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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit den Sklaven und den Revolten?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit den Sklaven und den Revolten?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Sklavenaufstände, Revolten von Zwangsarbeitern, die um ihre Freiheit kämpften, gab es in der Geschichte der Menschheit zu allen Zeiten und in allen Kulturen, in denen Sklaverei praktiziert wurde, also auch in Nordamerika, seit die ersten verschleppten Afrikaner hier als Zwangsarbeiter eingesetzt und wie eine Ware gehandelt wurden.

Beginnend in der Kolonialzeit, bis zum Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges gab es kaum etwas, was die Plantagenbesitzer der Südstaaten mehr fürchteten als Revolten ihrer Sklaven; daher erließen die Kolonien strenge Gesetze und drakonische Strafen für jedes Begehren nach Freiheit. Mit Schrecken wurden Nachrichten aus der Karibik aufgenommen, wo ständig Sklavenaufstände stattfanden und teilweise sogar erfolgreich waren, bei denen Sklavenhalterfamilien häufig den Tod fanden.

In den 1770er Jahren drohte der englische Gouverneur in Williamsburg den nach Unabhängigkeit strebenden Amerikanern sogar damit, Sklaven zu bewaffnen und auf sie loszulassen, weil die englische Armee nicht stark genug war, die Amerikaner zu beeindrucken – ein politisches Instrument, das vor dem Ausbruch der amerikanischen Revolution einige Male für Ruhe sorgte.

Sklavenaufstände gingen auch nach Gründung der USA weiter. Dass es nur wenige öffentliche Meldungen darüber gab hing mit der Furcht der Plantagenbesitzer zusammen, derartige Nachrichten könnten zur Nachahmung anregen.

Eine der bedeutsamsten Sklavenrevolten fand im Oktober vor 217 Jahren statt. Sie ging als „Gabriel-Revolte“ in die Geschichte ein.

Der ca 1776 bei Brookfield (Virginia) auf einer Tabakpflanzung geborene schwarze Schmied Gabriel – in manchen Quellen fälschlich als “Gabriel Prosser” nach seinem Besitzer, Thomas Prosser, bezeichnet – plante 1800 einen großen Aufstand. Er gehörte zu den wenigen Sklaven, die Lesen und Schreiben gelernt hatten.

Er muß eine bemerkenswerte Persönlichkeit gewesen sein, ohne die seinem Stand eigene Unterwürfigkeit. Zeitzeugen – auch Weiße – beschrieben ihn als Mann von „Intelligenz und großem Mut“.

Im August/September 1800 hatte er mindestens 30 andere Sklaven überzeugt, mit ihm um ihre Freiheit zu kämpfen. Sein Plan war, nach Richmond, Virginias Hauptstadt, zu ziehen, den Gouverneur als Geisel zu nehmen und ihn zur gesetzlichen Aufhebung der Sklaverei zu zwingen. Seine Hoffnung war, dass sich weitere Sklaven anschließen würden.

Das Unternehmen stand unter einem schlechten Stern. Heftige und anhaltende Regenfälle machten den Zeitplan zunichte. Zwei seiner Verbündeten verliess der Mut; sie informierten ihren Besitzer, Mosby Sheppard, von dem geplanten Aufstand. Dieser benachrichtigte die Regierung von Virginia. Daraufhin wurde die Miliz des Staates alarmiert.

Gabriel ergriff die Flucht. Er gelangte bis Norfolk, wo er von einem anderen Sklaven verraten wurde, der sich die ausgesetzte Belohnung verdienen wollte. (Dieser Mann erhielt nie den versprochenen Lohn.)

Gabriel wurde in Ketten gelegt und nach Richmond zurückgebracht. Hier wurden er, seine beiden Brüder und 23 weitere Sklaven, die sich seiner Verschwörung angeschlossen hatten, am 10. Oktober 1800 am Galgen hingerichtet.

Die Affäre wurde aufgrund der eingangs erwähnten Gründe in der Öffentlichkeit weitgehend verschwiegen. Spätere Historiker untersuchten den Vorfall. Sie fanden heraus, dass Gabriel als exzellenter Schmied angesehen wurde, den sein Besitzer regelmäßig an andere Pflanzer auslieh. Auf diese Weise konnte Gabriel Verbindungen zu anderen Sklaven knüpfen. Mehr als das – er kam in Kontakt mit europäischen Arbeitern und hörte Nachrichten von Sklavenaufständen in der Karibik und von Diskussionen innerhalb der politischen Zirkel über die Befreiung der Sklaven.

Im Jahr 1800 herrschte eine eher lockere, entspannte Atmosphäre in Virginia, die es Sklaven mit wertvollen handwerklichen Fähigkeiten ermöglichte, sich relativ frei zu bewegen. Nach dieser Rebellion wurde der Schulunterricht für Schwarze strikt untersagt. Wer seinen Sklaven eine gewisse Bildung ermöglichte, machte sich strafbar. Auch das Ausleihen von schwarzen Handwerkern wurde verboten.

Gerechterweise muss festgehalten werden, dass sich nicht alle daran hielten. Der später berühmte konföderierte General „Stonewall“ Jackson setzte sich souverän über die Gesetze Virginias hinweg und gründete 1855 die „Lexington Presbyterian Church Sunday School“, in der er persönlich schwarzen Kindern von Sklaven Lesen und Schreiben beibrachte und öffentlich verkündete, dass er es für unchristlich hielt, Menschen diese Fähigkeiten zu verweigern.

