Eine Frage an ... Werner J. Egli: Was ist denn ein Indianer?
Was ist denn ein Indianer ...?
Bei Freddy Lefthand war das ganz anders. Freddy ist ein Crow. An einem schönen Abend fahren wir zusammen zu einem Kaff außerhalb des Reservats, wo sich die einzige Kneipe weit und breit befindet. Bier holen. Auf dem Parkplatz stehen ein paar zerbeulte Pickups. An einem Holm sind zwei Pferde festgebunden. Freddy steigt aus. „Bleib hier. Die mögen keine Bleichgesichter, wenn sie besoffen sind, und ich will dich nicht verlieren.“ Er verschwindet in der Kneipe. Ich warte eine volle Stunde draußen in seiner Karre, bis er wieder rauskommt, ein Six Pack in der Hand, das andere unterm Arm. Zwei hübsche Mädchen in Cowboystiefeln, Miniröckchen und engen Tops hängen lachend an seinem anderen Arm. Er taumelt über den Parkplatz, öffnet die Seitentür und lallt. „Hey, Bruder, die eine ist für dich, die andere für mich. Steig aus und setz dich hinters Steuer. Ich bin zu besoffen um weiterzufahren.“
Edgar Perry, ist ein White Mountain Apache. Wir fahren zusammen nach Cibeque raus, damals ein ziemlich abgelegenes Nest. Ein Pferdetanz soll dort stattfinden. Auf halbem Weg sehen wir eine alte Frau am Strassenrand sitzen. Die Frau hustet Blut. „Tuberkulose“, erklärt er mir. „Halt an, wir nehmen sie mit.“ Die Frau kann ist so schwach, dass wir sie zu meinem Pickup tragen müssen. „Pass auf, dass du dich nicht ansteckst“, warnt er mich. „In Cibeque gibt es keinen Arzt aber einen Medizinmann. Am Abend, als die Apachen um das Feuer herum tanzen, sitzt die Frau bei anderen Frauen und trinkt Cola aus einer Dose. Perry, der selbst ein bekannter Linguist und Apache Mountain Spirit Tänzer ist, sitzt neben mir und wir schauen zu, wie der Medizinmann stink besoffen in die Hose pisst, während er auf einem Baumstamm sitzend an seinem Stock nach vorn und nach hinten wippt, bis er schließlich ins Feuer fällt und tausend Funken hochstieben. „Zum Kotzen“, murmelt Perry. „Komm wir fahren nach Hause.“
Ich sitze in einem Steinhaus in Old Oraibi, zu Besuch bei Don C. Talayesva, der bekannt ist für seine Autobiografie, „Sonnenhäuptling Sitzende Rispe erzählt sein Leben.“ Zu einem Sonnenhäuptling haben ihn die Weissen gemacht. Sein Nachbar Myron Polequaptewa nennt ihn einen „Chickenficker“, weil er in jungen Jahren alles gebumst hat, was ihm über den Weg gelaufen ist. Das steht so ungefähr auch in seinem Buch. Jetzt ist er alt. Die traditionellen Lieder der Hopi hat er vergessen. Dafür singt er mir voller Stolz christliche Kirchenlieder vor während er eine „Katchina“ schnitzt, die er dann mit seinem Namen verziert. Sein letzter großer Wunsch ist es, vor seinem Tod ins „Heilige Land“ zu fahren. Zwei Jahre später ist er in seinem Rollstuhl allein auf dem Highway unterwegs dorthin. Seine Familie bringt ihn ins Altersheim.
Vier ganz normale Indianer, keiner von ihnen wie Pierre Brice, den ich als Filmindianer geschätzt habe. Ich kenne hunderte von ihnen, jeder in vielen Facetten anders als der andere. Ob sie bei uns in Europa zum „Lieblingsindianer“ getaugt hätten, weiß ich nicht, vielleicht am ehesten in Frankreich, wo „Winnetou“ kein großer Star geworden ist. : Ich bin in einem knallroten Mustang mit dem Comanchen Wilford Woosypiti unterwegs in der Prärie von Kansas. Ein einzelner Baum etwa zweihundertfünfzig Yards von der Strasse entfernt, auf einem der Äste ein Bussard. Wilford bremst hart, lässt Gummi auf dem Asphalt. „Siehst du den?“ fragt er. „Klar.“ Willst du ein paar Federn?“ „Hm.“ Wilford steigt aus, geht nach hinten, holt seine alte Winchester aus dem Kofferraum, geht nach vorn, lehnt sich über die Kühlerhaube und zielt. „Ach, was, hol sie dir selbst“, sagte er und übergibt mir das Gewehr. Eigentlich will ich keine Federn, denke ich, aber ich getraue mich nicht, es ihm zu sagen. Er beobachtet mich, während ich anlege. Ich ziele nicht auf den Bussard, ich ziele auf den Ast auf dem der Vogel sitzt, drücke ab, der Ast zersplittert und der Bussard fliegt weg. Wilford grinst. „Keine Federn für einen schlechten Schützen“, sagt er, verstaut das Gewehr wieder und klemmt sich hinters Steuerrad.
Kommentare
Indianer sind Menschen. Ganz normal. Mit Stärken und Schwächen. Und sie sind natürlich inzwischen auch sehr amerikanisch - aber immer noch mit einer ganz eigenen, unbeschreiblichen Mentalität und Weltsicht. So sollte man sie nehmen. Keine Esoteriker, keine Öko-Heiligen. Menschen einer besonderen Ethnie, einer besonderen Kultur.
Reicht das nicht?
Egli hat wunderbar geantwortet. So habe ich es auch erlebt. Aber ich glaube, ich hätte nicht so gut geantwortet wie er.
Ihr Wille zu plündern, morden und martern kennt unter andren Indianerstämmen. keine Prallelen. Sie haben währen den vergangenen zehn Jahren Postsendungen abgefangen und Postkutschen angezündet, haben Menschen das Herz herausgerissen, gekocht und gegessen, und verbrannten gefangene Passagiere und andere Personen, die ihnen in die Hände gefallen sind. Sie haben Bergwerksarbeiter umgebracht und dadurch die Produktion dieser Bergwerke eingedämmt, und das in einem der, an Bodenschätzen reichsten Gebieten der Vereinigten Staaten.
Arnys letzter Satz ist bezeichnend für das damalige Denkschema der "Eroberer", und --- selbstverständlich auch für das der heutigen Kriegstreiber.