Tätowierungen - gestern wie heute nicht nur Männersache
Tätowierungen
Gestern wie heute nicht nur Männersache
Was wir heute als Tätowierung bezeichnen kommt von dem Begriff "tattoo". Dieser stammt aus der polynesischen Sprache und entwickelte sich über das dortige "Ta" (schlagen) zu dem tahitianischen Wort "tatau", was "jemanden markieren" bedeutet. Polynesien ist also der Ursprung dieses Begriffs.
Während Tattoos und andere Körpermodifiktionen Teil fast jeder antiken Kultur waren, haben Ägyptologen wenn überhaupt, dann bei eher bei Frauen als bei Männern Tätowierungen gefunden. Anhand von Mumien, die man an den historischen Begräbnisstätten fand, stellte man fest dass Tätowieren eine "fast nur bei Frauen durchgeführte Praxis im antiken Ägypten" war. Die Archäologin Joann Fletcher schreibt weiter "Mumien mit Tätowierungen wurden durch die (männlichen) Ausgräber normalerweise unbeachtet gelaseen, da diese offenbar annahmen, dass es sich um Frauen von 'fragwürdigem sozialen Status' handele, in einigen Fällen wurden diese [weiblichen Mumien] als 'Tänzerinnen' beschrieben."
Die weitere/moderne Forschung hat keine Hinweise darauf erbracht, dass es sich bei den im alten Ägypten keinesfalls so war, dass Tätowierungen ein Kennzeichen von TänzerInnen, Prostituierten, Konkubinen oder anderen Mitgliedern einer niedrigen sozialen Schicht handelte.
Ganz im Gegenteil: bei einer der Mumien, die früher als eine Konkubine beschrieben wurde, war in Wirklichkeit eine hochrangige Priesterin "namens Amunet, wie die Inschriften ihres Begräbnisses offenbarten".
Dies war dies nicht nur ein einziges Mal geschehen, denn es gibt einige Beispiele dafür, dass die frühe(re)n Archäologen falsche Schlüsse gezogen hatten. Diese Fehlannahmen machen auf interessante Weise deutlich, wie Wissenschaftler (historische) Fakten auf dem Hintergrund ihrer eigenen Zeit, Kultur und Gesellschaft interpretieren. Jene abwertenden Annahmen über Tätowierungen (und jene, die diese trugen), ebenso wie denen über Tänze, Geschlecht, Religion, gesellschaftliche Stellung oder Sexualität, an denen die frühen Forscher unnachgiebig festhielten, waren offensichtlich von dem Hintergrund ihrer eigenen Zeit bestimmt: dem 19. Jahrhundert. Von diesen Annahmen waren sie selbst dann nicht abzubringen, wenn sich im Laufe der weiteren Forschung zeigte, dass diese tätowierten Ägypterinnen, deren Mumien man in den Beisetzungen fand, keineswegs von niedrigem sozialen Status waren, sondern unzweifelhaft (hochrangige) Priesterinnen oder sogar Mitglieder der erweiterten königlichen Familien. Ähnlich wie in anderen Kulturen, Griechenland oder Rom beispielsweise, kann man davon ausgehen, dass es religiöse oder kultische Gründe gab, Glaube oder Aberglaube (je nachdem wie man es sehen möchte), seinen Körper mit Tätowierungen zu bedecken. (Quelle: Metropolitan Museum of Art, unter Copyright)
Gerade erst fand man neue Hinweise an einer Mumie, die zu den "Gebelein predynastic mummies" gehören, einer Gruppe von insgesamt sechs Körpern, die aus der Spätphase der Vordynastischen Zeit stammen. Wallis Budge, damals Leiter der Ägyptologie des British Museums, hatte sie Ende des 19. Jahrhundert nahe der Ortschaft Gebelein (heute Naga el-Gherira) in der ägyptischen Wüste entdeckt. in flachen Gräbern beigesetzt, gehörten diese Mumien, die auf natürliche Art und Weise durch die klimatischen Bedingungen mumifiziert wurden, zu den ersten vollständigen Körpern der Vordynastischen Phase ca 3.400 vor Christus. Zu dieser Zeit wurden Tote noch nicht künstlich mumifiziert und in Rückenlage begraben, sondern man setzte sie üblicherweise auf der linken Seite liegend bei, die Knie bis zum Kinn hochgezogen, zumeist nackt und mit wenigen Grabbeigaben.
