehen.
#2 matthias 2023-04-22 11:18
zitiere Friedhelm:
oder warum darf sich jedes Arschloch in der virtuellen Welt mit Hass- und Hetztiraden austoben?

Und was machst Du jetzt mit dieser Wortwahl, Friedhelm?
#3 matthias 2023-04-22 17:13
zitiere Friedhelm:
Darf ich mich, z.b, nicht mehr darüber aufregen, dass menschenverachtende (u.a. rechte) Hass/Hetz-Botschaften heute im Internet offensichtlich ohne richtige Regulierung möglich sind?

Ach so, die Hetzer sind laut Deiner Meinung ausschließlich RECHTE. Also hetzen Linke, Grüne usw. im Netz nicht, sonder nur Rechte! So hast Du es wiederholt zum Ausdruck gebracht.
Das wußte ich bisher so nicht. Danke für die Aufklärung, lieber Friedhelm. Und ich Narr glaubte, dass Hetze, egal aus welcher Ecke, verwerflich ist.

Zum Beispiel wird gegen die AfD (16%) nicht gehetzt, weil das ist ja sogar erwünscht.
#4 Hermes 2023-04-22 18:16
@ Friedhelm

Ohne da jetzt eine ausgreifende Diskussion vom Zaun brechen zu wollen. Du bist empört über rechte Hetze im Netz und nimmst Dir deshalb die Freiheit im Netz Fäkalsprache zu verwenden.

Es gibt Menschen (meist religiös geprägt) für die ist Abtreibung nichts anderes als Mord. Sie sind darüber empört und nehmen sich dann genau wie Du die Freiheit im Netz mit derbsten Ausdrücken umsich zu werfen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, ich teile die Position der Religiösen nicht, aber ich kann nachvollziehen, wie eine solche Einstellung sich auswirkt.

Wenn alle Leute sich daran halten würden - egal wie empört sie gerade sind - sich sprachlich zurückzuhalten, wäre schon viel gewonnen.

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