Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das vor 180 Jahren mit Texas?
Wie war das vor 186 Jahren mit Texas?
: In dieser Woche häuften sich die Gedenktage von Texas. 1836 – vor 186 Jahren - erkämpfte sich dieses Gebiet, das ursprünglich zu Spanien und dann zu Mexiko gehörte, seine Unabhängigkeit. Während im ehemaligen Kern der Kolonie von Stephen Austin, der am Brazos River mit den ersten 300 Familien 1821 ein Siedlungsprojekt begonnen hatte, ein provisorisches Parlament tagte, sammelten sich in der einstigen Mission Alamo am Rande von San Antonio jene Männer, die dem Machtanspruch des mexikanischen Diktators Santa Anna militärischen Widerstand entgegensetzen wollten. Die Situation war konfus. Bis der charismatische Samuel Houston die Führung der sogenannten „texanischen Armee“ übernahm, gab es keine einheitliche Strategie, wie der Unabhängigkeitsanspruch der Siedler durchgesetzt werden und der mexikanischen Armee entgegengetreten werden sollte.
Zwischen den Führern der Alamo-Besatzung, Jim Bowie und William Travis, gab es Rivalitäten, die durch einen fragilen Kompromiss beigelegt wurden. Am 23. Februar tauchte ein starkes Invasionsheer auf den Ebenen südich des Alamo auf und legte einen Belagerungsring um die alte Mission. Der Militärhistoriker A. A. Nofi geht davon aus, dass Santa Annas Armee insgesamt über 6.000 Mann stark war. „Ca. 4.500 Mann Infanterie, 185 Zapadores, ca. 1.120 Mann Kavallerie, ca. 190 Mann Artillerie und ca. 50 Kommandeure und Stabsangehörige.“
Die Truppe war in 4 Brigaden organisiert, deren Erscheinen in San Antonio sich über mehrere Tage hinzog, so dass auch nach Eintreffen der ersten Mexikaner noch immer Verstärkungen in den Alamo einrückten und Versorgungsgüter in die Mission gebracht werden konnten.
Behindert wurde der Aufmarsch Santa Annas durch ein seltenes Wetterphänomen im südlichen Texas, einen plötzlichen, sehr harten Wintersturm, der die Mexikaner völlig unvorbereitet traf. Die Soldaten führten keine entsprechende Ausrüstung mit. Zahlreiche Männer erfroren oder wurden durch Frost einsatzuntauglich. Es wird von einem Ausfall von mindestens 2% der Kopfstärke ausgegangen.
Dann begann ein zäher Kampf, bei dem es den Texanern immer wieder gelang, die Angriffe zurückzuweisen. Während man früher von einer Besatzung von etwa 180 Mann ausging, glauben heutige Historiker, dass tatsächlich über 200 Männer in der Festung kämpften. Am 24. Februar 1836 verfasste Travis einen verzweifelten Brief „an das Volk von Texas und alle Amerikaner in der Welt“ und flehte um Hilfe. Dieser Ruf blieb ungehört. Sam Houston hielt diesen Appell und die militärische Einschätzung des Alamo als „Einfallstor für Texas“ für übertrieben.
Zu diesem Zeitpunkt mochte das nicht falsch sein, obwohl Houston auch persönliche Gründe hatte, Travis zu ignorieren. Allerdings wurde im Nachhinein deutlich, das Santa Anna die Bedeutung des Alamo höher einschätzte, weshalb ihm dessen Fall so wichtig war. Aber mit dem Kampf in San Antonio verzehrte er die Kräfte seiner Armee, so dass er bei San Jacinto von Houston entscheidend geschlagen wurde. Insofern entfaltete die Alamo-Belagerung durchaus militärische Wirkung und beeinflusste den Ausgang der texanischen Revolution.
Die Besatzung des Alamo ging unter, während das texanische Parlament am 2. März 1836 offiziell die Unabhängigkeit von Mexiko und die Gründung der Republik Texas proklamierte.
Die kleine Siedlung Washington, in der die Texaner ihre Revolution beschlossen, war 1833 von dem Kolonisten John W. Hall (1786-1845) und seiner Frau Patsy gegründet worden, der zu Stephen Austins „Old Three Hundert“-Familien gehörte, den ersten amerikanischen Siedlern. Er hatte hier von seinem Schwiegervater Andrew Robinson, Captain der texanischen Miliz, die Flussfähre übernommen, die dazu beitrug, dass dieser Ort eine Art Verkehrsknotenpunkt wurde und für lange Zeit blieb. Durch die Siedlung führte die La Bahia Road. Washington, nach dem ehemaligen US-Präsidenten benannt, wurde zu einem wichtigen Handelsplatz für Baumwolle. Um den Ort von der amerikanischen Bundeshauptstadt zu unterscheiden, wurde dem Namen „am Brazos“ angehängt. Während der texanischen Revolution stand die Frage im Raum, die Siedlung zur Hauptstadt der Republik Texas zu machen. Im Dezember 1835 richtete Sam Houston hier sein Hauptquartier für die texanische Armee ein.
Die Bedeutung als Handelszentrum ging allerdings verloren, weil der Ort in den 1850er Jahren beim Bau der Eisenbahn keine Rolle mehr spielte. John Hall wurde Captain der Miliz, Richter und Sheriff des Regierungsbezirks.
In einer kleinen, halbfertigen Blockhütte trafen sich die gewählten Delegierten der rebellischen Texaner und diskutierten eine Verfassung, die am 16. März 1836 angenommen wurde. Am 17. März wählten sie den Kolonisten David Burnet zum Interims-Präsidenten, der sofort die Flucht des Parlaments und der Einwohner des Ortes anordnete, weil die mexikanische Armee anrückte. Sie kehrten erst nach der Schlacht von San Jacinto am 21. April 1836 zurück.
Obwohl die Siedlung nach dem Bürgerkrieg fast ausstarb, gilt sie bis heute als „Geburtsort von Texas“ (Birthplace of Texas). Tatsächlich tagte hier nicht nur das erste Parlament, hier wurde auch die erste texanische Regierung gebildet. Entgegen der Hoffnung der Bewohner des Ortes, wurde die Hauptstadt der Republik Texas nach Austin verlegt. Heute leben keine 300 Menschen mehr in diesem einstigen Zentrum großer historischer Umwälzungen, kaum mehr als 1836. Entsprechend der einstigen Bedeutung, hat der Staat Texas hier das „Star of the Republic Museum“ eingerichtet. Unweit davon liegt die Farm des letzten Präsidenten der unabhängigen Republik Texas, Anson Jones, der amtierte, bevor Texas Teil der USA wurde.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de