Das Fort ... Was ist das eigentlich? ... Juni 2012
Das Fort ... Was ist das eigentlich?
Juni 2012
: Diese Legoland- oder Playmobil-Forts sind natürlich Fantasie. Man kann bzgl. der "Forts" im Westen eine Faustregel aufstellen: Alle Palisadenforts oder befestigten Forts waren private Handelsposten. Militärposten waren unbefestigt.
Ausnahmen bestätigen (wie immer) die Regel. Das bekannteste militärische Palisadenfort war Fort Phil Kearny in Wyoming, das in Red Clouds Krieg 1866/67 mehrfach angegriffen und belagert wurde. Dieser Militärposten muss wohl das Muster für alle Film-Forts gewesen sein; denn von den ca. 190 Forts im Westen während der Zeit der Indianerkriege (1866 - 1890) hatte so gut wie keines eine Palisade. (Im 18. Jh. in der Zeit der Waldlandkriege im Osten sah es anders aus, aber wir sprechen ja jetzt über den Westen.)
Warum auch sollten Militärposten im westlichen Indianerland befestigt sein? Die Indianer wussten, dass hier ausgebildete Soldaten lebten, die über große Mengen an Waffen und Munition verfügten. Ein Angriff auf einen Militärposten brachte keinerlei Vorteile, er war nur höchst riskant. Tatsächlich hat es in der Geschichte des Westens so gut wie keine Indianerangriffe auf Forts gegeben. Ausnahmen waren das bereits erwähnte Fort Phil Kearny, aber auch Fort Ridgely in Minnesota, das während des großen Sioux-Aufstandes 1862 tagelang belagert und beschossen wurde (es war auch unbefestigt); aber dieser Aufstand war eine besondere Situation.
Handelsposten dagegen waren verlockend: Hier lagerten Tauschwaren in erheblichen Mengen. Perlen, Stoffe, Metallwerkzeuge, Kessel, Decken - alles, was ein Indianerherz begehrte. In Fort Union (North Dakota) oder Fort Bent (Colorado) waren manchmal Handelsgüter für über eine halbe Million Dollar untergebracht; nach heutiger Kaufkraft das 20-fache an Wert. Deswegen waren ALLE diese Forts befestigt. Entweder mit Palisaden oder mit Adobeziegelmauern; je nach Materialverfügbarkeit. In Plains- und Wüstengebieten gab es nicht genug Holz, da wurde mit Lehmziegeln gearbeitet. Und es gab zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen, wie etwa "Handelsschleusen", die die Indianer mit ihrem Pelzwerk nur bis in den Eingangsbereich und nicht in den Innenhof vor ließen.
Das erste und zweite Fort Laramie begann als Handelsposten und hatte eine hohe Umfriedung, wie man auf alten Gemälden sehen kann. Als die Armee den Posten übernahm, ließ sie die Palisaden verfallen und baute eigene Gebäude.
Das Missverständnis entsteht häufig durch den Begriff "Fort", der eben sowohl einen militärischen wie einen privaten Posten beschrieb. Warum die amerikanischen Filmregisseure, die es hätten besser wissen müssen, immer wieder mit Palisadenforts gearbeitet haben, gehört zu den ungelösten Rätseln des Western.
Fast alle Militärposten wirkten von Weitem wie zivile Siedlungen. Die Architektur war charakteristisch und die Anordnung immer gleich: Bauwerke aus Holz oder Stein, in den 1860er- und 1870er-Jahren ein- oder anderthalbstöckig, die sich um einen großen Paradeplatz reihten. Die Mannschaftsunterkünfte waren lang gestreckte Baracken mit Schlafsälen, Verwaltungsraum, Küche und Messe. Die Offiziersgebäude waren meist Duplexhäuser, also zwei spiegelartig aneinandergebaute Häuser, in denen jeweils zwei Familien untergebracht waren. Dann gab es Werkstätten (Schmiede, Stellmacherei, Tischlerei, Bäckerei, Sattlerei, Wäscherei, usw.), Ställe, Lagerräume und ein Kasino für die Offiziere, sowie ein Hospital, das meist etwas abseits der übrigen Anlage stand. Einen gewissen Abstand hatte auch das Pulvermagazin, das meist halb oder ganz in den Boden gebaut war. Fort Laramie ist ein gutes Beispiel für diese Architektur, auch Fort Davis in Texas oder Fort Scott in Kansas, auch Fort Abraham Lincoln in North-Dakota.
In den 1880er-Jahren wurden mehr und mehr Häuser aus soliden Backsteinen gebaut. Man findet eine Mischung aus Holz- und massiven Steingebäuden beispielsweise in Fort Robinson (Nebraska), das immerhin bis zum Ende des 2. Weltkriegs aktiv war.
Eine weitere Faustregel: Je weiter westlich die Forts lagen, desto einfacher, um nicht zu sagen primitiver, waren die Bauwerke. Je weiter östlich, desto solider.
Die meisten Forts im Westen existierten nur wenige Jahre - manchmal sogar nur wenige Monate, etwa während eines Feldzugs. Sie wurden nach Bedarf errichtet. Wenn der Bedarf nachließ, eine Gegend also besiedelt war und die Indianer der Region verdrängt waren, wurden die Forts wieder geräumt. Brauchbare Baumaterialien wurden mitgenommen oder den Siedlern der Umgebung überlassen. Häufig wurden die Leichen von den kleinen Friedhöfen exhumiert und umgebettet. (Die Toten von Fort Phil Kearny liegen heute beispielsweise fast alle auf dem Custer-Nationalfriedhof am Little Big Horn.)
