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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie ist das mit dem Weidekrieg 1878 in Nebraska?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Weidekrieg 1878 in Nebraska?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 13. Dezember 1878 kam es in Nebraska zum Höhepunkt eines „Weidekrieges“. Dessen Hauptfigur war ein Mann, der noch heute als Personifizierung von Faustrecht und Gewalt gilt: Isom Prentice „Print“ Olive.

Olive war 1840 als eines von 7 Kindern einer bettelarmen Familie in Missouri geboren worden. 1843 zogen die Olives in die junge Republik Texas, wo es kostenloses Land gab. Sie eröffneten einen Handelsposten und begannen in den benachbarten Dornbuschgebieten verwilderte Longhorn-Rinder einzufangen, die den frühen spanischen Siedlern entlaufen waren und sich vermehrt hatten. Auf diese Weise entstand eine stattliche Herde von mehreren tausend Tieren.

1861 meldete sich Print zur konföderierten Armee und diente u. a. in der Texas-Infanterie. Am 4. Juli 1863 geriet er nach Einnahme der Stadt Vicksburg durch General U. S. Grant in Gefangenschaft, wurde auf Ehrenwort entlassen und kehrte auf die elterliche Ranch zurück.

Olive entsprach nicht dem Klischeebild eines „Western-Helden“. Er war eher klein und schmächtig, aber er handelte stets mit großer Energie und Entschlossenheit. Nachdem er die Leitung der Familienranch übernommen hatte, führte er einen gnadenlosen Kampf gegen Viehdiebe; dabei folgte er dem Prinzip, seine Probleme allein, ohne die Hilfe von Behörden, mit dem Colt in der Faust zu lösen.

1869 trieb er mit einer Mannschaft eisenharter Cowboys eine Herde von 800 Rindern von Texas bis Fort Kearny in Nebraska und verkaufte sie hier für 15.000 Dollar – das war ein Vermögen in diesen Jahren. 1872 gehörte er zu den reichsten Ranchern von Texas. Sein engster Vertrauter in jener Zeit wurde – erstaunlich für einen ehemaligen Südstaaten-Soldaten – der riesige schwarze Cowboy Jim Kelly, der Olive bei allen Kämpfen den Rücken deckte und zum Vormann der Ranch aufstieg.

In Fort Kearny erhielt Olive erstmals einen Eindruck von den wogenden Prärien Nebraskas. Hier faßte er den Entschluß, aus Texas fortzugehen, wo er nur wenig Freunde hatte. Dazu trug sein stets gewaltbereites Benehmen bei. Er war in mehrere Schießereien verwickelt, war ein leidenschaftlicher Spieler und Trinker, der in den Saloons und Spielhallen häufig auf Streit aus war.

Mehr und mehr Heimstättensiedler drangen in das ehemalige Ranchland ein. Für Männer wie Olive, die die texanische Grassteppe einst als ihre uneingeschränkte Domäne angesehen hatten, wurde die Luft dünner.

1875 nahm die Zahl der Rinderdiebstähle in Texas dramatisch zu. Die Rancher schlugen hart zurück. Die Olive-Brüder wurden mehrfach vor dem County-Gericht wegen Selbstjustiz angeklagt, ohne dass es zu Verurteilungen kam. Der "Austin Statesman" schrieb am 1. September 1876: "In diesem Jahr sind mehr Männer im Zusammenhang mit Viehdiebstählen in Texas umgekommen als im Krieg."

Einige davon gingen auf das Konto der Olive-Familie. Schon 1875 hatten Print und Jay Olive drei Rinderdiebe niedergeschossen. Im Frühjahr 1876 wurden die Leichen der beiden Siedler Turk Turner und James Crow mit Kopfschüssen und in frische Rinderhäute eingenäht im Weideland gefunden. Die Häute trugen das Brandzeichen der Olive-Ranch.

Wenig später erschoss Robert Olive einen Mann namens Lawson Kelly. Am 1. August 1876 griffen 20 Männer unter Führung des steckbrieflich gesuchten Cal Nutt, bekannt als die "Yegua-Gang" und als Viehdiebe berüchtigt, die Olive-Ranch an und setzten sie in Brand. Print Olive und mehrere Cowboys wurden verwundet, der 33jährige Jay Olive kam ums Leben.

Print Olive hatte mehrere der Angreifer erkannt und sann auf Rache: Binnen weniger Wochen wurden drei Nutt-Männer von Olive-Cowboys getötet. Im Dezember 1876 spürte Robert Olive Cal Nut in Austin auf und schoss ihm drei Kugeln in den Leib. Alle Gerichtsverfahren, die daraufhin gegen die Olives folgten, wurden niedergeschlagen.

Gleichwohl war Print Olive das Leben in Texas verleidet. Was nun folgte war ein Unternehmen, das einzigartig in der Pioniergeschichte war und genügt hätte, ihm einen Platz in den Annalen des amerikanischen Westens zu sichern: Mit seiner gesamten Viehzucht siedelte er nach Nebraska über. 15.000 Rinder und eine riesige Pferdeherde bildeten die Spitze. Ein langer Planwagentreck mit sämtlicher beweglicher Habe der Familie folgte. Durch Staub und Regen, Sturm und Hitze bewegte sich diese einmalige Karawane durch Texas, Oklahoma und Kansas, bis nach Nebraska. Hier, im Custer County, wollte Print Olive ein zweites Rinderreich bauen.

