Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Johnny Fry?
: Als er starb war er gerade 23 Jahre alt, aber er hatte ein Leben hinter sich, das einem alten Mann zur Ehre gereicht hätte. Sein Leben war voller Dramatik – und dramatisch war auch sein Tod: Am 6. Oktober 1863 starb in einem heftigen Kampf JOHNNY FRY. Er war der erste Reiter des legendären PONY EXPRESS.
Als sich am 3. April 1860 die Torflügel der Ställe von „Russell, Majors & Waddell“ in St. Joseph öffneten und unter dem Jubel von Hunderten von Zuschauern und dem Klang von Blaskapellen ein kleiner, sehniger Reiter auf einem drahtigen Pferd zum Missouri-Ufer sprengte, von einer Fähre übergesetzt wurde und im gestreckten Galopp in den Ebenen von Kansas Richtung Westen verschwand, begann eines der größten Abenteuer der amerikanischen Pionierzeit.
Eine permanente und schnelle Nachrichtenverbindung zwischen Ost und West war seit der Entdeckung des Goldes und der Staatsgründung Kaliforniens eine essentielle Notwendigkeit. Eine Reise in der Postkutsche durch den Kontinent dauerte Wochen, eine Fahrt per Schiff um Südamerika bis San Francisco dauerte Monate.
Der Pony Express war eine unternehmerische Pionierleistung. Wichtige Post wurde innerhalb 10 Tagen per Reiterstafette von St. Joseph nach San Franciso und zurück befördert. Weder die extremen Klimaverhältnisse, noch die landschaftlichen Hindernisse hielten die Reiter auf. Unterbrochen wurde der Postdienst nur einmal für wenige Wochen durch einen Indianeraufstand.
Die Firma heuerte etwa 120 Reiter an. „Waisen bevorzugt.“ Keiner durfte schwerer als 55 – 60 kg sein. Die Altersspanne reichte von 14 bis Anfang 20. Der monatliche Lohn lag bei fürstlichen 100 bis 150 Dollar (das entspräche rd. 4.-5.000 Dollar nach heutigem Wert.) Der Spezialsattel, die Mochila, enthielt jeweils bis zu 10 kg Post. Ein Brief von einer halben Unze (ca. 14 g) kostete 5 Dollar; eine horrende Summe in jener Zeit.
Nach nur anderthalb Jahren war der Pony Express am Ende – viel zu hohe Kosten, viel zu geringe Einnahmen. Keine Aufträge der Regierung, keine finanzielle Unterstützung durch den Staat. Die fast 190 Pferdewechselstationen in der Wildnis verfielen.
Jahrzehntelang wurde darüber gestritten, wer der erste Mann war, der von. St. Joseph aus westwärts ritt. Die meisten Historiker sind inzwischen sicher, dass es Johnny Fry war.
Fry wurde 1840 im Bourbon County von Kentucky geboren. Es gibt keinerlei Angaben über seinen Vater. 1849 (einige Quellen nennen 1856-57) zog Fry mit seiner Mutter und deren zweiten Mann, Benjamin Wells, nach Rushville in Missouri.
Hier arbeitete der Junge auf Farmen, entwickelte sich zu einem talentierten Reiter und gewann einige lokale Pferderennen.
Dadurch wurde offenbar Alexander Majors auf ihn aufmerksam, einer der großen Transportunternehmer des Staates. Er fragte den jungen Mann, ob er beim Pony Express anheuern wolle. Fry schlug sofort ein. Der hohe Lohn war verlockend. Fry wog weniger als 120 Pfund, war klein, drahtig, ausdauernd und Halbwaise. Damit erfüllte er die meisten Anforderungen an die Reiter. Er startete mit 50 Briefen in seiner “Mochila”, darunter eine Botschaft von US-Präsident Buchanan an den Gouverneur von Kalifornien. Die durchschnittliche Tagesleistung eines Reiters betrug zwischen 120 und 160 km. Fry schaffte zwischen 12 und 13 Meilen in einer Stunde. Geritten wurde nur im Galopp.
Fry galt sehr schnell als einer der zuverlässigsten Reiter, der nie auch nur einen Brief verlor. Er war zudem der Liebling der jungen Mädchen in St. Joseph und der Farmerstöchter auf dem Weg nach Westen – aber nichts hielt ihn je auf.
Fry arbeitete schließlich nicht nur als Reiter, sondern auch als Postmeister, bis das Unternehmen im Oktober 1861 endete. Inzwischen war die erste transkontinentale Telegraphenlinie fertiggestellt worden; der „singende Draht“ transportierte wichtige Nachrichten binnen Minuten über Tausende von Meilen. Der amerikanische Bürgerkrieg war bereits im Gang, und Fry meldete sich zur Unionsarmee. Er wurde von General James G. Blunt als Kurierreiter und Scout eingesetzt, überwiegend zwischen Fort Gibson (Indianerterritorium) und Fort Scott (Kansas).
Am 6. Oktober 1863 befand Fry sich in Begleitung von General J. G. Blunt mit einer Eskorte von Fort Scott nach Fort Smith (Arkansas), als die kleine Kolonne von konföderierten Guerillas unter Quantrill angegriffen wurde. Quantrill war vorher mit Angriffen auf Fort Blair (auch Fort Baxter) gescheitert. Die etwa 400 Guerillas waren erbittert und sannen auf Rache. Die nur gut 100 Mann starke Kolonne Blunts kam ihnen gerade recht. Quantrills Männer überrannten die Unionstruppe und machten sie gnadenlos nieder. General Blunt und einige wenige Begleiter konnten entkommen. 103 Unionssoldaten wurden ermordet. Die Tatsache, dass viele der Soldaten mit Kopfschüssen getötet wurden, belegt, dass von einem militärischen Kampf kaum die Rede sein konnte. Laut Zeugenaussagen lagen diese Soldaten verwundet am Boden oder hatten sich schon ergeben.
In verzweifelten Mann-gegen-Mann-Kämpfen tötete Johnny Fry 5 Angreifer; dann traf ihn selbst die tödliche Kugel. Er liegt in Baxter Springs (Kansas) beerdigt.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de