Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit George Washington?
Wie war das mit George Washington?
: Am 14. Dezember 1799 starb der „Vater der Vereinigten Staaten“, George Washington, auf seiner Plantage Mount Vernon. Zwischen 1789 und 1797 amtierte er als erster Präsident der USA.
Hinter ihm lag ein Leben, wie es ereignisreicher kaum sein konnte. Geboren am 22. Februar 1732 auf einer kleinen Plantage in Virginia, hatte er kaum Aussicht auf ein großes Erbe. Er besuchte zunächst eine Schule in Fredericksburg und hatte später einen Hauslehrer. Als er 11 Jahre alt war, starb sein Vater. Sein ältester Bruder übernahm den Familienbesitz. Von brennendem Ehrgeiz erfüllt, suchte er als junger Mann seine Chance, Ansehen und Vermögen zu erwerben. Sein erstes und größtes Ziel war es, im britischen Militär Karriere zu machen. Erst als er erkennen mußte, daß britische Untertanen, die in den Kolonien geboren waren, als Staatsbürger minderen Ranges angesehen wurden, änderte sich sein Verhältnis zur englischen Krone.
Sein Wunsch, in die englische Marine einzutreten, wurde von seiner Mutter durchkreuzt. Stattdessen ging Washington bei einem Landvermesser in die Lehre – eine höchst profitable Tätigkeit in jener Zeit, als ein großer Teil der britischen Kolonien in Nordamerika noch unvermessen war. Er zeigte großes Talent in Mathematik und Geometrie. Schon früh erwarb der junge Mann für wenig Geld große Flächen unvermessenen Landes. Als Landbesitzer stieg sein sozialer Status. Schon mit 17 Jahren wurde er durch die Förderung seines Lehrherrn zum amtlichen Landvermesser des Culpeper County in Virginia ernannt.
Als Major der Miliz von Virginia wurde er mehrfach in die Regionen des heutigen Bundesstaates Pennsylvania geschickt, um zu verhindern, daß Frankreich in diesen Gebieten Besitzansprüche etablieren konnte. Als er 1754 eine französische Militärpatrouille aufbrachte, die von mit England verbündeten Indianern niedergemetzelt wurde, ohne daß Washington es verhindern konnte – wenn er es denn überhaupt verhindern wollte – löste er den „French & Indian War“ aus, der sich zum „Siebenjährigen Krieg“ entwickelte. Laut Winston Churchill, der „wahre 1. Weltkrieg“. Im Parlament von London sagte ein Abgeordneter: „Dieser junge virginische Milizoffizier hat die Welt in Brand gesetzt.“
Im „French & Indian War“ diente Washington als Major unter General Braddock. Nach dessen katastrophaler Niederlage gegen französische Truppen und indianische Krieger beim Marsch auf Fort Duquesne (später Pittsburgh) gelang es Washington, die überlebenden Truppen geordnet zurückzuziehen.
1759 heiratete er die wohlhabende Witwe Martha Custis und wurde damit Herr auf der großen Plantage Mount Vernon, wo er bis zu seinem Tode Tabak, Weizen und Mais anbaute und auch eine Whiskey-Brennerei betrieb, für die er einen schottischen Brenner anstellte. Es wurde zeitweilig die größte Whiskeybrennerei Nordamerikas mit einem jährlichen Ausstoß von 11.000 Gallonen. Unter seiner Führung vervierfachte sich der Landbesitz der Plantage
Washingtons Einstellung gegenüber der englischen Kolonialmacht änderte sich in diesen Jahren. Er mußte einsehen, daß Großbritannien die amerikanischen Kolonien nie gleichberechtigt behandeln würde. Als sich die revolutionäre Bewegung in Amerika formte, gehörte George Washington zu den führenden Personen und war Delegierter im ersten Continental Congress. 1775 wählte ihn die Versammlung zum Oberkommandierenden der Armee; denn trotz seiner eher marginalen Erfahrung, verfügte er über die größten militärischen Kenntnisse aller verfügbaren Milizoffiziere. Er führte die Continental Army bis 1783. Trotz mehrerer verlorener Schlachten und größter Schwierigkeiten mit seinen unausgebildeten Milizen, bewahrte er stoische Ruhe und strahlte Entschlossenheit und Zuversicht aus, obwohl die Briten an Material und Soldaten weit überlegen waren. Er teilte mit seinen Mannschaften die kargen Feldlager und hielt seine Armee auch in Zeiten größter Bedrängnis zusammen.
