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Die Logik der Darstellung... oder: Ich bin Schriftsteller, ich darf das...

1 Die Logik der Darstellung ...
... oder: Ich bin Schriftsteller, ich darf das ...

„...Atlan spürte einen harten Klumpen in seiner Außentasche des Kampfanzuges. Unwillkürlich griff er hinein. „Aha, der Telepathor!“ sagte er laut und musterte das kleine  Gerät. Mit einem Fingerschnippen war es eingeschaltet. Jetzt konnte ein eventueller, äußerer Beobachter auch seine Gedanken lesen, die er bewusst projizieren wollte. Deshalb musste er nicht mehr laut reden. Auch der Extrasinn konnte einem Außenstehenden jetzt verständlich gemacht werden.

 

Das ist gut so! kommentierte dieser prompt. Finde ich auch, dachte Atlan zurück...“

Hier liegt ein logischer Schluss vor, weshalb ich als Leser, als „außenstehender Beobachter“; jetzt in Atlans Kopf sehen kann bzw. erfahren kann, was er denkt. Die logische Kausalkette von seinen Gedanken zu dem, was ich erfahren kann, und vor allen Dingen, wie ich es erfahren kann, ist klar und eindeutig geklärt.

Wenn diese Erklärung nicht vorliegt, sollte ein Schreiber dann: „Perry dachte an Thora zurück und...“ schreiben dürfen? Woher weiß ich als Leser, was er dachte? Darf Literatur, auch, wenn sie inhaltlich fiktiv ist, dies auch formal sein...oder sollte sie sich ausschließlich einer behaviouristischen Schreibweise bedienen? Auch im Realleben kann ich als Leser ja in Niemandes Kopf gucken, nur in meinen eigenen. Jede Information wird mir über äußere Beobachtungen durch die Sinnesorgane zugeleitet.

Inhaltlich soll der Schreiber also über Hyperräume und phantastische Wesen, die nicht im Realleben existieren, erzählen dürfen? Formal sollte er sich aber an eine logisch wirkende Kommunikationskette halten? Ja oder nein?

Darf der Schriftsteller, der ja auch inhaltlich erfindet, hier auch den formalen Schreibstil als Erfindung verwenden? Oder sollte er nicht?

Den meisten Lesern ist das egal, gerade im Horrorbereich wird gern mit der „inner-space“ Schiene geschrieben, um die gefühlte Wirkung zu verstärken. Mir ist das nicht egal. Für mich liegt hier ein Logikbruch vor im Kommunikationsnetz, den ich so nicht akzeptieren kann. In der SF am bekanntesten war hier einst „Es stirbt in mir“ von Robert Silverberg, ein Roman des damaligen „New Wave“, der über einen Telepathen schreibt, dessen Gabe erlischt.

Die letzten hundert Jahre seit Hugo Gernsback sahen viele Stile, viele Formen und Inhalte: von der Techo-SF über die soziologische Welt der Antiutopien (Brave new world, 1984, Equilibrium) bis hin zur planetaren Enzyklopädieerzählung (Darkover, Dune) oder eben auch der Psychoschreibe.

In der SF möchte ich selbst aber wenigstens eine logisch erscheinende Erklärung haben, wieso ich jetzt auf einmal in den Kopf des Protagonisten sehen kann. Ansonsten bevorzuge ich die Schreibweise des Behaviourismus, die auch sehr gute SF -Romane ergab. Insbesondere in der DDR sind sehr viele gute Bände erschienen, die über diese Methode Außenbeobachtungen beschrieben.

„Er sah am Zucken der Augenbrauen, dass der Cosmander müde war! Also schwieg er lieber!“

Es geht um Handlungen, die auf äußeren Geschehnissen basieren, auf äußeren Beobachtungen aufbauen wie in der realen Welt. Fiktive Tatsachen! Fiktiv aber Tatsachen. Dinge, die von außen klar und logisch eingesehen werden können. Beobachtet!  Meine Meinung ist also: Die Welt darf fiktiv sein, die Denke nicht, somit auch nicht die Schreibe! Es sei denn, die logische Kausalkette wird erklärt, wie ganz oben im Erzähltext über Atlan geschehen.

Ich gebe zu, dass ich mit dieser Forderung ziemlich allein da stehe, den meisten Lesern ist das egal. Sie denken nicht darüber nach oder betrachten diese Ausdrucksweisen als legitime Stilmittel im Handwerk eines Schriftstellers. Sogar bei gewissen Heftromanen... Mir aber nicht. Das muss an meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung liegen, die formale Logik förderte...ich kann nicht eine  stilistische Darstellung akzeptieren, die nicht erklärt, wie ich in den Kopf des Protagonisten sehen kann. Das gilt auch für die Beschreibung von Psi-Kräften. Es ist ja schön, wenn Gucky telepathiert (früher gelang es den Autoren auch, ihn  von außen zu beschreiben: "Na, wieder in meinen Gedanken spioniert, Kleiner?"  "Och, Perry, ich..."), aber ich kann als Leser nicht kausallogisch in seinen Kopf sehen, denn ich bin kein Telepath und kein Schriftsteller kann mich dazu machen.

