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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Chief Washakie?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Chief Washakie?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 21. Februar 1900 marschierte in Wind River (Wyoming) eine Ehrenkompanie der US-Armee auf dem kleinen Reservationsfriedhof von Fort Washakie auf, feuerte einen Ehrensalut ab und ließ die Kapelle einen Trauermarsch anstimmen.

An jenem Tag wurde der Shoshone-Häuptling WASHAKIE mit allen militärischen Ehren zu Grabe getragen. Chief Washakie gilt heute als eine der bedeutendsten indianischen Führungsgestalten des 19. Jahrhunderts, obwohl er im Schatten so berühmter Männer wie Quanah Parker, Sitting Bull, Red Cloud und Chief Joseph steht. 1798 geboren (manche Quellen sagen 1804), war Washakie ca. 100 Jahre alt als er starb – und er hatte niemals Krieg gegen den weißen Mann geführt, obwohl er sich in seinem Volk als großer Krieger in Kämpfen gegen die Crow und Blackfeet profiliert hatte. Er war der Schwiegervater des berühmten Mountain Man und Entdeckers Jim Bridger.

Über sein frühes Leben ist so gut wie nichts bekannt. Seine Mutter war Lost Woman, die Tochter des angesehene Medizinmannes Weasel Lungs. Sein Vater war Crooked Leg, ein Flathead, der als Kind von Weasel Lungs aus den Händen von Sklavenhändlern befreit worden war. Weasel Lungs adoptierte ihn. Crooked Leg stieg in den Kriegerbund der Dog Soldiers auf. Damit gehörte er zur Elite des Volkes der Shoshone.

Washakies Geburtsname war Pinaquanah = Smells of Sugar. Wie bei manchen Indianervölkern üblich, wechselte er seinen Namen mehrere Male. Als junger Mann hieß er „Shoots the Buffalo Running“, später nannte man ihn „Gourd Rattler“.

1811 hatte Washakie den ersten direkten Kontakt zu weißen Männern. Das war die Gruppe der Astorianer unter Führung von Wilson Hunt, der im Auftrag von Johann Jacob Astor einen Weg zum Pacific suchte, um dort die erste amerikanische Pelzhandelsstation und einen Brückenkopf nach Asien zu eröffnen. Diese Männer trafen am Boise River auf das Lager von Crooked Leg und wollten Pferde bei ihm kaufen, was die Shoshone ablehnten. Aber sie gaben den weißen Männern Lebensmittel und einige Hunde als Tragetiere.

Washakies Vater wurde 1824 von Blackfeet getötet, als er eine Pferderaub-Party anführte. Kriege zwischen den Blackfeet und anderen Indianervölkern waren nicht selten. Die Blackfeet beanspruchten die besten Jagdgründe auf den nordwestlichen Plains. Jährlich fielen andere Völker im Frühherbst hier ein, um sich einen Anteil an den reichen Bisonherden zu sichern. Von jenseits der Rocky Mountains kamen die Nez Perce aus der Plateau-Region. Von Süden kamen die Shoshone. Sie gehörten zu den Erbfeinden der Blackfeet.

Von Jugend an kämpfte Washakie gegen Blackfeet und Crow; denn ohne ausreichende Vorräte an Bisonfleisch für den Winter, waren die Stämme dem Hungertod ausgeliefert.

Washakie nahm als junger Mann an vielen Kämpfen teil, wobei er sich durch Tapferkeit auszeichnete. In jener Zeit unterhielten die Shoshone enge Handelsbeziehungen zu den Comanchen im Süden, von denen sie Waffen erhielten.

Erst das verstärkte Auftreten weißer Pelzhändler und Trapper in der Rocky-Mountain-Region führte zu Friedensverhandlungen zwischen Shoshone und Blackfeet, um gegen den gemeinsamen Feind alle Kräfte zu bündeln.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Washakie Oberhäuptling der östlichen Shoshone. Er zeigte sich den Weißen gegenüber freundlich; denn er hatte frühzeitig verstanden, dass die Indianer der Siedlerflut nicht Herr werden konnten. Da sein Volk mit zahlreichen anderen Plainsstämmen im Krieg lag, sah er Vorteile darin, sich mit der weißen Armee zu verbünden. Nach der Schlacht am Little Bighorn, zog er mit General George Crooks Armee gegen die Sioux.

