Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Legende Annie Oakley?
Wie war das mit der Legende Annie Oakley?
: Am 3. November 1926 starb in den USA eine Frau, die zeitweise die berühmteste Amerikanerin der Welt war: ANNIE OAKLEY: Sie war schon zu Lebzeiten eine Legende. Daran änderte sich nichts. Sie wurde schließlich die Heldin eines Musicals: ANNIE GET YOUR GUN. Hier wurde ihre erstaunliche Geschichte thematisiert und popularisiert.
Es fällt schwer, diese bemerkenswerte Frau mit wenigen Absätzen zu charakterisieren.
Geboren am 13. August 1860 als Phoebe Ann Mosey in einem Blockhaus am Rande des Waldlandes zwischen Ohio und Indiana, war sie das 6. von 9 Kindern einer alten Quäker-Familie. Ihr Vater, ein Veteran des Krieges mit England 1812-14, starb nur 6 Jahre nach ihrer Geburt an Lungenentzündung.
Der Tod des Vaters stürzte die Familie in Armut. Zwar heiratete die Mutter noch einmal, aber auch dieser Mann starb früh, so dass die heranwachsenden Kinder zum Unterhalt beitragen mussten, um die kleine Farm halten zu können.
Diese Situation führte dazu, dass Annie nicht ständig zur Schule gehen konnte. Sie arbeitete von Kindesbeinen an als Haushaltshilfe für verschiedene Familien. Besonders von einer wurde sie wie eine Sklavin gehalten. In ihrer Autobiografie nannte sie diese Familie „Die Wölfe“. Sie lief davon, als sich ihr die Möglichkeit bot.
Seit sie 7 Jahre alt war, ging sie auf die Jagd, zunächst um den Speisezettel der Familie zu bereichern, später, um das erlegte Wild an örtliche Geschäfte zu verkaufen. Auf diese Weise zahlte sie faktisch die Hypothek der elterlichen Farm ab, bis sie 15 war.
Sie entwickelte ein unglaubliches Talent als Schützin.
Im Herbst 1881 trat der berühmte Kunstschütze Frank Butler in Cincinnati auf. Er wettete üblicherweise bei jedem seiner Auftritte mit örtlichen Jägern darum, wer ihn schlagen könne. Zu seiner Überraschung brachte ein Hotelier die 21jährige Annie Mosey zu ihm.
Von 25 Schüssen traf Annie 25 mal – und Butler nur 24 mal. Er verlor die Wette – und er begann sofort um Annie zu werben. Am 20. Juni 1882 heirateten sie.
Er nahm Annie zunächst als seine Assitentin mit auf Tournee – aber schon bald lief sie ihm den Rang ab. Ihren Künstlernamen „Oakley“ wählte sie wahrscheinlich von einem kleinen Ort dieses Namens unweit von Cincinnati, wo sie aufgewachsen war.
1885 schloss sie einen Vertrag mit der berühmtesten Wild-West-Show jener Zeit ab: „Buffalo Bill’s Wild West“. Von nun an trat sie allein auf und war der absolute Star. Ihr Mann, Frank Butler, agierte ab jetzt als ihr Manager.
Sie wurde zur internationalen Attraktion. Ihr Spitzname war „Little Sure Shot“. Der große Sioux-Häuptling Sitting Bull, der eine Saison mit Buffalo Bill reiste, gab ihr den Namen „Watanya Cicilla“. Sie zerschoss geworfene Glaskugeln, schoss mit traumhafter Sicherheit mit Hilfe eines Spiegels auf Objekte hinter ihrem Rücken, sie zerschoss in die Luft geworfene Münzen und schoss ihrem Ehemann Zigaretten aus dem Mund. Sie schoss Korken aus Weinflaschen.
Während eines Auftritts in Berlin schoss sie dem Kronprinzen und späteren Kaiser Wilhelm die Glut von der Zigarre.
1894 trat sie in einem der ersten von Thomas Edison produzierten Film „The Little Sure Shot of the Wild West“ auf.
1901 nahm ihr Leben eine dramatische Wende, als sie während eines Eisenbahnunfalls schwer verletzt wurde. Sie war zeitweise gelähmt, musste sich mehreren Rückgratoperationen unterziehen und nahm ihren Abschied aus dem internationalen Showgeschäft. Danach trat sie nur noch als Schauspielerin auf und gab Frauen Schießunterricht.
Die Oakley-Butlers ließen sich 1917 in North Carolina nieder. Noch in ihren Sechzigern stellte Annie Schießrekorde auf und trat öffentlich für Frauenrechte ein.
1922 war das Ehepaar noch einmal in einen schweren Autounfall verwickelt. Danach musste Annie eine Stahlmanschette an ihrem rechten Bein tragen. Trotzdem trat sie bis 1924 noch weiter mit Schießvorführungen auf. Ab 1925 hatte sie zunehmend gesundheitliche Probleme. Am 3. November 1926 starb sie im Alter von 66 Jahren an einer Form der Anämie (Blutarmut).
Berichten zufolge war Frank Butler derart deprimiert über den Tod seiner Frau, dass er aufhörte zu essen. Er starb nur 18 Tage später.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de
Kommentare
Er wird fehlen.