Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Thayandanegea?
Wie war das mit Thayandanegea?
: Meine heutige Erinnerung hat kein spezifisches Datum, aber im März 1743 wurde eine der markantesten indianischen Persönlichkeiten Nordamerikas geboren: JOSEPH BRANT. Sein Mohawk-Name war Thayandanegea. Er war während der Kolonialzeit in Nordamerika einer der bedeutendsten militärischen und politischen Führer der Irokesenliga. Er war mit seinem Volk ein enger Verbündeter Englands. Das war schon während der Kolonialzeit so, aber auch während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges.
Thayendanegea war nicht in eine alte Häuptlingsdynastie der Irokesenliga geboren. Er errang seine Stellung durch Führungsqualitäten als Krieger und seine Bildung. Er sprach mehrere Sprachen und war allein von daher ein interessanter Partner für die Kolonialmächte. Er hatte enge Verbindungen zu Sir William Johnson, der als Superintendent für indianische Angelegenheiten der Engländer diente. Als die Amerikaner gegen die britische Herrschaft revoltierten, führte Joseph Brant in New York an der Seite der Briten eine Einheit, die als „Brant’s Volunteers“ bekannt wurde. Dazu gehörten Krieger der Mohawk, der Tuscarora und rd. 80 weiße Königsanhänger, die sich Brants Kommando unterordneten, weil sie seinie Fähigkeiten als militärischer Führer anerkannten. Da er auch amerikanische Farmer im Hinterland angriff und einen blutigen Partisanenkrieg führte, wurde als als „Monster Brant“ bezeichnet – eine Charakterisierung, die spätere Historiker nicht bestätigen konnten.
Joseph Brant wurde am Ohio geboren, weil die Mohawk in jener Zeit ihr angestammtes Heimatgebiet regelmäßig für Jagdausflüge verließen. Bei den Mohawk hatten die Frauen einen starken Einfluss. Da seine Mutter dem Wolf-Clan entstammte, wurde auch Thayandanegea Mitglied dieser bedeutenden Familie. Interessanterweise waren seine Eltern getauft. Sie waren Mitglieder der Anglikanischen Kirche, wie die Kirchenbücher von Fort Hunter ausweisen. Kanadische Historiker fanden heraus, dass seine Eltern keine Irokesen, sondern Huronen waren. Das war nicht so ungewöhnlich. Die Irokesen waren äußerst aggressiv, raubten und adoptierten häufig Angehörige von Nachbarvölkern oder vereinnahmten ganze kleine Stämme in ihre Konföderation. Auf diese Weise entstand ein machtvolles Indianerbündnis im östlichen Waldland, das den europäischen Kolonisatoren lange Zeit erfolgreich die Stirn bieten konnte.
Sein Vater starb früh. Seine Mutter heiratete danach einen Mann namens Barnet, verballhornt „Brant“. Sie ließen sich in einem Dorf am Mohawk River nieder. In diesen Teil des Landes zogen – während Joseph Brant aufwuchs – viele Einwanderer aus der Pfalz. Die Beziehungen zwischen den Kolonisten und den Indianern waren in jener Zeit friedlich. Die Mohawk verpachteten Land an die Pfälzer. Sie lehrten die Siedler, Mais, Bohnen und Kürbisse anzubauen und tauschten – sehr zum Missfallen der Stammesältesten – Bier von den Pfälzern ein. Joseph Brant erfuhr eine multikulturelle Atmosphäre. Er sprach natürlich Mohawk, lernte aber auch Deutsch und Englisch. Neben den Pfälzern siedelten auch Schotten und Iren in diesem Mohawk-Gebiet. Es kam zwangsläufig zu Vermischungen. Der angesehene, einflussreiche Sir William Johnson lebte mit zwei Mohawk-Frauen; eine war Molly Brant, die Halbschwester von Joseph Brant.