Wie bei vielen Indianern, ist sein genaues Geburtsdatum unsicher. 1798 wurde von einem Missionar überliefert. Auf seinem Grabstein steht jedoch „1804“. Das alles sind Schätzungen, die aufgrund seiner eigenen Erzählungen angestellt wurden.

In den 1830er Jahren, während der Zeit der großen Trapper-Rendezvous in den Tälern Wyomings, an denen die Shoshone regelmäßig teilnahmen, machten an den Camp-Feuern Geschichten die Runde, die verdeutlichten, das Washakie ein bekannter Krieger war, der von den Blackfeet gefürchtet wurde. Sein Leben lang trug er eine lange Narbe im Gesicht, die von einem Blackfeet-Pfeil stammte und bewies, dass er an Kämpfen beteiligt gewesen war. Als er älter wurde, bezweifelten jüngere Krieger seinen Mut. Dann kam es vor, das Washakie für einige Tage in der Wildnis verschwand und mit frischen Skalps zurückkehrte, die er in Einzelkämpfen mit feindlichen Stämmen persönlich genommen hatte.

Als es 1866 bei Vertragsverhandlungen mit den Crow einen unversöhnlichen Streit über das Wind River Basin gab, stellte Washakie sich einem Zweikampf mit dem Crow-Häuptling Big Robber, um einen großen Krieg zu vermeiden. Washakie gewann das Duell und präsentierte Big Robbers Herz an der Spitze seiner Lanze. Der Platz des Kampfes trägt heute den Namen „Crowheart Butte“ und liegt am Rand der Wind River Reservation.

Bis etwa 1840 zog Washakies Gruppe jährlich zu den Pelzhandelsrendezvous. Hier traf er legendäre Männer wie Kit Carson, Fitzpatrick, die Sublettes und Jim Bridger und freundete sich mit ihnen an. 1850 heiratete Bridger eine von Washakies Töchtern, Mary.

Washakie interessierte sich für die Kultur der Weißen. Er lernte die englische und die französische Sprache. 1863 und 1868 verhandelten die Shoshone in Fort Bridger mit der Regierung und erhielten zusammen mit den Bannock-Indianern ihre Wind-River-Reservation – die allerdings im Laufe der folgenden Jahrzehnte verkleinert wurde. 1896 gab Washakie ein Gebiet ab, auf dem sich heute die Stadt Thermopolis befindet. Heute umfasst die Reservation rund 12.000 Quadratkilometer und fußt noch immer auf den Fort-Bridger-Verträgen. Ferner legten die Verträge fest, dass die Regierung Lehrer in die Reservation schicken, Schulen bauen und junge Shoshone in den Elementarwissenschaften unterrichten sollte.

Am 25. September 1880 schloss sich Washakie der Mormonenkirche an. Er wurde nach mormonischem Ritus getauft, ebenso wie 300 seiner Gefolgsleute. Er blieb Mormone bis 1897; dann schloss er sich der Episkopal-Kirche an. Er wurde ein zweites Mal getauft. Grund dafür war vermutlich seine enge freundschaftliche Beziehung zu dem Missionar John Roberts, der auf die Reservation gezogen war und das Vertrauen der Indianer erworben hatte. Washakie unterstützte Roberts, ein Mädcheninternat auf der Reservation einzurichten. Diese Schule genoss Ansehen und blieb bis 1945 aktiv.

Washakie erwarb sich im Laufe seines langen Lebens hohen Respekt, sowohl als Krieger als auch als Diplomat und als visionärer Vertreter der Interessen seines Volkes. Fort Washakie in Wyoming war 1878 der einzige Militärposten, der den Namen eines indianischen Führers erhielt. Auch die von der Armee für ihn ausgerichtete Beerdigung mit vollen militärischen Ehren war außergewöhnlich. Zahlreiche andere Plätze in Wyoming tragen seinen Namen. Vor dem Staatskapitol, dem Regierungssitz in Cheyenne, steht eine überlebensgroße Statue. Washakie wird heute als einer der bedeutendsten Männer in der Geschichte Wyomings angesehen. 2004 entstand die „Chief Washakie-Stiftung“, die sowohl Bildungsprogramme für die Shoshone- und Arapaho-Reservation organisiert als auch die Geschichte und kulturelle Tradition der auf der Wind River Reservation lebenden Völker pflegt. Direktor dieser Stiftung ist ein Ururenkel des Häuptlings. 1979 wurde Washakie in die Ruhmeshalle der „großen Westerners“ im „National Cowboy & Western Heritage Museum“ in Oklahoma City aufgenommen.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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