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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Phil Coe?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Phil Coe?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Sie gehören zwingend zur Statisterie von Western-Filmen und -Romanen, die Berufsspieler, die „Gambler“. Elegant in dunklen Gehröcken, manchmal mit Rüschenhemden, buntschillernden Westen. Mit schlanken, schnellen Fingern schnippen sie glitzernde Silberdollars über samtbespannte Tische, mischen mit magischem Geschick die Spielkartend´ Lässig machen sie das Spiel, und wenn es sein muss, zaubern sie Asse aus dem Ärmel oder kleine Derringer-Pistolen.

Aber wer kennt sie? Sie sind meistens namenlos. Der Bekannteste dieser Zunft ist Doc Holliday, der faktisch überall an der wilden Frontier war und die Spielsalons dominierte.

Eine Legende, fast ein Mythos, ein Klischee seiner selbst. Er hat das Bild vom Spieler geprägt. So stellt man sich den Wilden Westen vor. Aber so sahen nur die wenigsten aus.

Berufsspieler war ein normaler Beruf. Keiner mit sonderlich hoher Reputation, aber auch keiner, auf den mit Verachtung geschaut wurde. Es war eine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es ging nicht nur um Glück, es ging um Erfahrung. Bis heute lieben Amerikaner das Glücksspiel. Daher existieren in vielen Bundesstaaten Spielerstädte mit gewaltigen Spielsalons. Bis heute gibt es Männer – und Frauen – die ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Heute entsprechen sie mehr der Vorstellung als in der Pionierzeit. Und Doc Holliday ist noch immer eine Art Symbol.

Am 9. Oktober 1871 – vor 151 Jahren – starb einer aus dieser Zunft an einem Stück Blei. In Abilene (Kansas) erinnert man sich noch immer an ihn. PHIL COE. Ob er sich betrügerisch verhielt (manche sagen das) oder ehrlich war – wer will das sagen?

Er stand zur falschen Zeit dem falschen Mann gegenüber. Wild Bill Hickok, ein Abenteurer, Gesetzeshüter und Revolvermann war selbst ein leidenschaftlicher Spieler. Als er seinen Finger um den Abzug krümmte, fragte niemand mehr, ob er gut oder schlecht am Spieltisch gewesen war. Phil Coe sah dem Tod ins Antlitz und er starb wie viele seiner Art Männer.

Phil Coe wurde am 13. Juli 1839 in Gonzales (Texas) geboren. Seine Eltern waren Farmer am Colorado River. Phil war das 4. von insgesamt 9 Kindern. Über seine Kindheit und frühe Jugend ist nicht viel bekannt. Am 24. März 1862 schrieb er sich als Soldat in die Gonzales-Kompanie der Konföderierten Armee ein. Als er drei Tage später in San Antonio anlangte, wurde er der Company F des 2. Regiments der Texas Mounted Rifles zugeteilt und taucht in den Listen dieser Einheit als „Private“ auf. Ein Jahr später zeigen ihn die Soldlisten als „P. H. Coe, First Lieutenant.“

Nach Ende des Krieges ist es möglich, dass Coe mit seinem Freund Ben Thompson, der ebenfalls in der Armee gedient hatte, als Söldner nach Mexiko ging und in die Armee von Kaiser Maximilian eintrat. Aber das ist Spekulation, genau dokumentieren lässt sich das nicht.

Nach dem Zusammenbruch des mexikanischen Kaiserreiches, tauchte er irgendwann in Kansas auf. In dieser Zeit wuchsen die Verladestationen der Eisenbahn in Kansas, wo die knochigen Longhorns aus Texas verladen und zu den Schlachthöfen in Chicago transportiert wurden. Der Cowboy-Mythos entstand. Coe eröffnete seinen ersten Saloon mit Spieltischen. Im Mai kaufte er zusammen mit Ben Thompson den „Bull’s Head Saloon“ in Abilene. Der Saloon unterschied sich von anderen durch seine auffällige Dekoration. Er war an der Außenfront mit einem mächtigen Bullen bemalt, der einen großen Penis trug. Das Bild regte die bürgerliche Bevölkerung von Abilene auf, die ultimativ die Entfernung dieses Gemäldes verlangte.

Coe weigerte sich. Auf den Hinweis, dass Hickok, der Town Marshal, ein gefährlicher Schütze sei, prahlte Coe damit, dass er mindestens ebenso gut sei und eine Krähe im Flug töten könne. Hickok bemerkte daraufhin lakonisch: „Trägt die Krähe einen Revolver? Schießt sie zurück?“

Dieser öffentliche Streit war jedoch nicht der einzige Grund, dass Hickok und Coe ein eher gespanntes Verhältnis hatten. Es gab darüber hinaus einen sehr persönlichen Konflikt. Sowohl Coe als auch der Marshal waren an einer Prostituierten interessiert. Jessie Hasel (oder Hazell) unterhielt ein Verhältnis mit beiden Männern. Hickock hätte sich daran nicht gestört. In wilden Städten wie Abilene waren solche Dreiecksverhältnisse nicht selten. Jeder Beteiligte hatte seine Vorteile davon. Hickok war der letzte, der eifersüchtige Gefühle entwickelte. Phil Coe war anders. Er sah die “shady Lady” als sein Eigentum an, zumal es damals in Abilene ein starkes Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern gab. Einer von Hickoks Biographen, Tom Clavin, schrieb, „dass es für jede Frau in Abilene um die 50 Männer gab“.

Ferner äußerte Hickok öffentlich den Verdacht, dass in Coes Saloon falsch gespielt wurde.
Ben Thompson versuchte, den gefährlichen John Wesley Hardin zu überreden, Hickok zum Kampf herauszufordern. Der dachte nicht daran. Coe wiederum versuchte, die jungen Cowboys in seinem Saloon gegen Hickok aufzuhetzen.

Am Abend des 5. Oktober 1871 hatte sich eine Schlägerei aus dem „Bull’s Head“ auf die Straße verlagert. Marshal Hickok erschien mit einem Deputy, um die Ruhe wiederherzustellen. Phil Coe versuchte, die Gelegenheit zu nutzen und feuerte mehrere Schüsse auf den Marshal ab. Er verfehlte sein Ziel. Hickok schoss zurück und traf mit der ersten Kugel seinen eigenen Deputy, Mark Williams, der seinem Chef zu Hilfe kommen wollte. Williams war auf der Stelle tot. Dieser Unfall verfolgte Hickok für den Rest seines Lebens.

Seine folgenden Schüsse aber trafen Phil Coe. Coe wurde in die Praxis eines Arztes getragen, wo er am 9. Oktober 1871 starb. Sein Leichnam wurde nach Texas überführt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

 

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