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Gehrmanns geniale Nebenideen - Die Aufpeppung des Perry

1Gehrmanns geniale Nebenideen
Die Aufpeppung des Perry

Um gleich einmal Klarheit einzustellen, es war nicht Horst Gehrmann alias H.-G. Ewers allein, der für die genialen Nebenideen sorgte. Selbst Scheer und Darlton gelang es in der Frühzeit, die Spannung durch scheinbar unwichtige Kleinigkeiten hochzuhalten, die nur am Rande der Geschehnisse vorkamen. Erwähnt seien nur die Zentrale der tausend Rätsel mit ihren mannigfachen Fallen und Aufgaben in der Zeitgruft oder die Tür  im Felsen auf dem fremden Planeten hinter Harno, als das Kugelwesen von Sergeant Harnahan entdeckt und mitgenommen wurde.

Horst Gehrmann aka H. G. EwersAber es war dann eben doch H.G. Ewers, dessen Stil ich früher eher schätzte, von dem ich aber heute in einigen Dingen doch etwas abgerückt bin, der diese Sache mit den genialen Nebenideen auf die Spitze trieb. Ich, als Leser, und vielleicht auch andere mochten das. Zweifellos aber hatte er des Öfteren damit die Geduld damaliger Expokraten und/oder Redakteure auf die extremste Weise strapaziert, indem er derlei Dinge auf die Spitze trieb. Erwähnt sei nur das berühmte „Dull“, das mit einer Zeitschale umgeben, sogar enger in die Handlung einbezogen wurde im Zusammenhang mit Lucky Log, dem Psi-Roboter und dem Zeitauge des Luna-Klubs. Hier warf HGE, wie seine fandomsinterne Abkürzung lautet, so manche kosmische Andeutung in die Waagschale der Erzählung, welche die eigentliche Handlung dann nur marginal unterstützte und als Geheimnis erst einmal einige Bände schweben blieb. Gehrmann war ein Meister dieser Art von Konstruktionen, die man heute wohl im Games-Jargon als „Easter-Eggs“ bezeichnen würde. Der Leser stolpert hier über irgend eine Nebensächlichkeit, die aber als Gadget so gut aufbereitet ist, dass sie die eigentliche Handlung überblendet, zumindest in diesem einen Moment.

Gehrmann konnte das gut, etwa wenn im M-87-Zyklus Tschai Kulu über geheimnisvolle Türen, Transmitter oder verborgene Gestalten aus der Zukunft stolpert, die für uns Leser dennoch eindeutig als Perry und Atlan erkennbar sind. Nicht nur bei dem Chaotenpaar Rorvic & a Hainu, dem Halb-Cyno-Mutanten und seinem PSI-Katalysator, kam dieser Sonderbonus zum Ausdruck - ein Paar von Gestalten, das er ursprünglich von Voltz übernahm, aber auf seine eigene, unnachahmliche Weise weiterentwickelte. Diese Beiden übrigens mochte auch nicht jeder Leser; ich selbst aber fand sie immer wieder sehr amüsant, trotz der strapaziösen Art, in der die beiden Kerle gestaltet waren.

Gehrmanns Romane lebten natürlich nicht von diesen Nebengadgets; sie waren voll in die Haupthandlung des Zyklus und der Exposes integriert. Mir als Leser gefiel aber seine überbordende Phantasie, die sogar in seinen Planetenroman-Taschenbüchern noch besser herauskommt. Dort führt er Technologien ein, die im Hauptzyklus noch nicht Standard oder Kanon waren, etwa bei den Söhnen des Lichtes. Im Heftroman hingegen fragte man sich immer wieder, wenn ein neuer HGE herauskam, wann denn der nächste Nebenplot beschrieben würde oder die nächste geniale Seitenidee, die den Perry unter Gehrmann für den jungen Leser so unheimlich faszinierend und spannend machten. Es war beinahe so, als würden kosmische Geheimnisse ihre Schatten in die Vergangenheit “voraus“ werfen, so dass der Leser bereits Ausblicke auf die weitere Zukunft der Serie bekäme. Das war für mich, obwohl natürlich im Expose wohl nicht (so) vorgesehen, ein wirklicher Pluspunkt der Serie. Hier war ein Verstärker am Werk, der die ohnehin gut erfundene, spannende Handlung noch um einige Grade aufdrehte, indem er seine eigene Phantasie nebenbei spielen ließ. Diese Aufpeppungen des Perry bereicherten die Reihe meines Erachtens und waren immer gut durchdacht. Vielleicht hat HGE nicht jede Nebenidee folgerichtig weitergeführt oder in seine Taschenbüccher ausgelagert, aber jedenfalls war er immer für ein paar Effekte des „Hallo, was-denn-nun?“ gut, die seine Romane für den Leser so faszinierend machten. Im Nachhinein von heute aus gelesen,offenbaren sich natürlich auch Schwächen in seinen Romanen, in anderen Zusammenhängen … aber seine Nebeneffekte finde ich auch heute noch so faszinierend, dass ich diese Methode selbst mitunter in meinen PR-Fanstories oder  unabhängigen e-book-Romanen verwende.Man sieht, auch von Heftromanautoren wie HGE lässt sich einiges lernen (grins). Leider bauen die heutigen Autoren derlei nicht ein; entweder kennen sie die Methode gar nicht, wollen sie nicht verwenden oder die Vertiefung des Perry mit Hilfe dieser Prozedur ist ihnen ungewohnt. Vielleicht aber schwebt ja auch telekinetisch  die große  Keule des Verlages, der Expokratie oder des Redakteurs oben drüber wie Damokles‘ Schwert und droht: „Keine Extratouren, keine Extratouren!“

Dass die heutigen Autoren sich andere Arten von  Extratouren wie etwa zeitgenössische Anspielungen aus Film und/oder Literatur  leisten, ist eine andere Sache und einen eigenen Artikel dazu wert …

© 2019 by H. Döring

Kommentare  

#1 Ringo Hienstorfer 2019-11-05 10:13
Mit HGE bin ich nie recht warm geworden. Anders ausgedrückt: er hat mich meistens ganz schön genervt mit seinen Eigenkreationen, die leider allzu oft reiner Selbstzweck waren. Und nicht unbedingt lustig (a Hainu & Rorvic). Aber das ist wohl Geschmackssache. Bei Atlan - König von Atlantis hat er mir wesentlich besser gefallen.

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