Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit John Gutzon de la Mothe Borglum?
Wie war das mit John Gutzon de la Mothe Borglum?
: Nachdem ich letzte Woche über das 77jährige Jubiläum von Mount Rushmore berichtet habe, möchte ich heute John Gutzon de la Mothe Borglum vorstellen, den Schöpfer des Monuments. Er wurde am 24. März 1867 in der kleinen Siedlung St. Charles am Bear Lake in Idaho geboren. Seine Eltern waren dänische Mormonen. Der Vater, Jens Borglum, war mit zwei Frauen (Schwestern) verheiratet. Gutzons Mutter war Christina, die jüngere der beiden. Als Gutzon 7 Jahre alt war,trennte sich die Familie von der Kirche der „Heiligen“ und zog mit den Kindern als Heimstättensiedler nach Nebraska. Der Vater war ein hochbegabter Holzschnitzer, der sein Talent offenbar an seinen Sohn vererbte. Jens Borglum ließ sich in Nebraska von Christina scheiden und zog nach St. Louis, wo er Medizin studierte und sich danach als Landarzt in Nebraska niederließ. Er konnte seinen Kindern eine College-Ausbildung finanzieren. Gutzon besuchte ein College in Kansas und wurde zunächst Maschinenbauer. 1881 zog er nach San Francisco, um Kunst zu studieren. Hier traf er seine erste Frau Elizabeth, die ebenfalls Kunst studiert hatte und seine Lehrerin wurde. Sie war 19 Jahre älter als er. 1890 gingen beide nach Frankreich, wo Borglum sich in Paris an der Académie Julian und an der Ècoledes Beaux Arts einschrieb. Bereits hier erregten sowohl seine Gemälde als auch seine Skulpturen Aufsehen. Ab 1896 lebte und arbeitete er für 5 Jahre in England, wo er sogar Aufträge des Königshauses erhielt.
Danach kehrten die Borglums in die USA zurück. 1901 eröffnete er ein Atelier in New York City. Die von ihm kreierte Gruppenskulptur „The Mares of Diomedes“ war die erste amerikanische Skulptur, die vom Metropolitan Museum of Arts in New York aufgekauft wurde. Borglum schuf Skulpturen und Portraitbüsten von führenden amerikanischen Politikern und Industriellen. Für die Cathedral Church of St. John the Devine in New York fertigte er eine Gruppe der 12 Apostel. 1908 ließen die Borglums sich scheiden.
Ein Jahr später heiratete er Mary Williams. Sie war Wissenschaftlerin, Expertin für Keilschriften und frühe Schriftformen des Nahen Ostens. Ihre Arbeit, die ihm u.a. die gigantischen Werke ägyptischer Baumeister nahe brachte, gab ihm offenbar die Anregungen für seine immer monumentaler werdenden Bildhauerarbeiten. Aus der Ehe gingen 3 Kinder hervor.
Trotz seines Erfolgs und der öffentlichen Anerkennung, war er unzufrieden. Seine Frau sagte später, daß die gigantischen Skulpturen des alten Ägypten seine Fantasie inspirierten. Die mächtigen Bildhauerarbeiten dieser Kultur brachten ihn zu der Überlegung, vergleichbare Werke zeitgenössischer Führungsgestalten zu schaffen. Möglichst in grandiosen Felslandschaften.
Seine erste Arbeit in größeren Dimensionen war ein Kopf Präsident Abraham Lincolns – den Borglum sehr verehrte – aus einem 6 Tonnen schweren Marmorblock. Das Werk wurde in der Rotunda des Capitols in Washington D.C. platziert.
Dieser Anblick inspirierte eine Gruppe wohlhabender Frauen aus den Südstaaten, von Borglum eine ähnliche Büste des konföderierten Generals Robert E. Lee schaffen zu lassen.
