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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit William T. Sherman?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit William T. Sherman?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 8. Februar 1820  wurde einer der bekanntesten, fähigsten, aber sicher auch sehr umstrittenen Generäle der amerikanischen Geschichte geboren – William T. Sherman.

Der Welt in Erinnerung geblieben ist er vor allem durch eines der entscheidenden Unternehmen des Amerikanischen Bürgerkrieges, durch den „Marsch zur See“ oder auch „Marsch durch Georgia“.

Sherman gilt heute bei vielen als herzlose, schroffe Persönlichkeit, dem menschliche Rücksichten fremd waren und der Leid und Elend seiner Gegner mit Kälte begegnete. Er hat einiges dazu beigetragen, dass dieses Bild entstanden ist. Aber diese Stereotypen werden seiner komplexen Persönlichkeit nicht gerecht. In der Tat konnte er eine geradezu unmenschliche Härte an den Tag legen, aber er war durchaus zu mitfühlenden Handlungen fähig und souverän genug, Fehlentscheidungen zu korrigieren.

Dieser Mann, der während einer Schlacht rücksichtslose militärische Maßnahmen sanktionierte, sagte am 11. April 1880 in einer Rede: „Es gibt hier heute viele junge Männer, die einen Krieg als pracht- und ruhmvoll ansehen – aber Jungs, es ist die Hölle.“ Daraus entstand das geflügelte Wort: „Krieg ist die Hölle!“

Facebook ist keine Plattform, die vielfältigen Schattierungen von Shermans Leben, Wirken und Charakter auszuleuchten. Dafür wäre ein längerer Text nötig. Also stellen die folgenden Zeilen nur eine sehr kurze biographische Skizze dar, die einfach sein Geburtsdatum als Basis haben.

Er wurde in Lancaster (Ohio) geboren. Seine Familie war wohlhabend und einflußreich – bis sein Vater, Jurist am Obersten Gericht von Ohio, unerwartet starb und der Familie – seiner Witwe mit 11 Kindern – so gut wie nichts hinterließ. William wurde von einem Freund der Shermans, Senator Thomas Ewing aufgezogen, der ihm mit 16 Jahren einen Platz an der damaligen Eliteschule der USA, der Offiziersakademie West Point, verschaffte, die er 1840 mit sehr guten Leistungen abschloß. Er selbst beschrieb sich allerdings nicht als guten Soldaten. Einer der Kadetten seines Jahrgangs, der spätere General William S. Rosecrans, stufte ihn jedoch als „einen der intelligentesten“ Mitschüler ein. Nach seiner Graduierung diente er als 2nd Lieutenant der 3. US-Artillerie im zweiten Seminolenkrieg in Florida. Während des mexikanischen Krieges (1846-48) wurde er nach Kalifornien versetzt. Obwohl mit dem Brevetrang eines Captains versehen, war er frustriert, dass er nicht in der Invasionsarmee dienen konnte, die nach Mexico City einmarschierte.

1850 heiratete Sherman seine Stiefschwester, Eleanor Boyle Ewing; aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor.

1853 unterbrach er seine hoffnungsvolle militärische Laufbahn, und wurde Bankmanager in San Francisco. In den folgenden Jahren zeigte sich, dass Sherman für die Privatwirtschaft ungeeignet war. Er litt unter stressbedingtem Asthma und Depressionen – ein Beleg dafür, dass er sensibler war als sein äußerer Habitus vermuten ließ. Er selbst sagte, dass er keine Probleme gehabt habe, 100.000 Soldaten in eine Schlacht zu führen, aber dass er Angstzustände vor Entscheidungen „im Sumpf von San Francisco“ hatte. 1858 verließ er die verhaßte Bank-Branche und versuchte sich als Anwalt in Leavenworth (Kansas), ohne großen Erfolg. So akzeptierte er 1859 eine Anstellung als Superintendent einer staatlichen Akademie in Louisiana (heute die Louisiana State University). Ein Bruder des verstorbenen US-Präsidenten Zachary Taylor urteilte, dass es keinen Mann gab, der „in bewundernswerter Weise und unter allen möglichen Aspekten besser geeignet für diesen Posten war als Sherman.“

Als sich die Nachricht vom Austritt mehrerer Südstaaten aus der Union verbreitete, brach Sherman in Tränen aus, wie ein Professor seiner Akademie berichtete. Sherman hatte gewisse Sympathien mit der Agrargesellschaft des Südens, aber er lehnte die Sezession mit ganzem Herzen ab. Zeugen der Szene berichteten, dass er ausrief: „Ihr Südstaatler wißt nicht, was ihr tut. Dieses Land wird im Blut versinken. Es ist … ein Verbrechen gegen die Zivilisation! Ihr sprecht leichthin von Krieg. Ihr wißt nicht, was Ihr sagt. Krieg ist eine entsetzliche Sache. Und ihr mißversteht die Menschen im Norden. Sie sind friedliebend, aber sie sind entschlossen. Sie werden es nicht zulassen, dass dieses Land zerstört wird. … Wo sind Eure Männer und Eure Kriegsmittel, dagegenzuhalten? Der Norden hat die Dampfkraft, die Lokomotiven, die Eisenbahn. Ihr seid kaum imstande, einen Yard Stoff zu weben oder ein Paar Schuhe herzustellen. Ihr rennt in einen Krieg mit einem der mächtigsten, erfindungsreichsten, mechanisiertesten und entschlossensten Völker auf Erden. Ihr werdet stürzen. Nur in Eurem Geist und Eurer Entschlossenheit seid ihr bereit zum Krieg. Ansonsten seid Ihr total unvorbereitet. … Ihr mögt am Anfang Erfolg haben, aber Eure begrenzten Ressourcen werden verloren gehen. Da ihr von den europäischen Märkten abgeschnitten werdet, wird Eure Sache stetig schwächer werden.“

Geradezu prophetische Worte.