Joseph Brant entwickelte starkes Interesse an der Lebensart der Kolonisten, freundete sich nicht nur mit Sir Johnson an, der eine Art britische Ausbildung für Joseph förderte, sondern suchte auch Kontakt zu den weißen Missionaren. Von 1761-62 besuchte er die christliche Moor’s Charity Schule in Lebanon (Connecticut). Hier wurde er vertraut mit europäischer und klassischer Literatur. Er überraschte britische Offiziere mit perfekten Zitaten der Odyssee. Als er die Schule verließ, wurde er von der anglikanischen Mission als Dolmetscher angestellt und half den Priestern dabei, Gebetsbücher, religiöse Schriften und andere Texte in die Mohawk-Sprache zu übersetzen. Er wurde selbst zum Missionar und warb unter seinem Volk für die christliche Religion. Im French-&-Indian War kämpfte er auf Seiten der Briten.
Als die Amerikaner den Kampf um ihre Unabhängigkeit begannen, führte Brant 4 der 6 irokesischen Gruppen an die Seite der Engländer und zeigte bei seinen Angriffen auf amerikanische Militärposten erstaunliche militärische Fähigkeiten. Er profilierte sich in der Schlacht von Oriskany am 6. August 1777 und bei anderen Angriffen auf amerikanische Siedlungen als erfolgreicher Anführer und erhielt 1779 einen Offiziersrang in der britischen Armee. (Captain of the Northern Confederated Indians). Er durchkreuzte den Plan des mit ihm rivalisierenden Häuptling Red Jacket, einen Separat-Frieden mit den Amerikanern zu schließen, und stand loyal zur britischen Krone.
Brant hatte bei Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges eine Farm für seine Familie erworben, wo er auch Sklaven für die Feldarbeit einsetzte, die er später an britische Kolonisten verkaufte.
Als der Krieg mit dem Sieg der Amerikaner endete, beschuldigte Brant die Briten, nicht intensiver gekämpft zu haben. Der Friedensvertrag zwischen England und den USA löste bei ihm Bitterkeit aus; denn er fühlte sich betrogen, da die Indianervölker mit keinem Wort erwähnt wurden. In einer Rede sagte er: „Die Engländer haben die Indianer an den Kongress der Amerikaner verkauft.“ Danach aber war Brant einer der ersten, der sein Volk zum Frieden mit den neuen Herren aufrief. Er plädierte erfolgreich für den Abschluss von Verträgen, um Landrechte für die indianischen Stämme zu retten, was immer möglich war.
Mehrfach besuchte er England, 1775 und zuletzt 1785. Er wurde von König George III. empfangen und warb unter anderem um finanzielle Unterstützung für den Bau von episkopalen Kirchen im heutigen Kanada. Ferner hoffte er auf Hilfe bei der Sicherung indianischer Landansprüche.
Er gründete eine aus etwa 30 Stämmen bestehende indianische Konföderation und verhandelte wieder und wieder mit Amerikanern, Engländern und Franzosen um Heimatrechte für die Waldlandvölker. Am 22. Oktober 1784 kam es zu einem Friedensvertrag zwischen den Irokesen und den Amerikanern, der allerdings die meisten Landansprüche der Indianer negierte.
Im Oktober 1784 führte Joseph Brant ca. 1.800 Indianer in das Grand River Tal in die Nähe der neugegründeten Stadt Brant’s Town (heute Brantford, Ontario). Die Gebiete im Norden New Yorks und im südwestlichen Ontario sind heute als „Six Nations Reserve“ bekannt.
Brant verbrachte die letzten Jahre seines Lebens damit, unermüdlich für sein Volk zu verhandeln, aber er scheiterte, obwohl alle, mit denen er Gespräche führte – ob Amerikaner, Engländer oder Franzosen – sich mit Respekt über seine Klugheit und eindrucksvolle Persönlichkeit äußerten. Er scheute sich auch nicht, für sein Volk zu betteln. Einer seiner letzten Aussprüche war: „Haben Sie Mitleid mit den armen Indianern. Wenn Sie irgendeinen Einfluss auf die Regierungen haben, bemühen Sie sich, ihn zum Besten für die Indianer zu nutzen.“
Brant lebte in einem zweistöckigen, im englischen Stil gebauten Haus im kanadischen Ontario. Der anglophile Brant führte ein Leben wie ein englischer Landedelmann. Er hatte etwa 20 weiße und schwarze Bedienstete und Sklaven. Sklavenhaltung war für die Irokesenvölker nichts Ungewöhnliches, da die Entführung von Menschen aus Nachbarstämmen oder von weißen Siedlungen, die dann als Bedienstete eingesetzt wurden, eine lange Tradition hatte.