Es war eine irreale Vision. Die Zeit der „Rinderbarone“ ging zur Neige. Das Heimstättengesetz zur Förderung kleiner Landbesitzer hatte den „Cattle Kingdoms“ auf den Prärien längst ein Ende bereitet. Mit den „Schollenbrechern“, wie Olive sie bezeichnete, waren auch die Tage der Selbstjustiz und des Faustrechts vorbei.

Die neue Olive-Ranch entstand 40 Meilen nördlich vom Platte-Fluss. Es dauerte nicht lange, da wurden die Olives von den Problemen, die sie in Texas zurückgelassen hatten, eingeholt: Diebstähle zehrten am Viehbestand. Im August 1878 zündeten Rustlers die Olive-Weiden an.

Im November 1878 entdeckte Bob Olive im Corral eines Viehhändlers in Kearny 70 Olive-Rinder. Der Kaufvertrag, den der Händler vorweisen konnte, trug die gefälschte Unterschrift Print Olives. Die Rinder waren von einem Siedler namens Ami Ketchum verkauft worden.

Da Print Olive sich auf Geschäftsreise befand, kontaktierte Bob Olive den County Sheriff. Gegen Bob gab es in Texas einen Haftbefehl wegen Mordes. Er nannte sich daher in Nebraska „Bob Stevens“, was der Sheriff nicht wußte. Er ernannte Robert zum Deputy, stellte ein Aufgebot aus Olive-Cowboys zusammen und umzingelte am 27. November 1878 die Ketchum-Farm.

Die Ketchums eröffneten sofort das Feuer. Bob Olive wurde getötet, weitere Mitglieder des Aufgebots verletzt. Ketchum und Mitchell flüchteten. Sie wurden wenig später in Loup City festgenommen.

Print Olive war inzwischen heimgekehrt. Er war entschlossen, die Bestrafung der Mörder seines Bruders selbst zu übernehmen. Er zahlte den beiden Deputy Sheriffs Gillian und DuFran 700 Dollar dafür, dass sie Ketchum und Mitchell bei der Überführung ins County Jail an ihn übergaben.

Am 13. Dezember stoppte Print Olive mit mehreren Cowboys den Gefangenentransport, übernahm die beiden Mörder und ließ sie am nächsten Baum aufhängen. Kurz danach wurden die Leichen von Ketchum und Mitchell in verbranntem, grauenhaft entstelltem Zustand aufgefunden.

Print Olive behauptete stets, die Tat sei erst begangen worden, nachdem er bereits mit seinen Leuten abgezogen war. 1942 nannte die Zeitung "Custer County Chief" die Namen der beiden Olive-Cowboys Baldwin und Green als Täter. Olive hatte beiden den Auftrag gegeben, die Leichen zu begraben. Sie hatten die Toten kurzerhand in Brand gesteckt.

Für die Öffentlichkeit stand jedoch fest, dass Print Olive die Tat begangen haben mußte. Unter den Heimstättensiedlern Nebraskas erhob sich ein Proteststurm gegen den selbstherrlichen Rancher.

Am 17. April 1879 wurden er und sein Cowboy Frederick Fisher wegen Totschlags zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt. Der Gouverneur musste Truppen aufbieten, um das Gericht und die Angeklagten vor einem Lynchmob zu schützen. Aber Olive engagierte die besten Anwälte und erreichte eine Wiederaufnahme des Verfahrens.

Am 17. Dezember 1880, vor 138 Jahren, wurde er freigesprochen. Aber fast sein ganzes Vermögen war durch den Prozess aufgezehrt worden. Im gesamten Nordwesten war er als "Menschenbrenner von Nebraska" verfemt.

Olive verkaufte seine Ranch für 60.000 Dollar – weit unter Wert –, ging nach Kansas und begann ein neues Leben als Viehhändler und Makler. Seine wirtschaftliche Situation besserte sich. 1884 beteiligte er sich am Aufbau von Trail City, einem Viehhandelszentrums an der Colorado-Kansas-Grenze. Er gründete hier einen Mietstall und einen Saloon. Schon 1883 wurde er in das Direktorium der Viehzüchtervereinigung des westlichen und zentralen Kansas gewählt. Aber auch im dunklen Anzug des Geschäftsmannes war Olive der alte Pionierrancher geblieben, der seinen eigenen Regeln folgte.

Im März 1885 traf er in Dodge City den früheren Ranchhelfer Joe Sparrow, der nach einem harten Winter Geldsorgen hatte. Er hatte mit einer Cowboymannschaft eine Herde im Sturm verloren. Print Olive begleitete Sparrow zu einer Bank und sorgte dafür, daß er einen Kredit von 100 $ erhielt.

Zwar zahlte Sparrow die Summe zurück, blieb aber die Bankgebühren und Zinsen in Höhe von 10 Dollar schuldig. Print Olive mußte dafür geradestehen und fühlte sich von Sparrow betrogen.

Im August 1886, Print Olive war auf dem Weg nach Dodge, stellte er Sparrow in Trail City zur Rede. Sparrow behauptete, keinen Cent Bargeld zu besitzen.

Am nächsten Morgen, dem 16. August 1886, begab Olive sich zur Bahnstation. Auf dem Weg betrat er seinen eigenen „Longhorn Saloon“, um noch einen Whisky zu trinken. Er war waffenlos.

An der Theke stand Joe Sparrows. Er drehte sich mit einem Revolver in der Hand um und schoss sofort. Print Olive starb auf der Schwelle des Schankraums – wegen eines unbeglichenen Schuldscheins über 10 $.

Sparrow wurde des Mordes angeklagt, aber in dritter Instanz 1888 in Pueblo, Colorado, freigesprochen. Er starb 1924 im mexikanischen Tampico. Der Ort Trail City existiert heute nicht mehr.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

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