Sherman kehrte in den Militärdienst zurück, obwohl er an seinen Bruder, Senator John Sherman, schrieb: „Es wird ein langer, ein sehr langer Krieg werden. Viel länger als die Politiker denken.“ Er nahm 1861 an der ersten Schlacht von Bull Run teil. Danach wurde er nach Kentucky an die westliche Front versetzt. Hier erlitt er einen völligen mentalen Zusammenbruch und versank erneut in tiefe Depressionen. Er war zu diesem Zeitpunkt sicher, dass die Vereinigten Staaten zerbrechen würden. Nach einer Erholungsphase trat er in den Stab von Ulysses S. Grant ein, mit dem ihn bald eine Art Freundschaft verband, zumindest hoher gegenseitiger Respekt. Er war 1862 an dem Feldzug beteiligt, der zur Kapitulation der konföderierten Forts Henry und Donelson führte, ebenso an der Schlacht von Shiloh, und schließlich an der Belagerung und dem Fall von Vicksburg, der bedeutenden Festung der Südstaaten am Mississippi, sowie an der großen Chattanooga-Kampagne. Nach Vicksburg hatte Grant die Militärdivision des Mississippi übernommen. Sherman wurde Kommandant der Tennessee-Armee.

Im Frühjahr 1864 ernannte Präsident Lincoln Grant zum Oberkommandierenden der US-Streitkräfte. Grant berief Sherman daraufhin als seinen Nachfolger an die Spitze der Mississippi-Division.

Sherman begann seinen Feldzug nach Atlanta. Er nahm die Südstaatenmetropole am 2. September 1864 ein und ließ sie niederbrennen. Im November begann er mit über 60.000 Mann seinen „Marsch zur See“, ein spektakuläres und hochriskantes Unternehmen, das weniger als „Feldzug“ bezeichnet werden kann, sondern als ein Vernichtungsmarsch. Es ging Sherman darum, die Infrastruktur der Südstaaten nachhaltig zu zerstören, um Moral und Kampfeswillen der Konföderation zu brechen. Seine Strategie der „verbrannten Erde“ erwies sich als erfolgreich Seine Armee hinterließ eine Schneise der Zerstörung mit Schäden von mindestens 100 Millionen Dollar (nach heutiger Kaufkraft wohl rund 3,5 Milliarden Dollar). Sherman nannte es den „harten Krieg“, heutige Historiker sprechen vom „totalen Krieg“. Am 21. Dezember 1864 nahm er die wichtige Hafenstadt Savannah ein.

In der Öffentlichkeit wurde Sherman als der erfolgreichste General der Unionsarmee gefeiert. Es erhoben sich Stimmen, ihn an Grants Stelle zu setzen. Sherman beantwortete solche Forderungen in der ihm eigenen Weise: „General Grant ist ein großartiger General. Er hat zu mir gestanden, als ich verrückt war, und ich habe zu ihm gestanden, als er betrunken war. Und jetzt stehen wir beide nebeneinander, und zwar immer.“

Im April 1865 zwang er die konföderierten Truppen von Carolina, Georgia und Florida zur Kapitulation. Entgegen seinem Ruf, waren die von ihm gestellten Übergabebedingungen so mild, dass das Kriegsministerium in Washington von U. S. Grant forderte, sie nachträglich zu verschärfen.

Am 25. Juli 1866 schuf der amerikanische Kongress für Grant – den Sieger des Krieges – den neuen Rang „General of the Army“. Sherman erhielt zugleich den Rang eines Generalleutnants. Als Grant 1869 zum Präsidenten gewählt wurde, ernannte er Sherman zum „Kommandierenden General der US Armee“. Sherman blieb bis 1883 auf diesem Posten, dann zog er sich zugunsten General Phil Sheridans zurück.

Im Mai 1865, als die Kriegshandlungen vorbei waren, schrieb Sherman in einem persönlichen Brief: „Ich gebe ohne Scham zu, dass ich krank und müde des Kämpfens bin. Der Ruhm ist nur hohler Schein, und der brillanteste Erfolg beruht auf Toten und verstümmelten Leichen, auf der Qual und den Leiden der Familien, die um ihre Söhne, Männer und Väter klagen.“

In seiner Zeit als Oberkommandierender fanden die meisten entscheidenden Feldzüge gegen die Indianervölker im Westen statt. Trotz seiner häufig gnadenlosen, von scheinbarer Menschenverachtung geprägten Sprache, war Sherman an zahlreichen Friedenskommissionen beteiligt, die Verträge mit den Indianervölkern aushandelten, beispielsweise am Fort-Laramie-Vertrag von 1868 nach Red Clouds Krieg, ebenso am Vertrag von Medicine Lodge. Und es war Sherman, der den seit 10 Jahren in der Verbannung auf einer grauenvollen Reservation am Bosque Redondo in New Mexico lebenden Navajo die Rückkehr in ihre Heimat in Arizona ermöglichte. Er hatte bei einer Inspektion der Reservation die Lebensverhältnisse hier als unerträglich eingestuft.

Er war fraglos ein furchtbarer militärischer Gegner, aber wenn er sein Ziel erreicht hatte, zeigte er gegenüber den Besiegten durchaus Nachsicht. Der bedeutende englische Militärhistoriker Liddell Hart nannte Sherman „den bedeutendsten Strategen in den Annalen des Krieges.“

Mehrfach wurde er aufgefordert, in die Politik zu gehen und nach Grant als Präsident der USA zu kandidieren – das lehnte er kategorisch ab. Sherman starb am 14. Februar 1891 in New York an einer Lungenentzündung.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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