Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit den Daltons in Coffeyville?
Wie war das mit den Daltons in Coffeyville?
: Am 5. Oktober 1892, vor 125 Jahren, spielte sich in der kleinen Stadt Coffeyville in Kansas eine der dramatischsten Episoden der ausgehenden Pionierzeit Amerikas ab.
An jenem Tag versuchte die Dalton-Bande, zwei Banken gleichzeitig auszurauben.
Die Dalton-Brüder Frank, Bill, Bob, Grat und Emmett waren Söhne des Farmerehepaars Lewis und Adeline Dalton, die zunächst im Indianerterritorium Oklahoma und später im südöstlichen Kansas lebten. Die bescheidene, kleine Farm wurde nach dem Tod von Lewis von Adeline Dalton bewirtschaftet.
Frank Dalton arbeitete als einer der legendären Deputy US Marshals unter Richter Charles I. Parker in Fort Smith und erwarb sich einen glänzenden Ruf. Am 27. November 1888 wurde er bei der Verfolgung von Pferdedieben erschossen.
Seine jüngeren Brüder Grat, Bob und Emmett traten zunächst in seine Fußstapfen als US Marshals. Schon bald aber wurden sie des gefährlichen und schlecht bezahlten Dienstes für das Gesetz überdrüssig. 1890 wurden sie dabei ertappt, wie sie Alkohol ins Indianergebiet schmuggelten und gestohlene Pferde verkauften. Ihre Laufbahn als Gesetzesvertreter war damit beendet, und es begann eine kurzlebige Karriere als Outlaws. Bob Dalton wurde Kopf der Bande, zu der seine Brüder Grat und Emmett, sowie später Bill Doolin, Dick Broadwell und Bill Powers gehörten.
Zwischen Mai 1891 und Juli 1892 überfielen die Daltons 4 Züge im Indian Territory. Vermutlich weil ihre Mutter eine Tante der berüchtigten Younger-Brüder war, sah Bob Dalton die James-Younger-Bande immer als eine Art Vorbild und plante, deren dubiosen Ruhm zu übertreffen. Seine waghalsige Überlegung war, die beiden Banken der Stadt Coffeyville in Kansas, die seiner Familie Kredite für die kleine Farm verweigert hatten, gleichzeitig auszurauben.
Am 5. Oktober 1892 ritten Bob, Grat und Emmett Dalton, sowie Dick Broadwell und Bill Powers über die Oklahoma-Grenze auf Coffeyvillle zu, eine Stadt mit für jene Zeit ansehnlichen 3.500 Bewohnern. Sie trugen falsche Bärte, da sie vielen Bürgern im Ort bekannt waren. Bis heute ist die Frage, ob auch Bill Doolin bei der Bande war, Gegenstand von Spekulationen. Angeblich hatte Bill Doolin sich gegen den wahnwitzigen Plan gestellt und kurz vor der Stadtgrenze behauptet, daß sein Pferd lahmte. Er blieb zurück und machte sich aus dem Staub.
Die Geschichte klingt zwar plausibel, aber ob Bill Doolin wirklich anwesend war, wurde nie bewiesen. Somit blieben noch fünf Banditen übrig, die in die Stadt ritten, ihre Pferde in einer Seitenstraße abstellten und sich zur „C. M. Condon Bank“ und zur „First National Bank“ begaben. Beide Geldinstitute lagen sich gegenüber.
Der Plan war im Grunde schon gescheitert, als die Banditen die Banken betraten. In der Condon-Bank behauptete der Kassierer, daß der Safe ein Zeitschloß habe, das sich erst in 3 Minuten öffnen lassen würde. Das war eine Lüge, aber sie führte zur entscheidenden Verzögerung, in der sich auf den Straßen die Nachricht vom Eindringen der merkwürdigen Männer in die Banken verbreitete. Die Bürger bewaffneten sich und brachten sich gegenüber den Gebäuden in Stellung. Als die Banditen die Banken schließlich mit einer Beute von etwa 20.000 Dollar verließen, liefen sie in einen Feuersturm.
