Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit den regelmäßigen Postkutschen?
Wie war das mit den regelmäßigen Postkutschen?
: Am 15. September 1857 ertönte erstmals der Ruf: „Vergeßt nicht, Jungs: Nichts auf Gottes Erde wird die Post der Vereinigten Staaten aufhalten!“
Dann knallten die Peitschen, und in St. Louis (Missouri) setzte sich eine Postkutsche in Bewegung, auf deren Seitentüren stand: BUTTERFIELD OVERLAND MAIL COMPANY U. S. MAIL. Genau das gleiche geschah um dieselbe Zeit in San Francisco.
Spätestens seit der Entdeckung des Goldes in Kalifornien wurden die Forderungen nach einer regelmäßigen, sicheren Verkehrsverbindung für Post, Waren und Personen vom Osten des Landes zur Westküste immer lauter und drängender.
Am 3. März 1857 verlangten Präsident James Buchanan und der Kongress vom Generalpostmeister Aaron Brown, daß er ein privates Unternehmen mit dem Transport der amerikanischen Post von St. Louis nach San Francisco beauftragen sollte.
Vor diesem Parlamentsbeschluß war die U. S. Mail per Schiff durch den Golf von Mexiko, auf dem Landweg über die Panama-Enge und dann wieder per Schiff nach Kalifornien befördert worden – ein umständlicher Weg, der mehrere Monate in Anspruch nahm. Das war vor allem für Geschäftsunternehmen, die mit den Wirtschaftszentren an der Ostküste verbunden waren, eine unmögliche Situation. Den Pony Express und die Telegrafenlinie gab es noch nicht.
Aaron Brown schrieb den Postdienst öffentlich aus und erhielt 9 Angebote von verschiedenen Transportunternehmen. Darunter auch von John W. Butterfield (1801-1869), einem erfahrenen Fuhrunternehmer, zu dessen Teilhabern auch William Fargo gehörte – Mitinhaber von Wells & Fargo. Zusammen mit ihnen hatte Butterfield auch die „American Express Company“ gegründet.
Brown war Südstaatler, daher wünschte er sich eine Postkutschenroute durch den südlichen Teil des Landes – genau das bot John Butterfield ihm an. Der Weg wurde als „Oxbow Route“ bekannt. Dieser Trail war fast 1.000 Kilometer länger als die „Zentral-Route“ via Denver (Colorado) und Salt Lake City (Utah), aber bei der Entscheidung spielte nicht nur die Vorliebe des Generalpostmeisters eine Rolle, sondern auch ein weitaus wichtigeres Argument – die Strecke war in der Regel schneefrei. Sie blieb auch im Winter offen.
Von St. Louis aus führte sie nach Memphis (Tennessee), dann nach Little Rock (Arkansas), weiter nach Texas, von El Paso aus westwärts durch Arizona bis Fort Yuma und von hier durch Kalifornien bis nach San Francisco. Sie war der erste transkontinentale Postweg.
John Butterfield verlangte von der Regierung eine jährliche Zahlung von 600.000 Dollar für die Postversorgung auf dieser Route. Er erhielt den Zuschlag. Es war der bedeutendste und finanziell größte Frachtvertrag, den die amerikanische Regierung bis dahin abgeschlossen hatte. Er sollte zunächst für 6 Jahre gelten.
Am 15. September 1857 verließ eine Kutsche St. Louis Richtung Süden. Am selben Tag startete eine Kutsche in San Francisco nach Osten. Beide Fuhrwerke erreichten jeweils nach 23 Tagen ihr Ziel. (Die Durchschnittsdauer für die Fahrt betrug später 25 Tage.) Sie transportierten Post und offiziell jeweils 6 Passagiere – tatsächlich quetschten sich manchmal mehr Fahrgäste in die schlecht gefederten Overland-Kutschen. Die Fahrt war eine Tortur. Es ging über Stock und Stein. Was damals als „Straße“ bezeichnet wurde, war über weite Strecken lediglich ein staubiger, steiniger Trail, der nur durch Wagenspuren gekennzeichnet war.
Die „Butterfield Overland“ fuhr zweimal wöchentlich. Neben der Unbequemlichkeit, war die mehr als 4.500 Kilometer lange Strecke für jeden Reisenden ein lebensgefährliches Risiko, da in bestimmten Landesteilen ständig mit Überfällen durch Banditen oder Indianer zu rechnen war.
Die Kutschen steuerten 139 Raststationen an, wo die Pferde gewechselt oder Reparaturen ausgeführt werden konnten. In der Regel waren die Stationen, je nach Beschaffenheit der Landschaft, zwischen 12 und 30 Meilen voneinander entfernt. Die meisten dieser Haltepunkte waren nur kleine, primitive Hütten, die nicht für die Versorgung der Passagiere eingerichtet waren. Nur in einigen größeren Stationen gab es Getränke und eine warme Mahlzeit. Ansonsten mußten die Reisenden selbst Proviant mitbringen. Übernachtungsstopps waren nicht eingeplant. Die Kutschen fuhren Tag und Nacht.
John Butterfield beschäftigte auf dem Höhepunkt des Unternehmens über 800 Angestellte, hatte ständig ca. 1.800 Pferde und unterhielt 250 Postkutschen. Wer sich als Passagier für die Fahrt von St. Louis nach San Francisco anmeldete – es waren überwiegend Geschäftsleute und Regierungsangestellte – mußte 200 Dollar für die Fahrkarte bezahlen (das waren nach heutiger Kaufkraft gut 6.000 Dollar.) Daneben transportierte Butterfield bei jeder Fahrt bis zu 12.000 Briefe.
Die Butterfield-Post arbeitete – von gelegentlichen Unterbrechungen durch Apachenkriege oder Banditenüberfälle abgesehen – mit großer Zuverlässigkeit. Aber ab 1860 wurde der Pony Express zu einer ernsthaften Konkurrenz, der nur Briefe beförderte und die wesentlich kürzere Zentralroute durch den Westen benutzte, so daß die Post lediglich 10 Tagen benötigte. Schnelligkeit war schon damals ein entscheidender Faktor.
Im März 1860 wurde John Butterfield aus seiner Firma verdrängt – er hatte sich bei seinen Partnern Wells und Fargo so sehr verschuldet, daß sie ihn zwangen, ihnen das Geschäft zu übertragen. Der Firmenname blieb allerdings erhalten.
Am 21. März 1861 fuhren die letzten Postkutschen über die Oxbow Route. Nur drei Wochen später brach der Amerikanische Bürgerkrieg aus, damit kam der Verkehr auf diesem Trail zum Erliegen. Angesichts des heraufziehenden Unheils hatte die US-Regierung vorsichtshalber den Postvertrag mit Butterfield gekündigt. Stattdessen wurde eine neue Postlinie nach Kalifornien eingerichtet, die diesmal über die Zentralroute ab St. Joseph verlief. Dieser Trail war nicht nur kürzer, er konnte auch nicht von den konföderierten Truppen gesperrt werden.
Die alte Butterfield Route verliert sich heute in einsamer Wildnis oder ist teilweise von Asphalt bedeckt. Von den Raststationen sind nur einige wenige in Kalifornien und Texas erhalten. Von den meisten existieren nur noch Ruinen, wie etwa am Apache Pass in Arizona, einem Brennpunkt der Indianerkriege im Südwesten. Aber viele Gedenktafeln weisen auf die erste amerikanische Ost-West-Landverbindung hin.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de