Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Ronco und dem Jugendschutz?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Ronco und dem Jugendschutz?

Andreas Decker setzt sich gerade mit vier Bänden der Serie RONCO auseinander, die in der zweiten Auflage der Serie erheblich verändert oder gar neu geschrieben wurden. Es geht um die Bände 176 - 179 der Serie.

Da stellt sich uns doch die Frage: Wie war das damals so? Warum wurde umgeschrieben und welche Rolle spielte dabei  der Jugendschutz, der Pabel so einige Male beutelte?


Der PeitscherDietmar Kuegler: Der Artikel RONCO – DER SELBSTZENSIERTE - Die zweite Auflage in der Bearbeitung - Verglichen in den Bänden 176 - 179 ist selbst für mich, der ich vor 40 Jahren verantwortlich für den Inhalt von RONCO war, außerordentlich interessant zu lesen. Der Autor hat hervorragend recherchiert.

Ich hatte diese Episode fast vergessen. Es gab in der Tat eine Zeit, in der die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ in Bonn den Heftromansektor mit größter Aktivität abgraste. Das erfolgreiche Aufkommen von Horror-Serien zog weitere Prüfungen nach sich, und die Reihen des Pabel-Verlags gerieten aufgrund der intensiven Untersuchungen des „Dämonenkillers“ u. a. Serien allesamt ins Visier der Jugendschützer.

Bei allen Redaktionsbesprechungen war die Indizierungsgefahr ein Thema, und sowohl ich und die anderen Redakteure als auch die Autoren wurden mit dem Regelwerk der Prüfungskommissionen vertraut gemacht.

Danach wurde die Darstellung von „Gewalt“ grundsätzlich als akzeptabel eingestuft, wenn sie sich zwingend aus der Handlung ergab und so erfolgte, das sie nicht als Selbstzweck angesehen wurde. Sadismus und reine Brutalität, sowie die sinnfreie Ausschmückung von Gewaltszenen nur um des Effekts Willens waren ebenso ausgeschlossen wie die Verherrlichung von Selbstjustiz und physischer Herabwürdigung; das alles konnte zu Indizierungen führen. Gewaltdarstellungen waren im Western historisch begründet und akzeptiert, sie mußten allerdings eine moralische Rechtfertigung haben.

Sun-Valley-KriegDaran haben wir uns sowohl bei RONCO als auch später bei LOBO gehalten, obwohl es merkwürdigerweise immer wieder Gerüchte gab, wir hätten uns ständig mit Anklagen der „Bundesprüfstelle“ auseinandersetzen müssen.

Vermutlich hing das mit der verunglückten Verlagswerbung zusammen, die RONCO immer als „Italo-Westernserie“ anpries, während ich als Exposé-Redakteur ganz andere Ziele verfolgte. Dieses Image wurde ständig hervorgehoben und zog die Aufmerksamkeit der Bonner Behörde auf sich.

Aber: Es wurden tatsächlich nur zweimal entsprechende Anträge gestellt, und es wurde NIEMALS ein RONCO-Roman indiziert.

Der Hintergrund des hier dargestellten Vorfalls war: Es gab gegen 2 Hefte Anzeigen wegen exzessiver Gewaltdarstellung. Ich erinnere mich an ein Telefonat mit dem verantwortlichen Redakteur, Rainer Delfs, der mich von dem Verfahren in Kenntnis setzte. Der Anwalt des Pabel-Verlags war damals wegen Indizierungsanträgen von Horror-Romanen nahezu wöchentlich zur Anhörung in der „Bundesprüfstelle“. Die beiden Anträge gegen RONCO waren neu für ihn, er hatte von Western-Serien keine Ahnung, und ich wurde aufgefordert, ihm eine Argumentationshilfe zu formulieren.

Gesetz der GewaltDas tat ich. Ich schrieb – soweit ich mich entsinne – eine anderthalbseitige Stellungnahme, in der ich die zugrunde liegende Geschichte erläuterte und den Ablauf der Handlung begründete.

