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SF als Spiegel der Welt? - Politik und Perry

1SF als Spiegel der Welt?
Politik und Perry

Viele Leser wünschen sich die SF und so auch den Perry als Abbild der realen Welt. Die SF soll die Probleme der Wirklichkeit 0.1 widerspiegeln, etwa die Gefahren der Genetik (Cantaro) oder andere, soziale oder gesellschaftliche Fragestellungen.

Das Anliegen der Radioaktivität durch Kernreaktoren und ihre Abfälle wurde ja z.B. bei Mark Brandis diskutiert  ...

Einige Autoren, wie etwa Leo Lukas oder auch Wim Vandemaan lassen durchaus marginale Gesellschaftskritik, wenn auch öfter in ironisierter Form in ihre Hefte einfließen. So eine Bemerkung macht das jeweilige Heft dann ganz sicher zu einem Zeitzeugen, anhand dessen spätere Literaturanalytiker das Heft recht eindeutig in eine politische Epoche einordnen können.

Andere Leser mögen diese Zeitbezüge nicht so sehr. Sie finden, dass die SF, insbesondere der Perry, abgehoben sein sollte von der realen Welt in jederlei Hinsicht. Die Wirklichkeit sollte für diese Gruppierung an Lesern nicht in die phantastische Handlung hineinspiegeln, sondern jedwede Erzählung sollte rein fiktiv sein, reine und echte Erfindung der Phantasie.

Politische oder gesellschaftliche Bezüge aus der Realwelt geben in verfremdeter Form immer wieder zum amüsieren Anlass, brechen jedoch die reine Phantasie auch ohne direkte Jahreszahlenangabe dadurch auf die Ebene der Wirklichkeit hinab. Der eine Eskapismus, den viele Leser für zwei Stunden in der Woche wünschen, wird daurch erneut an der Wirklichkeit gespiegelt und die Realität wird in die Handlung der Perryromane, wenn auch nur sehr gering, miteinbezogen.

Ist das nun gut oder nicht? Der in der freien Phantasie schwebende Leser landet wieder (Peng!) auf dem Boden der harten Tatsachen, wenn etwa Lukas die Pegida-Bewegung verfremdend ironisch in die Handlung einbaut.Es ist nichts mit zwei Stunden Flucht aus dem realen Leben.Die Rückkopplung reißt den Leser erinnernd zurück in die wirkliche Welt.

Ich selbst mag derlei Bezüge nicht, ansonsten sei es aber jedem Leser unbenommen, sich daran zu erfreuen. Wenn ich SF lese, die aus einer Serie entstammt, wie der ewige Perry, so muss die Reihe für mich nicht die Wirklichkeit in sozialen oder gesellschaftlichen Fragen widerspiegeln. Reine SF in der Ferne des Alls hat ihre eigenen Probleme und für die Behandlung derartiger Themen wie Utopien/Antutopien gibt es seit 1984, Brave New World oder Morus' Utopia bessere Einzelerzählungen. Die Perryserie muss das daher meines Erachtens nicht unbedingt widerspiegeln. Aber dieses Thema hängt eben auch davon ab, was den aktuellen Expokrateur und den jeweiligen Autoren im Kopf so beschäftigt. Mitunter muss es eben ein Einfluss aus der Wirklichkeitsebene sein, der mit in den aktuellen Kanon hineinfließt.

Ich selbst mag die reine, pure SF des Techno-Tech und des Sense of Wonder, der in fernen Welten spielt mit ihren eigenen, fiktiven Problemen, die man gerne erfinden darf und sie nicht herunter brechen muss auf die reale Welt wie eine gemessene, quantenmechanische Wellenfunktion.

Antiutopien und Dystopien gibt es genug in der SF und viele sind auch interessant zu lesen, spannend und wohlüberlegt konstruiert in Buch, Film Comic oder Game. Selbst beim Perry hat es das (z.B. unter Feldhoff oder Voltz) ja bereits gegeben: etwa „Terra in Trance“ oder auch die allgemeine gesellschaftliche Katastrophe in der Situation während der Schwarmverdummung.

In solchen Fällen fand ich die Serie, obwohl sie sich redlich bemühte, die beschriebene Problematik überzeugend darzustellen, immer am wenigsten überzeugend. Andererseits können hier aber auch Stärken liegen, welche die reine Abenteuerreihe eben auch von der puren Unterhaltung etwas abhebt und qualitativ auf einen höheren Level stellt. Gerade der Eskapismus der reinen, fantastischen SF ist ja ein Vorwurf, der einer trivialen Serie wie dem Perry seit je her von einigen Leuten gemacht wurde. Dennoch wünsche ich keine politischen Aussagen, die aus der Wirklichkeit stammen, sondern bitte mehr Fantasie!

(C) 2017 by H. Döring

Kommentare  

#1 Hermes 2017-10-24 10:59
Zitat:
Antiutopien und Dystopien gibt es genug in der SF und viele sind auch interessant zu lesen, spannend und wohlüberlegt konstruiert in Buch, Film Comic oder Game. Selbst beim Perry hat es dass (z.B. unter Feldhoff oder Voltz) ja bereits gegeben: etwa „Terra in Trance“ oder such die allgemeine gesellschaftliche Katastrophe in der Situation während der Schwarmverdummung.
Bei der Verdummung hat sich K.H. Scheer die 68er in Form des Homo Superior vorgeknöpft. Ob so etwas gefällt, hängt dann von der jeweiligen Einstellung des Lesers ab. Teilt er die Aversionen freut er sich, ist er aber gegenteiliger Meinung, hört er vielleicht sogar auf die Serie zu lesen.
#2 Rüdiger 2017-10-24 11:20
Man muß ja die Übertragbarkeiten nicht mit dem Holzhammer einflechten ... ("Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten"; Karl Kraus)

Karl May schrieb einmal, er schildere rein deutsche Begebenheiten in persischem Gewande ... das KANN man merken, muß es aber nicht ... auch die "nichtmerkenden" Leser haben ihre Freude, und so ist es gut ...

:-)

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