In jener Zeit war es bei prominenten Politikern, die über Ländereien und schwarze Arbeitskräfte verfügten nicht unüblich, bei ihrem Tod ihren Sklaven die Freiheit zu geben, um ein Symbol für eine Beendigung der Sklavenwirtschaft zu setzen. Diese als „revolutionär“ angesehenen Überlegungen mochten Gabriels Revolte inspiriert haben.

Ein Historiker fand heraus, dass Gabriel vermutlich mindestens zwei weiße Mitverschwörer hatte, die aus den Reihen der damaligen Partei der Jefferson-Demokraten kamen; einer war wahrscheinlich Franzose. Diese Spur wurde im Jahr 1800 nicht weiterverfolgt, da auch der amtierende Gouverneur von Virginia, James Monroe, dieser Partei angehörte. Thomas Jefferson kandidierte zu dieser Zeit für die Präsidentschaft der USA. Eine Verbindung seiner Partei zur Gabriel-Revolte hätte seine Wahl zum Präsidenten womöglich zum Scheitern gebracht – und die Weltgeschichte hätte einen anderen Verlauf genommen; denn Thomas Jeffersons Präsidentschaft führte die Vereinigten Staaten auf den Weg zur Weltmacht.

Zum harten Kern der Verschwörer gehörten zweifellos mehrere Hundert Sympathisanten, die sich Gabriel bei Erfolg seiner Aktion angeschlossen hätten

Es war aus heutiger Sicht nicht überraschend, dass die Pflanzer Virginias in großer Angst vor Sklavenaufständen lebten. Im Jahr 1800 stellten schwarze Sklaven 39,2% der Bevölkerung des Staates, also weit über ein Drittel. Sie lebten überwiegend auf den großen Plantagen in der Region um Richmond. Gleichzeitig gab es ungefähr 30.000 freie Schwarze, die stets als potentielle Mitverschwörer bei Revolten angesehen wurden. 1806 erließ Virginia sogar ein Gesetz, mit dem freie Schwarze aufgefordert wurden, den Staat zu verlassen, anderenfalls würden sie wieder versklavt werden. (Die Zahl freier Schwarzer in den nördlichen Staaten wuchs rapide, da die Sklavenhaltung hier zunehmend aufgrund moralisch-christlicher Überzeugungen aufgegeben wurde.)

Die Gabriel-Revolte war nicht der erste und nicht der letzte Aufstand. Während die Rebellionen auf den Plantagen häufig vertuscht wurden und es daher keine vollständige Auflistung gibt, sind allein 485 Revolten auf Sklavenschiffen auf dem Weg nach Amerika dokumentiert. Die erfolgreichste war die „Creole-Revolte“. Das Schiff „Creole“ wurde von den verschleppten Schwarzen übernommen und auf die Bahamas umgeleitet, wo 128 Sklaven ihre Freiheit bekamen.

Zu den bedeutenden Aufständen, von denen wir heute noch Kenntnis haben, gehörten große Sklavenrevolten in New York 1712 und 1741. Wenig bekannt ist, dass es Indianerstämme gab, die schwarze Sklaven hielten, wie die Seminolen und Teile der Cherokee. Zwischen 1835 und 1838 rebellierten die Sklaven der Seminolen, 1842 die der Cherokee. Die blutigste Sklavenrevolte in der US-Geschichte war der „Nat Turner Aufstand“ im August 1831 in Virginia, bei dem bis zu 65 Weiße erschlagen wurden. Die Revolte wurde innerhalb von 2 Tagen niedergeworfen. 56 aktive Teilnehmer wurden gehängt. Um die 120 weitere Schwarze – die meisten hatten gar nichts mit der Rebellion zu tun – wurden von der Miliz und bewaffneten Bürgern getötet. Am Ende mußte in Virginia und benachbarten Staaten wie North und South Carolina und Alabama die Miliz eingesetzt werden, um den weißen Mob aufzuhalten, der in panischer Wut völlig unbeteiligte Schwarze ermordete. Nat Turner wurde am 5. November 1831 zum Tode verurteilt, gehängt, gehäutet, geköpft und gevierteilt. Danach wurden die Sklavereigesetze abermals verschärft.

Heute wird die Gabriel-Revolte als Symbol für diese vielen unterdrückten und wenig bekannten Aufstände der Sklaven in Nordamerika gesehen, die für ihre Freiheit kämpften.

2007, vor 10 Jahren, sprach der amtierende Gouverneur von Virginia eine posthume Begnadigung für Gabriel und seine Mitverschwörer aus und pries ihren Mut, für ein Ende der Sklaverei, für Freiheit und Menschenrechte gekämpft zu haben. Eine ähnlich lautende Resolution hatte schon 2002 die Stadt Richmond veröffentlicht. Gouverneur Kaine ging in seiner Erklärung noch weiter. Er verglich Gabriels Aufstand mit „den Idealen der amerikanischen Revolution – es ist wert, für den Gewinn der Freiheit das eigene Leben zu riskieren.“

Meine Fotos zeigen ein historisches Bild einer Sklavenauktion, ein typisches Plantagenhaus der Südstaaten, Reenactors, die mir heute als "Sklaven" an historischen Stätten begegnet sind, sowie historische Sklavenquartiere, die ich auf verschiedenen Plantagen in Virginia aufgenommen habe. Die Illustration eines Buches über „Stonewall“ Jacksons Sonntagsschule. Ferner den „Sklavenblock“ in Fredericksburg – an dieser Straßenecke fanden regelmäßig Auktionen statt. Die zum Verkauf angebotenen Menschen mußten auf diesen Block steigen und sich den Kaufinteressenten zeigen.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2017
Die kommende Ausgabe

 

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