Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit den Sheriffs in Idaho?
Wie war das mit den Sheriffs in Idaho?
: Am 14. April 1866 – vor 155 Jahren – fand man am Sirup Creek, in der wilden Goldrauschregion von Idaho, zwei männliche Leichen. Sie hingen in Galgenschlingen von den Dachbalken von zwei verlassenen Goldgräberhütten. Einer der Toten war Dave C. Updyke, der erste Sheriff von Idaho.
Man erinnert sich heute an den großen Goldrausch von Montana, der 1862/63 am Grasshopper Creek und in der Alder Gulch begann. Die Weiten des amerikanischen Westens erhielten quasi über Nacht den Ruf einer Schatztruhe. Tausende von Menschen strömten in diese unwegsamen Wildnisgebiete. Ortschaften wie Bannack, Virginia City und Helena wuchsen förmlich aus dem Boden. Mord- und Totschlag waren an der Tagesordnung.
Der erste Sheriff dieser Region, Henry Plummer, erwies sich als Gründer einer der größten Straßenräuberbanden, die die Pionierzeit je gesehen hatte. Seinem Treiben wurde durch Vigilanz-Komitees“ ein Ende gemacht. Plummer wurde gehängt.
Weniger bekannt ist, dass der Goldrausch 1863 auch die benachbarte Region des heutigen Idaho erreichte – damals gehörten diese Gebiete noch zusammen. Es entstanden Ortschaften wie Boise – die heutige Staats-Hauptstadt –, Twin Falls und Jerome.
Im Dezember 1864 wurde mit dem Ada County der erste Regierungsbezirk in Idaho geschaffen. Wie im benachbarten Montana regierte in dieser ungezügelten Goldgräbergesellschaft das Faustrecht. Wie in Montana wurden die wenigen Überlandstraßen zum Paradies für Straßenräuber.
1865 entschloss die Bevölkerung sich, einen ersten Sheriff zu wählen. Die Wahl fiel auf Dave C. Updyke. Er war 1830 in New York geboren. Viel ist über seine Jugend nicht bekannt. Angeblich stammte er aus einer gutsituierten Familie und war deren „schwarzes Schaf“. Nachdem er seinen Ruf im amerikanischen Osten ruiniert hatte, zog er 1855 nach Westen. Er tauchte in Kalifornien auf, arbeitete zwei Jahre lang als Postkutschenfahrer, zog zeitweise nach British Columbia, danach ging er wieder nach Kalifornien und nach Nevada – immer auf der Suche nach schnellem Reichtum.
Um 1862 hatte er die ersten Gerüchte über Goldfunde in Montana und Idaho gehört, ging in den schnell wachsenden Ort Boise, steckte einen Claim am Ophir Mountain ab und hatte Glück: Innerhalb zwei Jahren holte er für mindestens 1.500 Dollar Gold aus dem Boden – das entspricht einem heutigen Wert von fast 50.000 Dollar. Damit kaufte in Boise einen florierenden Mietstall.
Updyke hatte zu dieser Zeit bereits Kontakte zu den Straßenräubern in Montana geknüpft. Er kannte auch deren Anführer, Henry Plummer. Anfangs gehörte er wohl nur zu den Informanten der Banditen. Als Mietstallbesitzer erfuhr er frühzeitig von Goldtransporten auf den Trails zwischen den Goldfeldern. Zunehmend sammelte er auch zwielichtiges Gesindel um sich. Noch gab es keine festen Strukturen, wie im Fall von Plummers Bande, aber Updyke arbeitete daran, sich mit Plummer zu verbinden.
Als im März 1864 die ersten Sheriffswahlen im Ada County stattfanden, folgte Updyke Plummers Beispiel, kandidierte und wurde mit knapper Mehrheit zum ersten Polizeichef der Region gewählt.
Er war den Bürgern als zielstrebiger Geschäftsmann bekannt, der bewiesen hatte, dass er energisch auftreten und gut mit der Waffe umgehen konnte. Unmittelbar nach Updykes Wahl stieg die Zahl der Straßenräubereien.
In den kleinen Minensiedlungen bildeten sich jetzt ebenfalls Bürgerwehren, nach dem Vorbild der Montana-Vigilanten. Updyke geriet früh ins Visier dieser Männer. Es gab einige Zeugen, die glaubwürdig behaupteten, dass der Sheriff persönlich an Postkutschenräubereien teilgenommen habe.