Das Nächste was ich erfuhr war, dass die Anträge auf Indizierung abgelehnt worden waren.

Als dann die Neuauflage anstand, wollte der Verlag in der Tat jeder weiteren Gefahr aus dem Wege gehen und ließ die Romane umschreiben. Welcher Autor damit beauftragt wurde, weiß ich leider nicht mehr. Ich meine, daß in einem Fall Wilhelm Kopp Hand angelegt hat. Er war ohnehin der Bearbeiter/Lektor der Manuskripte und als Ken Konagher einer der führenden und beliebtesten Autoren. Meine Hand möchte ich dafür aber nicht ins Feuer legen.

Im Übrigen zeigt die Inhaltsbeschreibung gerade dieser Romane deutlich die Tendenz auf, die ich verfolgte.

Die Geschichte der Weidefehde zwischen Rinder- und Schafzüchtern, sowie kleinen Farmern hat ihren realen historischen Hintergrund in der letzten großen Fehde dieser Art in den 1890er Jahren in Wyoming, dem „Johnson-County-Krieg“, in dem auch ein gewisser Tom Horn von sich reden machte.

Die Rinderzüchter Wyomings heuerten auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung eine Privatarmee von Revolverhelden an, die mit einem gemieteten Zug ins Farmland fuhren und den Auftrag hatten, die Schafzüchter systematisch zu vertreiben oder zu ermorden. Tom Horn hatte als bezahlter Killer diese Aufgabe vorher allein ausgeführt. Nachdem er irrtümlich den 14-jährigen Sohn eines Farmers, den er eigentlich hätte töten sollen, erschossen hatte, wurde er in Cheyenne gehängt. Sein Fall ist bis heute historisch interessant, weil Horn seinen Kopf hätte retten können, wenn er als Kronzeuge über die Hintermänner der Fehde ausgesagt hätte. Er tat es nicht, und man weiß heute, dass es eine Vereinbarung zwischen ihm und dem Viehzüchterverband gab, seine Verwandten großzügig finanziell zu unterstützen, wenn er den Mund halten würde. So geschah es.

Der MostermannDie Revolvergarde der Viehzüchter wurde – nachdem bereits mehrere Farmer ermordet worden waren – von der Armee gestoppt, gefangengesetzt und aus Wyoming deportiert. Die Auseinandersetzungen im Johnson County sind bis heute nicht vergessen, denn die Nachkommen der Beteiligten leben z. T. noch immer dort. 2010 verfasste ein angesehener Jurist aus der Stadt Worland ein aufsehenerregendes Buch über diesen letzten Weidekrieg im Westen, in dem die dubiose Rolle des Viehzüchterverbandes schonungslos beschrieben wurde. (John W. Davis, Wyoming Range War: The Infamous Invasion of Johnson County. Norman, OK: University of Oklahoma Press)

Diese Ereignisse bildeten damals die Grundlage für den fraglichen RONCO-Zyklus, was belegt, daß ich zunehmend tatsächliche Ereignisse der Pionierzeit in die RONCO-Konzeption einbezog.

Die Figur des „Peitschers“ war in der Tat eine Erfindung von mir – wie ich alle markanten Gestalten der Serie entwickelt hatte –, aber der gesamte Hintergrund der Geschichte war authentisch beeinflusst; und im historischen „Johnson County War“ ist es zu sadistischen und brutalen Exzessen gekommen, etwa bei der Ermordung von führenden Gestalten der Schafzüchter, die zu beschreiben mit Sicherheit zur Indizierung des betreffenden Romans geführt hätte.

Der Pabel-Verlag wurde wegen der fraglichen RONCO-Romane „ermahnt“, aber es wurde keine Indizierung ausgesprochen.

Die Veränderung der Romane in der 2. Auflage war offenbar erfolgreich: Es gab keine weitere Anzeige und keine Beanstandung mehr.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.