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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit George Bent?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit George Bent?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 19. Mai 1918 starb in Oklahoma ein Mann, der wie kaum ein anderer die zwei Welten der amerikanischen Pionierzeit verkörpert hatte – die Welt des roten und des weißen Mannes. Zugleich hatte er maßgeblich dafür gesorgt, dass die Kultur der Cheyenne heute exakt dokumentiert ist.

Sein Name war GEORGE BENT; sein Cheyenne-Name war „BEAVER“. Er war der Sohn des berühmten William Bent, einem der Gründer von Fort Bent in Südost-Colorado und einem der einflußreichsten Händler auf dem Santa Fe Trail und im amerikanischen Pelzhandel. Seine Mutter war Owl Woman, eine Cheyenne-Frau, eine Häuptlingstochter. Ihr Vater war der Hüter der Heiligen Pfeile.

George Bent war 1843 in einem Cheyenne-Zelt neben dem Handelsposten seines Vaters am Arkansas River geboren worden. In den ersten Jahren seines Lebens wuchs er als Cheyenne im Lager seiner Mutter auf – wo auch Willliam Bent meistens lebte. William benutzte sein spartanisches Quartier in seinem Handelsposten nur selten. Meist hielt er sich bei seiner Cheyenne-Familie auf.

George Bent erlebte beide Kulturen zu einer Zeit, als es vitale Handelskontakte zwischen Rot und Weiß im Westen gab, als es ein Miteinander und weniger ein Gegeneinander gab, und er nahm das alles mit wachen Sinnen auf.

Als er 10 Jahre alt war, änderte sein Leben sich: William Bent schickte ihn, so wie auch seine anderen Kinder – alle waren Cheyenne-Weiß – auf eine Missionsschule nach St. Louis (Missouri), weil ihm bewußt war, dass die weiße Kultur den Kontinent irgendwann völlig beherrschen würde und seine Kinder sich nur mit entsprechender Ausbildung würden behaupten können.

Aber George Bent war – im Gegensatz zu seinen Geschwistern – ein sehr eigenwilliger, eher rebellischer junger Mann. Er erlebte in St. Louis den Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges mit – und schloss sich der Konföderierten Armee an. Sein Vater und der Rest der Familie waren entsetzt. William Bent war ein einflußreicher Mann. Er hatte 1846 mitgeholfen, den amerikanischen Südwesten für die USA zu gewinnen. Er diente später als exzellenter Indianeragent für die Cheyenne und Arapaho.

Dank ihm wurde George, nachdem er nach einem Kampf zwischen Konföderierten und Union in Gefangenschaft geraten war, freigelassen und zurück nach Colorado geschickt.

George dachte allerdings nicht daran, bei seinem Vater im Handelsposten zu arbeiten. Er schloss sich der Familie seiner Mutter an und wurde zum Cheyenne-Krieger. Er gewann eine gewisse Reputation; er war ein großer, körperlich starker Mann, der die Kriegertradition der Cheyenne repräsentierte und zugleich eine Ausbildung als konföderierter Soldat durchlaufen hatte. Das flößte Furcht ein. Seine Missionsausbildung befähigte ihn auch, während der Verhandlungen zwischen den Cheyenne und den Weißen nicht nur als Dolmetscher zu agieren, sondern im Namen seines Stammes Briefe an die Armeeführung, den Gouverneur und die Indianerbehörde zu schreiben.

George Bent befand sich im November 1864 im Lager von Black Kettle am Sand Creek, als die 3. Colorado-Kavallerie unter Colonel Chivington über dieses friedliche Camp herfiel und eines der grauenvollsten Massaker der Geschichte der Indianerkriege anrichtete. Er entkam mit 5 Schusswunden. Danach schloss er sich den Dog Soldiers an und war an zahlreichen Überfällen auf weiße Ansiedlungen beteiligt, u. a. auch an der Belagerung von Julesburg und an einem Kampf mit der Armee in der Nähe von Fort Caspar (Wyoming), bei dem Lieutenant Caspar – nach dem der Posten danach benannt wurde – getötet wurde.

1870 trat George Bent in die Dienste der Armee, weil er sicher war, seinem Volk damit am besten zu dienen. Er wurde Dolmetscher der Indianerbehörde und arbeitete als Lehrer für Cheyenne-Kinder in der Cheyenne-und-Arapaho-Agentur in Colony (Oklahoma). Hier blieb er für den Rest seines Lebens.

Seine gediegene Bildung, seine scharfe Beobachtungsgabe und sein geradezu fotografisches Gedächtnis prädestinierten ihn zum erstklassigen Zeit- und Kulturzeugen. Gegen Ende seines Lebens wurde er Hauptinformant von bedeutenden Völkerkundlern, die die Kultur der Cheyenne protokollierten, wie James Mooney und vor allem George Bird Grinnell, die ihn mehrfach in Colony besuchten und wochenlang Interviews mit ihm aufzeichneten. Er sah seine Mission darin, die Geschichte seines Volkes zu bewahren.

George Bent starb am 19. Mai 1918 während der weltweiten Grippe-Pandemie in dem Ort Washita (Oklahoma).

Die beste Geschichte seines Lebens ist das Buch

HALFBREED – THE REMARKABLE TRUE STORY OF GEORGE BENT – CAUGHT BETWEEN THE WORLDS OF THE INDIAN AND THE WHITE MAN
Verfasst von meinen beiden Freunden Dr. David Halaas und Dr. Andrew Masich.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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