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Wie würden Sie einen Zyklus konzipieren? - Eine Kurzüberlegung

1Wie würden Sie einen Zyklus konzipieren?
Eine Kurzüberlegung

Also, um das vorwegzunehmen, wir wissen natürlich nicht, wie die aktuellen Expokraten, Herr Vandemaan und Herr Montillon, dies tun. Sie werden es uns auch kaum verraten, es sei denn sie plaudern in ihren Randbemerkungen und Blogs zum Perry aus der Schule. Aber selbst dann erfahren wir nur Wissenswertes über die Zusammenarbeit der beiden und wenig bis gar keine informationen zu den allgemeinen Grundlagen der angewandten Methodik.


Die Methodik wird natürlich auch verständlicherweise „geheim“ gehalten, denn irgendetwas muss der Expokrat ja auch noch für sich behalten, der Leser soll eben nicht alles vorab wissen, auch nicht die Methodik. So! Lange Rede, kurzer Sinn!

Also, wie würden wir vorgehen? Angenommen, es handelt sich um einen gänzlich neuen Zyklus von , sagen wir 100 Bänden, der zwar zeitlich kontinuierlich an den letzten anschließt, jedoch thematisch völlig eigenständig ist, was tun?

Nun, das einfachste Modell, das sich hier anwenden lässt, ist das des klassischen griechischen Fünfakters nach der Methode des Aristoteles, in der früheren Moderne von Gustav Freytag für das Drama literaturtheoretisch wiederbelebt: 1. Introduktion oder Exposition: die handelnden Personen werden eingeführt, der dramatische Konflikt kündigt sich an..2. Steigerung. Steigende Handlung mit erregendem Moment: Katastase 3. Höhepunkt, Peripetie, die Handlung erreicht ihren Höhepunkt: Klimax. 4. Abschwung  oder retardierendes, verzögerndes Moment: fallende Handlung mit hinhaltenden Momenten (das ist  dann die Stelle, wo der Leser dann denkt, der Zyklus zieht sich...)d.h. Die Handlung verlangsamt sich, um in einer Phase der höchsten Spannung auf die bevorstehende Katastrophe hinzuwirken.5.Schlussdramatik bzw. Katastrophe: es kommt zur Entscheidung und Perryrettetmal wiederdas Universum...oder Gucky.

In einem Perryzyklus ist der Kurvenverlauf allerdings verschoben: die Einleitung mag 10-25 Bände betragen, die Steigerung ebenfalls, zum Band 50 des Zyklus mag es einen eher kleineren Handlungshöhepunkt geben, spieltheoretisch spricht man hier von einem Submaximum, der im Drama geforderte Abschwung der Handlung  kann allerdings zwischen den 60-75er Bänden statt dessen gesteigert werden, wobei der Sache gemäß auch immer ein paar Hänger auftreten, im allgemeinen als Füllromane bezeichnet. Die Gefahr des Auftretens  dieser Füllromane kann allerdings in jedem Zyklusteil passieren, entweder weil ein Autor eine für die Gesamthandlung unwichtige Nebenaktion abhandeln muss, um das allgemeine Ambiente abzurunden, etwa die Schilderung einer faszinierenden kosmischen Kultur, die aber nur marginal im Rahmen der Gesamthandlung vorkommt oder weil, serientechnisch bedingt, ein neuer Autor/in auftritt, der sein/ihr Können erst einmal in einem Nebenroman beweisen soll.