Nachdem Frankreich in den Unabhängigkeitskrieg eingriff und die Amerikaner unterstützte, wendete sich das Blatt. Mit dem preußischen Offizier Wilhelm von Steuben als Ausbilder stieg die Leistung der Continental Army. Frankreich schickte dringend benötigtes Kriegsmaterial und gut ausgebildete Truppen. 1781 gelang es Washington, die britische Armee bei Yorktown (Virginia) zur Kapitulation zu zwingen. Damit war der Unabhängigkeitskrieg beendet. Der Friedensvertrag, mit dem England die „Vereinigten Staaten von Amerika“ offiziell anerkannte, wurde 1783 in Paris unterschrieben. Danach reichte Washington am 23. Dezember 1783 vor dem in Annapolis (Maryland) tagenden Kongress seinen Abschied ein.
Zu dieser Zeit war er bereits ein Volksheld.
Nicht wenige Amerikaner waren bereit, ihn zum König des neuen Staates krönen zu lassen. Washington widerstand der Versuchung, zog sich nach Mount Vernon zurück und verkündete, kein öffentliches Amt mehr ausüben zu wollen. Aber sein Rat wurde gebraucht. Er hatte schon während des Krieges öffentliche Stellungnahmen zugunsten einer starken demokratischen Republik abgegeben. 1785 wurde er zum Vorsitzenden der ersten verfassungsgebenden Versammlung in Philadelphia (Pennsylvania) gewählt Wieder wollte er sich nach der Verabschiedung der Verfassung zurückziehen, aber die Delegierten wählten ihn 1789 ohne Gegenkandidaten zum ersten Präsidenten der USA. Zwar gehörte er keiner Partei an, stimmte aber weitgehend mit den Federalisten überein, plädierte für ein stehendes Heer und eine Nationalbank. Nach 4 Jahren wurde er wiedergewählt.
Am Ende seiner zweiten Amtszeit entschied er, nicht noch einmal zu kandidieren. Seinem Beispiel folgten seither alle Präsidenten, mit Ausnahme von Franklin D. Roosevelt, der 1940 ein drittes Mal zur Wahl antrat. (Eine gesetzliche Vorschrift, die eine weitere Amtszeit verbietet, gibt es nicht.)
Washington kehrte 1797 nach Mount Vernon zurück und betrieb jetzt wieder Landwirtschaft. Zu seinem Besitz gehörten etwa 100 schwarze Sklaven, die nach seinem Tod entsprechend seinem Testament in Freiheit gesetzt wurden. (Weitere 200 Sklaven gehörten seiner Frau, die diese mit in die Ehe gebracht hatte.)
Die meisten Portraits von Washington zeigen einen ernsten Mann mit scheinbar etwas geschwollenen Kiefern. Tatsächlich verlor Washington seit seinem 22. Lebensjahr seine Zähne. Die Herstellung von Zahnprothesen war in seiner Zeit noch schwierig. Häufig wurden Pferdegebisse, Hirschzähne oder Elfenbein als Grundlage herangezogen. Sein Leben lang hatte Washington Schwierigkeiten beim Essen und Trinken. Selten lächelte er, und er galt als äußerst wortkarg, weil er befürchten mußte, dass seine Prothese beim Reden herausrutschen würde.
Am 12. Dezember 1799 ritt Washington auf die Felder. Es war ein kalter Tag mit Schnee und Hagel. Als er zurückkehrte, weigerte er sich, seine nassen Kleider zu wechseln, um pünktlich zum Essen erscheinen zu können. Am Abend klagte er über Halsschmerzen und Heiserkeit.
Am nächsten Morgen hatte sich sein Zustand verschlechtert. Aus Alexandria reiste sein Hausarzt, Dr. James Craik, an. In jenen Tagen verfügte die Medizin über wenige Möglichkeiten einer effektiven Behandlung. Neben Kräutertee wurden Essigessenzen und Brechmittel gereicht. Ferner war der Aderlass eine probate Methode. Augenzeugen berichteten, daß Washington eine Unmenge Blut abgezapft wurde, was ihn zusätzlich schwächte.
Experten glauben heute, daß Washington sich eine Lungenentzündung zugezogen hatte, die durch die ärztliche Behandlung noch verschlimmert wurde. In der Nacht des 14. Dezember 1799 starb George Washington im Alter von 67 Jahren, umgeben von seiner Familie. (Dazu gehörten die Enkelkinder seiner Frau aus erster Ehe. Er hatte mit seiner Frau keine Kinder gezeugt, und die Kinder seiner Frau waren alle bereits verstorben.) Am 18. Dezember wurde er auf Mount Vernon beigesetzt.
Meine Fotos zeigen George Washington, das Haupthaus von Mount Vernon, die Kornmühle und die Whiskeybrennerei, und die Gruft, in der Washington mit seiner Frau beigesetzt wurde.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de