Es begann eine Schießerei, die zu den dramatischsten Straßenkämpfen der gesamten Zeit des „Wilden Westens“ gehörte. Drei Bürger wurden von den Banditen niedergeschossen. Der Town-Marshal Charles Connelly verlor sein Leben. Schüsse peitschten aus jedem Hofeingang, aus Seitenstraßen, aus Fenstern. Die Banditen wurden zu Gehetzten. Wie Hasen bei einer Treibjagd flüchteten sie von der Hauptstraße durch kleine Gassen. Verzweifelt versuchten sie, ihre Pferde zu erreichen.
Zu den „Helden von Coffeyville“ gehörte an diesem Tag der deutschstämmige Mietstallbesitzer und Viehhändler John J. Kloehr, der kaltblütig Bob und Grat Dalton erschoß, obwohl er selbst von den Outlaws unter Feuer genommen wurde.
Ein Augenzeuge schrieb später, in Coffeyville habe sich „die blutigste Viertelstunde in der Geschichte der amerikanischen Frontier“ abgespielt.
Auch Bill Powers und Dick Broadwell starben im Kugelhagel der Bürger. Emmett Dalton wurde von einer Schrotladung aus dem Sattel gehoben, als er versuchte, seinen Bruder Grat zu retten. Wie durch ein Wunder überlebte er mit 23 Schußwunden. Als er in den Straßenstaub sank gellte eine Stimme: „They are all down!“ („Sie sind alle erledigt.“) Dann trat für kurze Zeit geisterhafte Stille ein, während dichte Pulverrauchschwaden durch die Straßen waberten, gefolgt von einem fast hysterischen Ausbruch lärmenden Triumphes. Die toten Banditen wurden zum städtischen Gefängnis geschleppt und auf dem hölzernen Vorbau ausgestellt.
Emmett Dalton wurde gesundgepflegt, zu lebenslanger Haft verurteilt und nach 14 Jahren im Zuchthaus begnadigt. Er zog nach Kalifornien, schrieb hier ein Buch über sein Leben als einer der letzten Banditen der Pionierzeit („When the Daltons Rode“), das später verfilmt wurde, wurde ein recht erfolgreicher Landmakler und Berater von Western-Filmen und starb 1937 im Alter von 66 Jahren. Er bezahlte schließlich den Grabstein auf der Ruhestätte seiner Brüder in Coffeyville.
Emmett Dalton bestritt in Interviews, daß der Überfall auf Coffeyville eine Art Racheakt für die Weigerung der örtlichen Banken gewesen war, die Farm von Adeline Dalton finanziell zu unterstützen. Er sagte stets, daß die Bande sich lediglich mit ausreichend Geld versorgen wollte, um längere Zeit untertauchen zu können, weil ihnen seit Monaten der bekannte Deputy US Marshal Heck Thomas auf den Fersen war und sie mehrfach fast gestellt hätte.
Bill Doolin gründete nach Coffeyville seine eigene Bande, der sich auch der letzte Dalton-Bruder, Bill, anschloß. Auch dieser Formation war nur eine kurze Karriere beschieden. Die Mitglieder landeten bis 1896 entweder alle im Gefängnis oder fielen den Kugeln von Marshals oder Wachleuten zum Opfer. Bill Doolin wurde von US Marshal Heck Thomas gestellt und erschossen.
Meine Fotos zeigen die vier toten Daltons auf dem Vorbau des Marshal Offices und das kleine Gebäude, wie es heute aussieht. Ferner die alte Condon Bank und das neue Gebäude der First National Bank am selben Platz. Ein weiteres Bild zeigt John Kloehr, "the hero of Coffeyville", mit seiner Winchester, sowie das Grab der Dalton-Brüder. Bei der Eisenstange handelt es sich um den Hitchrail, an dem die Banditen vor dem Überfall ihre Pferde angebunden hatten.
Desweiteren ein Foto von mir am Grab des Deputy US Marshals Heck Thomas in Lawton (Oklahoma), der die Daltons unermüdlich verfolgte und im August 1896 Bill Doolin erschoss.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de