1865 forderte das Vigilanz-Komitee der Region, geführt von William McConnell, einem späteren Gouverneur von Idaho, den Landrat von Ada County auf, den Sheriff abzusetzen und eine neue Wahl anzuordnen. Dass Updykes Mietstall zum Treffpunkt der „Road Agents“ wurde, war ein offenes Geheimnis. In Boise wurde hinter vorgehaltener Hand von der „Updyke Gang“ gesprochen. Offen traute sich niemand zu reden; denn es waren bereits Männer spurlos verschwunden, die zu viel wussten.
Updyke fühlte sich stark genug, offiziell gegen die Vigilanten vorzugehen. Er stellte ein Aufgebot von etwa 15 seiner zwielichtigen Freunde zusammen, vereidigte sie als Deputies und ritt nach Horsehoe Bend, dem Hauptquartier der Vigilanten, um sie festzunehmen und wegen Amtsanmaßung anzuklagen.
Als Updyke Horse Shoe Bend erreichte, standen ihm über 30 Vigilanten gegenüber. Wäre es zum Kampf gekommen, hätte keiner von Updykes „Posse“ überlebt. Die Vigilanten erklärten sich bereit, mit Updyke nach Boise zum Gericht zu reiten. Hier wurden die Haftbefehle verworfen. Updykes Versuch, die Vigilanten zu zerschlagen, hatte den gegenteiligen Effekt. Ab jetzt stand er unter noch schärferer Beobachtung. Am 26. Juli 1865 überfiel Updyke persönlich mit drei seiner Kumpane eine mit Gold beladene Postkutsche im Portneuf Canyon. Es kam zu einer Schießerei, bei der die Banditen 4 der Passagiere erschossen und den Kutscher und einen weiteren Fahrgast verwundeten. Die Beute betrug 86.000 Dollar. (Nach heutiger Kaufkraft fast 3 Millionen.)
Noch war Updyke der gewählte Sheriff. Die Vigilanten hatten Zeugenaussagen des Fahrers der Postkutsche, aber sie wollten mehr Beweise. Am 28. September 1865 besetzten sie sein Büro in Boise und beschuldigten ihn, Steuereinnahmen unterschlagen und dem berüchtigten Outlaw West Jenkins zur Flucht verholfen zu haben. Gegen eine Kautionszahlung wurde Updyke auf freien Fuß gesetzt, aber die Vigilanten begannen jetzt systematisch die Jagd auf Updykes Freunde. Im Frühjahr 1866 wurde Updyke der Boden unter den Füßen zu heiß. Er beschloss, Idaho zu verlassen. Zusammen mit einem Kumpan namens John Dixon verschwand er aus Boise. Allerdings waren die Vigilanten über jeden seiner Schritte informiert. Sie nahmen sofort die Verfolgung auf.
Am Abend des 12. April 1866 übernachteten Updyke und Dixon 30 Meilen von Boise in einer verlassenen Goldgräberhütte. In der Nacht wurden sie von Vigilanten geweckt, die sie bis zum Sirup Creek mitschleppten. Unterwegs versuchten sie Updyke zu bewegen, das Versteck der Beute aus den letzten Überfällen zu verraten. Der Sheriff schwieg. Er und Dixon wurden am 13. April gehängt.
Die Leichen wurden am nächsten Tag gefunden. An Updykes Körper heftete eine Notiz: „Der Helfer von Mördern und Dieben.“ Am 15. April tauchten Handzettel in Boise auf. Hier hieß es: „Dave Updyke, der Helfershelfer des Portneuf-Kutschenüberfalls, der Helfershelfer und Komplize eines Kutschenraubes bei Boise City 1864, der Kopf der Verschwörung eines Brandanschlags auf die Overland-Kutschenlinie, schuldig der Fluchthilfe für West Jenkins und der Mörder von anderen, während er als Sheriff amtierte. Schuldig der Bedrohung von Leib und Leben von aufgebrachten Bürgern dieser Siedlung, die lange unter ihm gelitten haben.“
Das Goldversteck Updykes wurde nie gefunden – die Beute dürfte noch heute in der als „City of Rocks“ bekannten Landschaft liegen. Ein Foto von Updyke ist nicht bekannt.
In Idaho gibt es heute 44 County Sheriffs; Beamte, deren Pflichterfüllung nichts mehr mit dem allerersten Sheriff des Staates zu tun hat.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de