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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der »Schlacht von Cimarron«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der »Schlacht von Cimarron«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Vor einigen Tagen habe ich ein seltenes Filmdokument von und über einen der markantesten Gesetzesvertreter der amerikanischen Pionierzeit, Bill Tilghman, vorgestellt. Tilghman war am 12. Januar 1889, in eine denkwürdige Schießerei in Kansas verwickelt, die später in den Chroniken des Staates als „Schlacht von Cimarron“ dargestellt wurde. (Das gehörte zu den üblichen Übertreibungen jener Tage.) Typisch für die Zeit des ausklingenden „Wilden Westens“.

Der Kampf gehörte zum sogenannten „Gray County War“, der zwischen den Nachbargemeinden Cimarron und Ingalls in Kansas tobte. Es ging darum, welche Stadt Sitz der County-Regierung werden sollte. (Bei uns vergleichbar mit einer Kreishauptstadt.)

Da es häufiger zu solchen Auseinandersetzungen kam, ist es durchaus gerechtfertigt, sie sich im Zusammenhang mit der Besiedelung des Westens etwas genauer anzuschauen. Nicht alle gingen so dramatisch aus wie der Konflikt im Gray County.

Der Status eines Bezirkshauptstadt war im 19. Jahrhundert in den dünnbesiedelten westlichen Gebieten der USA häufig entscheidend dafür, ob der Ort überhaupt eine Überlebenschance hatte.

Stadtgründungen fanden in der Regel rings um Handelsposten, Postkutschenstationen, Militärposten, an Flußmündungen oder unweit von Eisenbahnlinien oder Wagentrails statt. In jedem Fall waren es Plätze, an denen sich Transport- und Verkehrswege kreuzten.

Wenn derartige Wege sich aus wirtschaftlichen Gründen verlagerten, starben manche Siedlungen ab oder führten danach ein ziemlich kümmerliches Dasein.

Die Entscheidung, welcher Ort als Verwaltungssitz eines Regierungsbezirks fungieren sollte, hing von der Verkehrslage, der wirtschaftlichen Bedeutung und der Bevölkerungszahl ab. Wer diese Auswahl verlor, hatte im Grunde seine Zukunft verloren.

So war es mit den Städten Cimarron und Ingalls in Kansas. Cimarron war die Bezirkshauptstadt des Gray County. Als die Bevölkerungszahl wuchs, wurde eine Abstimmung angesetzt, wo die Verwaltung künftig ihren Sitz haben sollte. Die Stadt Ingalls trug den Sieg davon.

Sofort erhoben sich Vorwürfe, daß die Wahl manipuliert worden sei. Schließlich wurde das Oberste Gericht von Kansas eingeschaltet. Noch bevor es hier zu einer Entscheidung kam, war ein Mann namens Newt Watson aus Ingalls zum „County Clerk“ ernannt worden (bei uns heute ein „Landrat“). Er ordnete sofort an, daß sämtliche amtlichen Akten des Bezirks aus dem Gerichtshaus von Cimarron an ihn überstellt werden müßten. Die Bürger von Cimarron dachten gar nicht daran, diese Forderung zu erfüllen.

Daraufhin stellte Watson eine Kommandogruppe auf. Angeführt wurde das Aufgebot von Bill Tilghman (ehemals Marshal von Dodge City und Sheriff des Ford County). Ihm zur Seite stand Jim Masterson (Bruder des berühmten Bat Masterson, Marshal von Dodge City und Deputy Sheriff), Neal Brown (ehemals Sheriff des Ford County), sowie einige andere bekannte Gesetzeshüter. Tilghman vereidigte sie als Deputies, nachdem er selbst zum temporären Sheriff des Gray County ernannt worden war.

Das Aufgebot traf am Morgen des 12. Januar 1889 mit einem Wagen in Cimarron ein, hielt vor dem Gericht an, besetzte sofort die Büros und räumte sämtliche Akten aus Regalen und Schränken.

Der Wagen war schon beladen, als mehrere Männer aus Cimarron bewaffnet zum Gegenangriff übergingen.

Bill Tilghman wurde von der ersten Salve ins Bein getroffen. Zwei seiner Deputies wurden schwer verletzt. Auch den Kutscher des Wagens traf eine Kugel. Er war jedoch imstande, das Gespann anzutreiben und das Fuhrwerk mit den Akten und den Verwundeten aus der Stadt zu fahren.

Im Gerichtsgebäude verschanzten sich Jim Masterson und der Rest des Aufgebots. Als die Männer von Cimarron das Gebäude stürmen wollten, wurden sie von den erfahrenen Kämpfern zurückgeschlagen.

James "Jim" Masterson stammte, wie sein berühmter Bruder Bat, aus Kanada. 1855 in Quebec geboren, zog die Familie nach Wichita (Kansas). Jim war zunächst Büffeljäger wie Bat und eröffnete später in Dodge City einen Saloon. Als sein Bruder Ed als Deputy Sheriff erschossen wurde, ernannte Bat Masterson, der zu dieser Zeit Sheriff des Ford County war, Jim zum Stellvertreter. 1878 wurde Jim Masterson Assistant Marshal von Dodge City und damit Kollege von Wyatt Earp und Charlie Bassett. Ein Jahr später stieg er zum Polzeichef der Stadt auf.

Dieses Amt war häufig eng mit dem Bürgermeister der Stadt verbunden, so daß Jim Masterson nach der Wahl eines neuen Mayors entlassen wurde. Er ging nach Colorado und diente hier in Trinidad als Deputy Marshal und Constable. 1885 war er Under Sheriff im Colfax County (New Mexico).

Nach dem Kampf in Cimarron zog es ihn nach Oklahoma, wo er Sheriff im Logan County wurde. 1893 wurde er zum Deputy US Marshal ernannt. Er war an der Schießerei mit der Doolin Gang in Ingalls beteiligt. Am 31. März 1895 starb Jim Masterson an Lungenschwindsucht.

Die Cimarron-Männer gaben nicht auf. Sie stellten Leitern an die Mauern, um die Fenster im ersten Stock zu erreichen. Masterson ließ die Leitern umstoßen.

Der Kampf dauerte 6 Stunden. Dann traf ein Telegramm aus Dodge City ein. Der Absender war niemand anderes als Bat Masterson, der drohte, mit einem weiteren Aufgebot zu kommen, „stark genug, um die Stadt Cimarron vom Angesicht der Erde von Kansas zu vertilgen“, wenn sein Bruder und die anderen Deputies nicht abziehen könnten.

Bat Masterson war bekannt dafür, daß er tat, was er ankündigte. Die Drohung wirkte. Mehr noch, Jim Masterson und seine verbliebenen Leute konnten die Männer von Cimarron entwaffen und festnehmen.

Überraschenderweise war bei der wilden Schießerei nur 1 Bürger der Stadt ums Leben gekommen. 3 Männer waren verwundet worden. Bill Tilghmans Aufgebot hatte 4 Verwundete.

Die Gemeinde erhob Mordanklage gegen das Aufgebot, die aber erfolglos blieb. Der Kampf um den endgültigen Verwaltungssitz endete jedoch nicht vor 1893 – und diesen Kampf gewann Cimarron. Im Februar 1893 wurde beschlossen, das Cimarron Hauptstadt des Gray County bleiben sollte. Sie ist es noch heute.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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