Der Auftrag löste bei Borglum eine völlig neue Überlegung aus. Anstelle eines Marmorkopfes, plante er eine gewaltige Figurengruppe, die im Relief in die Oberfläche einer glatten Felswand gemeißelt werden sollte – Lee und sein Stab, gefolgt von einer Soldatenkolonne. Als Ort der Verwirklichung wählte Borglum die steilen Wände von Stone Mountain in Decatur (Georgia), nicht weit von der Stadt Atlanta.
1916 begann er mit den Arbeiten. Mit Hilfe von Dynamit und mächtigen Presslufthämmern trug er schichtweise das Gestein ab. 1924 wurden die Umrisse des Kopfes von Robert E. Lee enthüllt.
Anhand dieser Arbeit offenbarte sich jedoch eine atemberaubende Zwiespältigkeit in Borglums Charakter. Einerseits war er ein leidenschaftlicher Anhänger Abraham Lincolns, der für Sklavenbefreiung und Menschenrechte stand und nach dem Borglum auch seinen Sohn benannte. Andererseits war er zeitweise unterstützendes Mitglied der Terrororganisation Ku-Klux-Klan. Zwar behauptete er später, nie etwas mit dem KKK zu tun gehabt zu haben, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Es gibt Briefwechsel mit dem „Hexen-Großmeister“ des Klans, und enge Bekannte bestätigten, daß er Mitglied war.
Offenbar waren Auseinandersetzungen wegen dieser dubiosen Mitgliedschaft der Grund dafür, daß Borglum 1924 mit seinen Auftraggebern und Sponsoren in Streit geriet. Borglum hatte sich ursprünglich einverstanden erklärt, Symbole des Ku Klux Klan am Stone Mountain – einem beliebten Zeremonialtreffpunkt des Klans – einzuarbeiten. Dazu kam es nicht. Man weiß heute, daß bereits Tonmodelle existierten, aber nichts davon ist noch vorhanden. Als er entlassen wurde, ließ sein Nachfolger sogar das bereits fertige Antlitz von Robert E. Lee mit Sandstrahlern aus dem Fels entfernen. Das heute vorhandene Stone Mountain Monument hat nichts mehr mit dem Plan und der Arbeit von Borglum zu tun. Immerhin hatte er hier entscheidende Erfahrungen bei der Bearbeitung von natürlichen Felsen erworben.
Zu dieser Zeit wurde Borglum bereits vom Staat South Dakota umworben, ein kolossales Monument in den Black Hills zu schaffen. Borglum brach mit seinen KKK-Verbindungen und verließ 1927 kurzerhand die Stone Mountain Region in Georgia. Er begann in South Dakota mit der Arbeit an dem Monument, das ihn unsterblich machen sollte – Mount Rushmore.
Die Auswahl der Präsidentenköpfe – Washington, Jefferson, Lincoln und Th. Roosevelt – war allein seine Entscheidung. Er hatte gute Gründe dafür. Ab 1929 wurden die Arbeiten von der amerikanischen Regierung finanziert, die die Notwendigkeit einer nationalen Ehrenstätte sah.
Borglum war die ideale Wahl für dieses Projekt. Er hatte nicht nur das Talent, sondern inzwischen auch das technische Wissen, um diese äußerst diffizile und aufwändige Arbeit zu bewältigen. Mehr noch – Borglum erfand neue Arbeitsmethoden, um die bildhauerischen Arbeiten am blanken Fels durchzuführen. Schon 1930 wurde der Kopf George Washingtons enthüllt. 1936 war das Gesicht von Thomas Jefferson fertig. Abraham Lincoln folgte 1937, und Theodore Roosevelts Kopf war 1939 fertiggestellt.
Als Mount Rushmore am 31. Oktober 1941 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, lebte Gutzon Borglum bereits nicht mehr – er war am 6. März des Jahres gestorben. Aber er hatte seinen Sohn Lincoln Borglum in die Bildhauerei und die Technik der Schaffung von Monumentalskulpturen eingeweiht. Lincoln Borglum führte die noch unvollendeten Feinheiten durch. Er schuf auch eine überlebensgroße Büste seines Vaters, die heute unterhalb des Monuments auf dem Weg zur Aussichts-Terrasse aufgestellt ist.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de