Aufgrund seines Lebensstils war Joseph Brant nicht unumstritten. Es gab irokesische Führer, die ihn ablehnten. Noch 1791 wurde er aufgefordert, den Amerikanern wieder den Krieg zu erklären. Brant warnte die Irokesen, dass sie ihre vollständige Vernichtung riskieren würden. Als dann der Häuptling Little Turtle die amerikanische Armee unter General Arthur St. Clair vernichtend schlug, war Brant scheinbar widerlegt und galt als Feigling.
Er verlor in den folgenden Jahren stetig an Einfluss unter den Stämmen, was letztlich auch dazu führte, dass die Amerikaner kein Interesse mehr an ihm hatten.
Am 24. November 1807 starb er nach kurzer Krankheit in seinem Haus am Lake Ontario. Hier entstand später die Stadt Burlington. Heute wird anerkannt, dass er sich unermüdlich bemüht hatte, seinem Volk das Überleben in einer Zeit der sich wandelnden Kultur durch die weißen Kolonisten zu ermöglichen. Dabei scheiterte er häufig, weil er von seinen eigenen Leuten als „nicht Indianer genug“ angesehen wurde.
Nachdem ich die Lebensgeschichte des großen Joseph Brant skizziert habe, einst einer der mächtigsten Häuptlinge der Irokesenliga, und sich dann ein anderer amerikanischer Freund, Michael Badhand, zu Wort meldete, möchte ich heute doch darauf hinweisen, dass noch immer direkte Nachkommen von Joseph Brant leben. Mit einem bin ich seit über 30 Jahren befreundet.
Das Foto zeigt mich mit Ken Woody, der jahrzehntelang einer der prominentesten Nationalpark-Rangers im amerikanischen Westen war, zuletzt „Chief of Interpretation“ am Little Bighorn. Er ist Anfang dieses Jahres in Pension gegangen.
Ken entstammt der Mohawk-Familie von Joseph Brant. Die Ähnlichkeit mit einigen Gemälden seines berühmten Vorfahren ist nicht zu leugnen.
Dank Ken habe ich einmal den Original-Umhängemantel von Joseph Brant in den Händen halten können. Dieser Mantel von ca. 1775 ist seit Joseph Brants Zeiten im Besitz der Familie. Er war ein Geschenk des englischen Königs an den Häuptling, als dieser London besuchte.
Ken hat diesen Mantel dem bekannten indianischen Historiker Michael Badhand übergeben, um ihn zu verkaufen, weil er keine Möglichkeit sieht, das Stück angemessen aufzubewahren, damit es keinen Schaden nimmt. Michael hat Bilder davon gestern unter meinem Facebook-Posting veröffentlicht.
Ich kenne Michael Badhand ebenfalls persönlich, habe ihn für mein Buch über Living History interviewed. Es gibt kaum einen Menschen, der mehr über Leben und Brauchtum der Plainsindianer weiß als er.
Michael hat nicht nur einzigartige Bücher darüber geschrieben, er ist in den USA als Schauspieler weithin bekannt. Er hat in über 50 Filmen und Fernsehserien mitgewirkt, darunter im letzten Mohikaner, in „Der mit dem Wolf tanzt“, in „Son of the Morning Star“, in „Geronimo“, uvm. In einer Fernsehdokumentation stellte er selbst den Crazy Horse dar.
Ein Großvater von Ken Woody ritt mit „Buffalo Bill“.
Die Echtheit des Joseph-Brant-Mantels ist durch ein Gutachten des weltweit berühmten Auktionshauses „Sotheby“ und die Familiengeschichte von Ken dokumentiert. Michael Badhand bietet den Mantel für ca. 7.500 $ an – nicht zuviel für ein so bedeutendes Stück Geschichte.
Kontakt zu Badhand stelle ich gern her.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de