»Lasst das mal den NATHAN machen!« - Und das Schild auf Harry Trumans Schreibtisch
»Lasst das mal den NATHAN machen!«
und das Schild auf Harry Trumans Schreibtisch
Altleser erinnern sich vielleicht an Thomas Cardif, Perry Rhodans Sohn aus erster Ehe mit Thora da Zoltral-Rhodan. Das leistungsfähigste Rechengehirn im Sonnensystem – damals noch die Positronik der ehemaligen arkonidischen Kolonie auf der Venus – erstellte eine ungünstige Sozialprognose für die Persönlichkeitsentwicklung, falls Thomas als Sohn Perry Rhodans aufwachsen sollte. Der Rechner erarbeitete einen Alternativvorschlag, den die Eltern billigten: Thomas sollte bei Pflegeeltern aufwachsen und sich aus eigener Kraft ein Leben schaffen, und erst wenn er das erreicht hatte, sollte ihm seine Herkunft eröffnet werden.
So etwas kann funktionieren. Perry Rhodans nächster Sohn Michael tauchte aus eigenem Antrieb bei den Freihändlern unter und erschuf sich selbst neu als Roi Danton. An die zweitausend Jahre später wuchs der „Sternenbastard“ Kantiran bei Pflegeeltern auf und wurde auf eine Karriere im Dienst Arkons vorbereitet. Bei Thomas Cardif allerdings ging die Rechnung nicht auf – er wurde zum erbitterten Feind seines Vaters und starb gerade noch rechtzeitig, bevor er auf seinem Rachefeldzug das Solare Imperium und das Imperium von Arkon zerschlagen konnte.
Das arkonidische Imperium wurde kurz nach der Begegnung Perry Rhodans mit den Arkoniden vom "Großen Koordinator" übernommen, nachdem dessen Algorithmen zu dem Schluss gelangt waren, dass der regierende Imperator und auch alle seine Zeitgenossen nicht mehr die notwendige Entschlossenheit und Tatkraft besaßen, um den Fortbestand des Imperiums zu gewährleisten. Der Robotregent setzte dabei auf Robotraumschiffe, die von Kolonialarkoniden und von Naats befehligt werden sollten. Man mag sich kaum vorstellen, wie es dem Großen Imperium ergangen wäre, wenn die Druuf es mit fiktivspielsüchtigen Schlaffis wie der Mannschaft Thoras zu tun bekommen hätten!
Und doch …
1961 erschien Isaac Asimovs Kurzgeschichte „The Machine That Won the War“. Der Krieg gegen die Deneber ist vorbei und gewonnen, auf der Erde finden Siegesfeiern statt, und drei wichtige Menschen treffen sich und denken laut darüber nach, wie der Computer MULTIVAC den Krieg gewonnen hat. Nur …
Der Leiter des Dateneingabeteams gibt zu, dass in der Schlussphase des Krieges die Berichte der Agenten und Aufklärungseinheiten immer lückenhaftere und widersprüchlichere Bilder ergaben – und dass er letzten Endes selbst die Auswahl treffen musste, welchen Berichten er vertraute und welchen nicht, was er an die Maschine weitergab und was nicht.
Dann räumt der Chef der Auswerter ein, dass in der letzten Phase des Krieges so viele fähige Mitarbeiter nicht mehr da waren und so viele notwendigen Wartungsarbeiten wegen Mangels an geschultem Personal und Ersatzteilen ausgefallen waren, dass er den Ergebnissen MULTIVACS nicht mehr vertrauen durfte, sondern seinerseits eine Auswahl traf, was ihm wahrscheinlich und realistisch erschien und was nicht.
Woraufhin der Oberbefehlshaber der Solaren Föderation zugibt, dass er in der letzten Phase des Krieges sich gar nicht mehr auf MULTIVACS Berechnungen und Analysen verlassen hat – die ja nach seinem Verständnis auch nur Vorschläge waren, was man tun und was man lassen sollte, aber oft genug etwa so zweideutig wie die Äußerungen des Orakels von Delphi. Und so traf der Oberbefehlshaber seine Entscheidungen schließlich, indem er eine Münze warf …
Computer liefern Entscheidungshilfen, aber diese Entscheidungshilfen sind nur so gut wie die Daten, auf deren Basis sie berechnet werden, und die Algorithmen, die diese Berechnungen durchführen. Und an dieser Stelle komme ich zu Harry Trumans Schreibtisch. Dort stand ein Schild, das die Worte trug: „The buck stops here“ - annähernd übersetzbar als „Der Schwarze Peter landet hier.“ Computer und Sachverständige können Entscheidungshilfen liefern, aber die Entscheidung sollte ein Mensch fällen – der damit auch die Verantwortung dafür übernimmt. So trägt letzten Endes Präsident Harry Truman die Verantwortung für den Einsatz von zwei Nuklearwaffen gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.
Er hätte auch nur eine Bombe einsetzen lassen können, oder gar keine – oder eine davon gegen ein unbewohntes Ziel, um japanischen Beobachtern einen Eindruck von ihrer Zerstörungskraft zu geben. Präsident Truman hatte eine Entscheidung zu treffen, und das tat er. Und viele tausend US-Marinesoldaten waren ihrem Präsidenten sehr dankbar, dass sie die japanischen Hauptinseln Kyushu und Honshu nicht vom Strand her erobern mussten wie zuvor Iwo Jima (6.836 Gefallene, 19.217 Verwundete) und Okinawa (12.582 Tote, 39.000 Verwundete).
Irgendwann in den nächsten Wochen werde ich mich dann auch mal über Sachverständige, Experten und Wirtschaftsweise äußern, die von „alternativlosen Entscheidungen“ reden und demokratisch legitimierte Volksvertreter damit zu ihren Handpuppen degradieren – und über Volksvertreter, die sich bereitwillig degradieren lassen. Weil sie vor der Verantwortung zurückscheuen, die ihre Position mit sich bringt, und sie auf ihre Berater verteilen wollen. Aber vorher sollte ich Theodore Roszaks „The Making of a Counter Culture“ noch einmal lesen.