Wenige Forts blieben über längere Zeiträume aktiv wie Fort Laramie, das in den 1890er-Jahren geräumt wurde, oder das erwähnte Fort Robinson in Nebraska und Fort Snelling in Minnesota, die bis Ende der 1940er-Jahre Militärposten blieben.
Fort Huachuca im Süden von Arizona, das während der Apachen-Kriege eine bedeutende Rolle spielte, ist noch heute aktive Raketenbasis. Moderne Militärbaracken und Raketenstellungen gruppieren sich um den alten Kern aus Pionierzeit-Gebäuden, in denen heute ein Museum für die Buffalo Soldiers und die Apachen-Scouts untergebracht ist.
(Ich wäre dort fast mal verhaftet worden, weil ich versehentlich in die für Zivilisten geschlossene Cruise-Missile-Abteilung eingefahren bin - das Gelände ist so riesengroß, dass man die Einfahrten verwechseln kann.)
Fort Meade in South Dakota (zeitweise Heimat der 7. Kavallerie nach der Custer-Schlacht) ist ebenfalls noch heute aktiver Militärposten. Das gilt auch für Fort Leavenworth in Kansas und einige andere Posten.
Ein Militärfort war im Grunde eine kleine Stadt für sich. In den größeren Posten wie Fort Laramie gab es einen Sutler Store (also einen Kaufmannsladen), Kasino mit Billard-Halle, einen Versammlungssaal, wo die Offiziere gelegentlich Theaterstücke aufführten, eine Schule für die Offizierskinder, sogar Sportvereine (in Fort Lincoln hatte die 7. Kavallerie zwei Baseballmannschaften, die regelmäßig gegeneinander antraten). Hier herrschten eigene Gesetze und Regeln. Die Soldaten brauchten keine Uhren; die Tagesabläufe waren durch Trompetensignale geregelt, die alle halbe oder jede Stunde geblasen wurden. Am Rande der Militärreservation - also dem von der Regierung abgesteckten Areal - standen oft "Hog Ranches" (primitive Soldaten-Bordelle) und windschiefe Spelunken, in denen der Soldat seinen knappen Sold in seiner knappen Freizeit loswurde.
Bis in die 1860er-Jahre hinein hatten die Besatzungen dieser Forts übrigens nicht mal Einzelbetten - auch darüber sagen Westernfilme nichts aus. Jeweils 2 Soldaten teilten sich ein Bett; sie schliefen entgegengesetzt, also Kopf neben Füßen. Das war kein angenehmes Leben, wie das Leben in einem Militärposten generell karg war. Es ist wenig bekannt, dass in den meisten Forts im Westen Skorbut verbreitet war - eigentlich die klassische Seefahrerkrankheit jener Zeit; Vitaminmangel, schlechtes Essen, zu wenig Obst und Gemüse.
Dagegen war das Leben in einem Handelsfort üppig. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Kommentare
Was sicher auch mal ein interessanter Artikel wäre, ist das Leben der Soldaten und Offiziere - vielleicht einmal im Civil-War und dann während der "Indianer-Kriege", wo es ja nicht nur Kavallerie gegeben hat. Denn durch Filme und auch durch Romane wird da m.E. im Allgemeinen ein völlig falsches Bild gezeichnet.
Über das Leben in der US-Armee nach 1865 habe ich einen umfangreichen Artikel in der militärwissenschaftlichen Zeitschrift PALLASCH unter dem Titel "Blauröcke" geschrieben - ist schon einige Jahre her, aber dieser Artikel wird mit anderen meiner Arbeiten vermutlich im kommenden Jahr in einem Buch über US-Militärgeschichte erscheinen.
Grüße aus Virginia (Bull Run-Chancelloresville-Appomattox)
vielen Dank für die Ergänzung, an der ich nichts zu bemängeln habe. Die Frontier-Armee oder auch nur die Militärforts der Zeit der Indianerkriege würden Stoff für ein eigenes umfangreiches Buch hergeben. Das war natürlich nicht in einem Zauberspiegel-Interview zu realisieren.
Es gab ca. 192 Militärposten westlich des Missouri in den Jahren zwischen 1865 und 1890. Die gesamte US-Armee war in dieser Zeit nicht mehr als im Durchschnitt etwa 25.000 Mann stark (alle Waffengattungen). Die Desertionsquote betrug jährlich zwischen 25-30%. So gut wie keine Truppeneinheit erreichte die Sollstärke. Dies war auch der miserablen Bezahlung von 13 Dollar mntl. geschuldet und dem schlechten gesellschaftlichen Ansehen des Militärs in jener Zeit.
Das Offizierskorps war ebenfalls unterbesetzt, weil das Budget des Militärs zu niedrig war, alle Planstellen zu besetzen. Deswegen wurden Regimenter gelegentlich nicht von Colonels, sondern von Lt. Colonels kommandiert. Der Adjutant war nicht der Lt. Colonel, sondern ein Major, der zweite Adjutant war der dienstälteste Captain. (Das war z.B. in der bekannten 7. Kavallerie der Fall). Kompanien wurden oft von Lieutenants geführt, statt von Captains.
Das alles ist ein sehr komplexes Thema, in das natürlich auch die soziale Situation der Soldaten hineinspielt. Ich habe diese Thematik im Detail in meinem Buch SOLDIERS (2013) in einem eigenen ausführlichen Kapitel über die Frontier-Armee behandelt.
Beste Grüße!
Die Besprechung diese Buches findet der Interessent hier: zauberspiegel-online.de/index.php/mythen-aamp-wirklichkeiten-mainmenu-288/schlachten-mainmenu-290/23028-mythos-und-wahrheit-soldiers-von-dietmar-kuegler