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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der »Schlacht am Wabash River«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der »Schlacht am Wabash River«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: In der populären – man könnte auch sagen, oberflächlichen – Kenntnis über die Indianerkriege in Nordamerika, war die Schlacht am Little Bighorn der größte Sieg, den Indianer über reguläre US-Streitkräfte errungen haben.

Das ist falsch. Der größte indianische Sieg über die reguläre amerikanische Armee fand am 4. November 1791 statt, und zwar im Waldland des heutigen Bundesstaates Ohio, damals Teil des alten „Nordwest-Territoriums“.

Hier gelang es den Kriegern der Shawnee und Miami unter Chief Little Turtle und Chief Blue Jacket im sogenannten „Northwest Indian War“, den größten Teil der damaligen gesamten amerikanischen Armee auszulöschen. In der „Schlacht am Wabash River“ fielen zwischen 620 und 800 Soldaten. Die Indianer verloren weniger als 100 Krieger.

Kommandant der amerikanischen Truppen war General Arthur St. Clair, der sich mit dem Rest seiner Armee nur mit knapper Not retten konnte. Es war die verheerendste Niederlage, die amerikanische Soldaten jemals im Kampf gegen Indianer hinnehmen mussten.

St. Clair war im Oktober 1791 mit rd. 2.000 Mann in das Gebiet am Wabash River eingerückt, wo im Jahr zuvor mehrere militärische Aktionen gegen die hier beheimateten Indianervölker gescheitert waren. Zu jener Zeit war das fast die gesamte amerikanische Armee. (Deren Stärke belief sich in den 1790er Jahren auf lediglich zwischen 2.000 und 2.500 Mann.). Die jungen Vereinigten Staaten wollten kein stehendes Heer, so dass die Streitmacht nicht nur sehr klein war, sondern überwiegend aus Rekruten und 90-Tage-Milizionären, sowie wenigen erfahrenen Soldaten bestand. St. Clair hatte mit der mangelnden Moral seiner Armee und mit unzureichender Ausrüstung zu kämpfen. Der Marsch durch das dichte Waldgebiet erfolgte quälend langsam. Die meisten Milizen hatten sich für 3 Monate Dienst verpflichtet und verließen die Truppe sofort nach Ablauf dieser Frist. Als St. Clair den Wabash erreichte, hatte er nur noch etwa 1.400 Mann zur Verfügung. Er selbst litt unter Gicht und konnte zeitweise kein Pferd besteigen, sondern musste auf einer Trage befördert werden.

Am 3. November schlug die Armee ein Lager an einem Seitenarm des Wabash River auf. Am nächsten Tag griffen die Indianer vor Sonnenaufgang an. Es kam zu einem verzweifelten Kampf, der über drei Stunden dauerte. Die indianischen Krieger waren bestens organisiert. Die Soldaten kämpften fast chancenlos. Es war ein Mann-gegen-Mann-Gemetzel, das eigentlich nichts mit einer militärisch geführten „Schlacht“ zu tun hatte.

Die Häuptlinge Little Turtle und Blue Jacket feierten einen überwältigenden Triumph. Bis heute ist dieser Kampf im Gedächtnis dieser Völker als „Die Schlacht der Tausend Erschlagenen“ (The Battle of a Thousand Slain) eingebrannt.

Nach dieser Niederlage flüchteten viele Kolonisten in Scharen aus dem Ohio-Gebiet. Erst 1794, mit der Schlacht von Fallen Timbers, wendete sich das Blatt.

Arthur St. Clair war eine der prägenden Gestalten der jungen Vereinigten Staaten. Geboren am 23. März 1737 in Schottland, studierte er an der University of Edinburgh Medizin. Er meldete sich nur Armee, ging nach Amerika und diente in der britischen Armee im Franzosen-und-Indianerkrieg. Er nahm an der der Schlacht auf den Plains of Abraham teil, die zur Eroberung von Quebec führte. Nach dem Sieg der Briten über die Franzosen ließ er sich 1764 im Ligonier Valley in Pennsylvania nieder. Zeitweise war er der größte Landbesitzer von Pennsylvania. Schon 1762 war er aus englischen Diensten ausgeschieden. Bei Ausbruch der amerikanischen Revolution, schloss er sich den Amerikanern an, stieg bis zum Generalmajor in der Continental Army unter Washington auf, verlor seinen Rang allerdings aufgrund seines Rückzugs von Fort Ticonderoga am 5. Juli 1777.

Nach Ende des Krieges, ging er in die Politik und wurde 1787 Präsident des Kongresses. 1788 wurde er zum Gouverneur des sogenannten „Northwest Territory“ ernannt. Aus diesem Gebiet wurden die heutigen US-Staaten Ohio, Indiana, Illinois und Michigan, sowie teilweise Wisconsin und Minnesota. St. Clair gehörte zu den Gründern von Cincinnati, der heutigen Hauptstadt von Ohio. Er versuchte zunächst, die indianische Bevölkerung auf dem Verhandlungsweg zu verdrängen. Als das nicht gelang, begann der „Northwest Indian War“ (oder „Little Turtles War“)

Ein Feldzug des Oberkommandierenden General Josiah Harmar scheiterte: Im Oktober 1790 wurde Harmar mit einer 1.500 Mann starken Milizarmee geschlagen. Im März 1791 wurde St. Clair als Generalmajor Kommandeur der US-Armee. St. Clair übernahm damit selbst das Kommando über die amerikanische Armee für eine Strafexpedition gegen die Indianervölker der Region. Nach seinem spektakulären Scheitern am Wabash, verlor er seine militärische und politische Reputation. „St. Clair’s Defeat“ führte zum Ende seiner öffentlichen Karriere. Er wurde selbst verwundet. Präsident Washington drängte ihn dazu, seinen militärischen Rang niederzulegen. 1802 setzte ihn Präsident Thomas Jefferson auch als Gouverneur ab.

1760 hatte St. Clair geheiratet. Als er sich gezwungenermaßen aus dem öffentlichen Leben zurückzog, lebte er im Haus seiner Tochter. Völlig verarmt, starb er mit 81 Jahren am 31. August 1818 in Greenburg, Pennsylvania. Die Freimaurer-Loge, der er angehörte, bezahlte seine Beerdigung und errichtete ein Denkmal für ihn. Die wenigen Hinterlassenschaften von Arthur St. Clair befinden sich heute im Museum von Fort Ligonier.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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