Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Warren Baxter Earp?
Wie war das mit Warren Baxter Earp?
: Beinahe jeder auf der Welt, der sich irgendwie für die amerikanische amerikanische Pionierzeit interessiert, kennt den Namen Wyatt Earp. Die Brüder Wyatt, Morgan und Virgil Earp gehören gewissermaßen zur „Adelsklasse“ der Western-Persönlichkeiten. Aber die Familie Earp war größer. Ich habe an dieser Stelle schon einmal über James Earp geschrieben, der als Saloonkeeper und Berufsspieler in Wichita, Dodge City und Tombstone arbeitete. Dann gab es aber auch WARREN BAXTER EARP. Er war der jüngste der Earp-Brüder und wurde am 9. März 1855 – vor 167 Jahren – in Pella (Iowa) geboren.
Er war zu jung, um wie Virgil und Newton Earp während des Bürgerkrieges in die Armee einzutreten.
Als Virgil City Marshal von Tombstone wurde, hielt er sich zeitweise in Tombstone auf und wurde von Virgil zum Deputy ernannt. Da war er gerade 18 Jahre alt. An den gewalttätigen Konflikten, die sich in dieser Zeit aufbauten, war er nicht beteiligt. Er verließ Arizona 1881 und reiste zu den Eltern der Earp-Brüder, die zu dieser Zeit in Colton (Kalifornien) lebten. Daher war er nicht in Arizona, als Wyatt, Morgan und Virgil mit Doc Holliday den Kampf im O. K. Corral ausfochten. Als Virgil hinterrücks zum Krüppel geschossen und Morgan Earp heimtückisch ermordet wurde, kehrte er nach Tombstone zurück, um seinen Bruder Wyatt zu unterstützen und gehörte auch zu dessen Aufgebot, das Jagd auf die Heckenschützen machte und mehrere der Outlaws tötete. (Der sogenannte „Vendetta-Ride“.)
Er war anwesend, als County Sheriff Behan die Männer im Cosmopolitan-Hotel von Tombstone entdeckte und zu verhaften versuchte. Wyatt Earp erwiderte: „Johnny, wenn du nicht aufpasst, siehst du mich einmal zu oft.“ Behan suchte das Weite, und am nächsten Tag wurden die Haftbefehle, die ein mit den Clantons sympathisierender Richter ausgestellt hatte, von einem Gericht in Tucson aufgehoben. Wyatt Earp, der zu dieser Zeit Deputy US Marshal war, verließ mit seinem Aufgebot in der folgenden Nacht Tombstone und brachte weitere 3 Männer aus der sogenannten „Cowboy-Fraktion“, die an den Mordanschlägen auf Morgan und Virgil beteiligt gewesen waren, zur Strecke.
Danach verließen die Earps und Doc Holliday Arizona. Warren Earp trennte sich von Wyatt. Wohin er ging, was er tat, ist unbekannt. Vermutlich arbeitete er als Postkutscher und Frachtwagenlenker für Transportfirmen. Das war auch seine Tätigkeit, als er 1891 nach Tombstone zurückkehrte. Er lenkte für einige Zeit die Kutsche zwischen Willcox und Fort Grant. Danach arbeitete er offenbar als Weidedetektiv für den Rancher Henry Hooker im Cochise County. Hooker war damals Besitzer der „Siera Bonita Ranch“, der größte Viehzüchter von Arizona und ein enger Freund von Wyatt Earp, weshalb er vermutlich dessen kleinem Bruder einen Job gab.
Historiker, die die Geschichte der Earp-Familie verfolgt haben, haben sich natürlicherweise vor allem auf die drei berühmtesten Männer, vor allem auf Wyatt Earp, konzentriert und die anderen Brüder nur am Rande behandelt. Sie charakterisieren Warren Earp in der Regel als unerfahren, naiv und eher kindisch. Im Gegensatz zu seinen Brüdern hatte er offenbar ein unkontrolliertes Temperament, war jähzornig und aufbrausend. Vermutlich wollte er es seinen älteren Brüdern gleichtun, galt aber bei allen, die ihn kannten, nur als herausfordernd, arrogant, streitsüchtig und rowdyhaft. Sein Bruder Virgil sagte über ihn, er werde bestimmt einmal erschossen werden. Das waren prophetische Worte.
Am 6. Juli 1900 geriet Warren in Streit mit Johnny Boyett, dem Vormann der Hooker-Ranch, für die er als Detektiv arbeitete, um Rinderdiebstähle zu verhindern. Die Auseinandersetzung spielte sich in Brown’s Saloon in Willcox ab. Zeugen berichteten später, dass sie sich wegen einer Frau in die Haare geraten waren.
Im „Tombstone Epitaph“, der größten Zeitung des Countys, hieß es später, dass Warren Earp den Vormann ständig beleidigt habe. In der Nacht waren beide Männer schon ziemlich betrunken. Augenzeugen erzählten, dass Warren Earp Boyett lautstark aufforderte, seinen Revolver zu holen. „Wir werden die Sache gleich hier ein für allemal klären.“
Boyett hatte offenbar genug von den Pöbeleien. Er entfernte sich und kehrte wenig später mit zwei 45er Revolvern zurück. Vor dem Saloon rief er nach Warren Earp.
Boyett feuerte mit beiden Revolvern, sowie er Earp sah – und schoss daneben. Auch zwei weitere Schüsse gingen fehl. Earp trat zurück in den Saloon, um eine Waffe zu holen, ging dann hinaus und schritt direkt auf Boyett zu, scheinbar völlig furchtlos und kaltblütig.
Der Vormann hob einen Revolver und gab einen fünften Schuss ab, als Warren Earp fast vor ihm stand. Diesmal traf er Warren in die Brust. Earp war sofort tot.
Im „Tombstone Epitaph“ vom 9. Juli 1900 hieß es: „Warren Earp, der jüngste der vier Earp-Brüder, deren Namen vor zwanzig Jahren zum Synonym für den größten Revolverkampf in Arizona wurden, starb in seinen Stiefeln. Ein Schuss von Cowboy Johnny Boyett durchschlug sein Herz, und er war auf der Stelle tot.“
Boyett wurde verhaftet. Es stellte sich heraus, dass Warren Earp unbewaffnet war, er hatte nicht einmal ein Taschenmesser bei sich. Vor Gericht plädierte Boyett auf „Notwehr“, er habe um sein Leben gefürchtet. Jetzt hatte er Angst, dass die anderen Earp-Brüder Rache nehmen würden. Tatsächlich gab es Gerüchte, dass Virgil Earp unter falschem Namen nach Willcox gekommen sei, um Boyett zu erschießen. Das war vermutlich nur leeres Gerede.
Boyett wurde freigesprochen, nahm seine Arbeit als Vormann auf der Hooker-Ranch wieder auf, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Er zog sich später nach Texas zurück, wo er starb.
Warren Earp liegt auf dem Friedhof von Willcox begraben.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de