Bisher war man davon ausgegangen, dass die Praxis des Tätowierens aus der Zeit des Mittleren Reiches stammte (11.-13. Dynastie, etwa 2.040 bis 1.782 vor Christi Geburt), dort hatte man den frühesten schlüssigen Nachweis der Praxis des Tätowierens im Alten Ägypten gefunden. 2018 jedoch warf man einen weiteren Blick auf zwei der natürlich mumifizierten Körper, die aus der Prädynastischen Zeit stammten.
Joshua Mark schrieb darüber in der World History Encyclopedia. Es handelte sich dabei um einen Mann und eine Frau, die aus einer Phase über tausend Jahre vor dem Mittleren Reich lebten. Forscher des Britischen Museums suchten hier gezielt nach Zeichen für (gewollte/künstliche/geplante) Veränderungen des Körpers, die früheren Ägyptologen entgangen sein könnten. Anders als Sir Wallis Budge (Fotografie: Victorianweb.org) hatte man natürlich die Möglichkeit, CT-Untersuchungen durchzuführen, Radiocarbon Datierung und Infrarot-Bilder. Was man da fand sorgte dafür, dass "Nachweise für Tätowierungen in Afrika ein weiteres Jahrtausend zurückgepusht wurden".
Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Epoche nicht viel früher (wenn überhaupt) als Ötzi, bei dem man ja auch jede Menge Tätowierungen fand - über 60 um genau(er) zu sein. Weitere Details schilderte der Museumsblog.
Von den insgesamt sechs Gebelein Mumien konnten bei nicht allen das Geschlecht festgestellt werden, man untersuchte hier jedoch eine weibliche und eine männliche Mumie. Der Mann, den man "Gebelein Man A" nennt, trägt auf seinem Bizeps einige Bilder. Erst durch Infrarotbilder stellten die Forscher fest, dass es sich bei einigen "dunklen Flecken" (bei natürlichem Licht) auf dem Oberarm der Mumie nicht nur einfach um irgendwelche kaum sichtbare Flecken handelte.
Unter Infrarot entdeckte man Zeichnungen, mehr noch: die Tattoos waren zwei gehörnte Tiere, die sich leicht überlappten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man die Flecken nicht weiter untersucht.
Die Tätowierungen ließen sich als ein wildes Schaf (gekrümmte Hörner, klobige Schultern) und als wilder Bulle identifizieren, letzterer mit langem Schwanz und ausgeprägten Hörnern. In der Prädynstischen Phase der Ägyptischen Kunst waren beide Tiere bestens bekannt. Auch waren die Abbildungen nicht nur oberflächlich auf die Haut gemalt gewesen, sondern mit kohlehaltigen Farbpigmenten tief in die Hautschichten hineingestochen worden.
Auch der weibliche Körper, auch "Gebeleinfrau" genannt, trug Tätowierungen, die man identifizieren konnte. Auf der rechten Schulter und etwas tiefer auf dem rechten Arm. Auch die dort abgebildeten Motive konnte man mit Glaubensinhalten in Verbindung bringen: es waren zeremonielle Zeichnungen oder Verzierungen auf Tongefäßen. Dass Tätowierung tatsächlich von Bedeutung war, zeigen Werkzeuge zum Tätowieren aus der gleichen Zeit wie den Mumien, die man in anderen Gräbern entdeckte.
Später, im Mittleren Königreich, fand man andere Tätowierungen, die man mit der Bitte um Schutz in Verbindung bringen konnte, vor allem Riten der Fruchtbarkeit oder Geburt, etwas wie permanente Amulette oder praktische Magie. Vergleichbar mit den Erklärungen, die man für Tätowierungen auf dem Körper von Ötzi gefunden hatte.
Mehr über die Geschichte der Tattoos findet sich in einem anderen Artikel - natürlich auch aus der Open Culture.