In anderen Reihen wie etwa bei Prof. Zamorra, Sinclair, Rex Corda oder Ren Dhark finden wir diese Stilarten nicht. Bei RC gibt es die sehr schöne Idee, mit Mikrokameras die Außendarstellung zu schildern oder die Übertragung an das Schiff durch Bronzeroboter auszuführen, wo die Kommandanten dann der planetaren Handlung kameratechnisch logisch folgen können.Das ist authentisch.

Die Kamera im Kopf des Protagonisten hingegen ist vollständig erzähltechnisch unlogisch.Natürlich gibt es viel Text, der so formuliert wurde, auch außerhalb der SF. Weltliteratur. Dennoch kann ich den Logikbruch in der Kausalkette der Kommunikationstransfers nicht akzeptieren. So ist es eben! Punktum!

© 2016 by H. Döring

Kommentare  

#1 Larandil 2016-11-22 08:09
Wenn der Blick in den Kopf des Protagonisten für Thomas Mann und Jack London legitim war, dann ist er auch gut genug für mich. So ist es eben.
#2 Peter Glasmacher 2016-11-22 12:53
Zitat:
Formal sollte er sich aber an eine logisch wirkende Kommunikationskette halten? Ja oder nein?
Zitat Ende

Natürlich! Deshalb bin ich ja ob der aktuellen Verschwurbelungen in der PR Erstauflage dauerangep....
#3 Kaffee-Charly 2016-11-22 23:06
Und wieder mal versucht H. Döring gegen das Denken von Romanfiguren zu fechten - gäääähn!!!
Erinnert ziemlich stark an Don Quijotes vergeblichen Kampf gegen die Windmühlen.
Und wie der "Ritter von der traurigen Gestalt" begreift H. Döring einfach nicht, dass er diesen albernen und völlig sinnlosen Kampf nicht gewinnen kann.
Außerdem wird's langsam echt fad. :zzz

Und ja!
Autoren dürfen ihre Leser an den Gedanken einer Figur teilhaben lassen!
Denn es ist schon seit Ewigkeiten in der Literatur gang und gäbe und hat eine Jahrhunderte lange Tradition.
Ein "Don Quijote" H. Döring wird dagegen nichts ausrichten können, auch wenn er sich noch so sehr damit abmüht, gegen Windmühlen zu kämpfen.

zitiere Larandil:
Wenn der Blick in den Kopf des Protagonisten für Thomas Mann und Jack London legitim war, dann ist er auch gut genug für mich. So ist es eben.

Genau so ist es !
#4 Advok 2016-11-24 18:24
Ich kann Kaffee-Charly nur zustimmen: Gähn (zum Thema ...)

Dennoch kann ich es mir nicht verkneifen, wieder einige Worte dazu zu verlieren.

Zum 1.: Nein. Ein Leser ist in der Regel kein außenstehender Beobachter. Dazu mag er bei einigen Romanen verdammt sein, doch in der Regel sollte er mit den Augen der Figuren (ja, bewusst Mehrzahl!) sehen dürfen.
Den außenstehenden Beobachter gibt es nicht. Sonst müsste er ja desöfteren bei der Handlung eingreifen, um sich nicht mitschuldig zu machen, wenn mal was ungesetzliches passiert.
Der Leser darf mitfiebern, mitfühlen, mitdenken, sich mit den Handlungsträgern auseinandersetzen - auch mit deren Innenleben. Wenn du den Leser nur als außenstehenden Beobachter begreifst, nimmst Du den Schriftstellern viele Möglichkeiten und dem Leser viele schöne Momente.

Und mit Logik hat Deine Position, H.Döring, leider auch nicht viel gemein:
„Er sah am Zucken der Augenbrauen, dass der Commander müde war! Also schwieg er lieber!“
Soso, so muss also eine Geschichte erzählt werden.
Aber Moment einmal. Woher weißt Du, dass "er" gesehen hat, dass er müde war? Hat er nicht im Moment des Augenbrauenzuckens selbst geblinzelt? Haben seine Augen getränt? Warum weißt Du überhaubt, was "er" sieht?

Gehen wir mal wirklich logisch vor:
Dich als außenstehenden Beobachter gibt es nicht!
Basta.
Wenn Du dabei sein willst, dann richtig.
Immer diese Weicheier, die ein wenig dabei sein wollen, aber dann, wenn es gefährlich wird, aus logischen Gründen nicht mitleiden wollen.

Also, ich hoffe, dass dies diesmal das letzte Mal war, dass Du diese Deine Weicheithese vertreten hast!

;-) ;-) ;-)
#5 Laurin 2016-11-25 18:36
Ich sage es mal mit einfachen Worten:
Er ist der Schriftsteller, deshalb darf er das ...
;-)

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