Der Spannungsrahmen unseres Perryzyklus ist also nicht ganz dem Drama des Theaters entnommen, vielmehr können wir ihn eher mit einem Detektivroman vergleichen, in dem der Forschende Stück für Stück investigativ die Charakterzüge, Motive und Handlungen des Gesuchten aufdeckt. Ist das im Krimi meist ein einzelner Mörder (von Ausnahmen abgesehen), so sind es im Perry-Rhodan-Zyklus eben ganze Völker oder Volksgruppen, mitunter auch Zusammenschlüsse mehrerer Völker, die auch öfter von Superintelligenzen irregeleitet werden, die wieder auf den richtigen weg gebracht werden müssen. Aber dazu muss man eben ihre Geheimnisse kennen...und diese können im Rahmen der Gesamthandlung eben erst stückweise aufgedeckt werden, das macht die Spannung im Großen aus, die ja von Woche zu Woche erhalten werden muss, ja sogar gesteigert. Der Nebel des Unwissens wird für den Leser also erst stückweise gelüftet, damit er mitraten kann, wie die handelnden Helden ihre Aufgaben lösen werden und die momentan auftretende Problematik der aktuellen kosmischen Bedrohung bewältigen werden. Dazu müssen die einzelnen Romane über die Spannung erhaltende Cliffhanger miteinander gekoppelt werden. Gilt für das klassische Theater auch die Einheit von Raum und Zeit, so muss das im Perryversum gleich aus mehreren Gründen nicht erfüllt sein. Erstens wird die Handlung weiter, wenn man die Schauplätze verdoppelt, eine Verdreifachung oder mehr kann dann schon wieder zu Langeweile führen, weil die Handlung nicht kompakt genug voranschreitet und Verzettelung droht. Aber zwei Handlungsorte lassen sich schon seit dem MDI-Zyklus gut miteinander verzahnen.
Dann muss der Höhepunkt des Zyklus in Richtung Ende verlegt werden, also auch hier kein klassisches Theater. Die Handlung muss sich ab den 90er Bänden abrunden, an Klarheit gewinnen, das Ziel des Zyklus muss erkennbar sein, die Autoren bereits darauf hinarbeiten, wobei der eine oder andere Spannungsbogen nicht nur erlaubt, sondern geradezu notwendig ist, um erst kurz vor Zyklusende aufgelöst zu werden, etwa eine Bedrohung Terras durch eine psimateriegenerierte Sonne oder ähnliches. Dann läuft unser Zyklus mit den letzten beiden Bänden seinem Ende zu, wobei unbedingt im letzten Band noch eine große Entscheidung zum Ende hin herbeigeführt werden muss, die lange ihrer Aufklärung harrte. Drittens ist in einer SF-Serie ohnehin niemand an eine feste Raum-Zeit gebunden, so dass hier fast beliebige Koordinatenwechsel vorgenommen werden können, sowohl räumlich als auch zeitlich oder beides oder eines davon sogar negierend.

Falls wir keinen vollständig eigenen, neuen Zyklus generieren wollen, der für sich selbst steht, dann betrachten wir ihn nach Newton als einen „Zwerg auf der Schulter eines Riesen“...d.h. wir bauen Schleifen ein, die Themen aus älteren Zyklen variieren und wiederaufnehmen, etwa die Bedrohung der Milchstraße durch die MDI. Hier haben wir einen großen Fundus aus 2800 Bänden, aus dem wir schöpfen können, und uns steinbruchartig bedienen, falls uns keine eigene Handlung mehr einfällt oder wir Remineszenzen an ältere Zyklen zugunsten der Leserschaft machen wollen, um die Kundenbindung durch Wiedererkennungseffekte zu erhalten.Insbesondere die sogenannten „Altleser“ würden das vielleicht schätzen, und den Neulesern, so es welche geben sollte außerhalb von NEO, würde das nichts abtun.

Dann darf nicht vergessen werden, dass der nächste Zyklus bereits im Laufenden vorbereitet werden muss. Ab und zu ein paar unaufgelöste Spuren müssen eingestreut werden, mindestens ab den 70er Bänden, in den 20ern würde das die Leser doch eher irritieren, da hier der Gesamthandlungsbogen zu groß würde. Aber in den 70ern weiß der Leser ja bereits, dass sich der Zyklus dem Ende nähert und erwartet auch bereits Schlüsselrätsel, die auf kommende Handlungen im nächsten Zyklus hinweisen.

So, jetzt sind wir fertig mit der Zyklusplanung.. Jetzt müssen nur noch die Großexposes aus den Rahmenhandlungen geschrieben werden, und dann erfolgt die Zuteilung der Handlung zu den einzelnen Untergeschehnissen und den einzelnen Romanen. Wir können auch bereits festlegen, welcher von unseren Lieblingsautoren den ersten BandXX01, den 50sten und den letzten XX99 schreiben wird. Frisch ans Werk, ihr Zykluserfinder!

(C) 2015 by H. Döring und Aarn Munro

 

Kommentare  

#1 Peter Glasmacher 2015-05-19 16:14
Die Altleserschublade! :-). Nur gut das ich Altleser bin und trotzdem davon träume, dass irgendwann einmal jemand diese MdI ( und m.E. auch sofort noch eine ganze Bande sonstiger angeblicher Altleserschätzchen endgültig in irgendein Endlager verbringt. Diese MdI und Laren gehen mir ja sowas von auf den Keks! Sowas von ! Die ersteren seit über 40 Jahren. Und immer noch kein Ende. hrmpffff
#2 AARN MUNRO 2015-05-19 20:44
Die MDI hatte ich in obigem Artikel nur als Beispiel herangezogen, weil die heutigen Expokraten sie gerade wieder verhackstücken, zusammen mit Vetris-Molaud, dem tefroder-Chefchen...sie fallen mir selbst auf den Wecker, laßt sie ruhen... ;-)

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