Wo bist du, Held?
Sie sind alle irgendwann verschwunden und abgetaucht. Angefangen hatte es mit Fernsehen und Büchern. Zunächst las ich viele Zeitschriften, blätterte in den Boulevardheften meiner Mutter, machte mir gar Notizen, irgendwann schnappte ich Bücher von Nachbarn, Freunden und Bekannten auf. Mir war es von klein auf irgendwie immer wichtig, Informationen zu sammeln und Geschichten zu erleben. Und ich wollte diese Geschichten irgendwie besitzen. Geschichten sammeln konnte ich in Form von Büchern. Natürlich meistens Romane. Das war wohl in den Siebzigern und frühen Achtziger Jahren die einzige mediale Abwechslung in der Richtung, die sich vom Fernsehen unterschied. In der Tat war das Fernsehen in seiner Art das Nonplus-Ultra an medialer Unterhaltung. Umso beliebter war es und es war ein familiäres Großereignis, bei dem die Familie sich sogar versammelte. Das dieses Fernsehen so schnell ihren Reiz verlieren würde, hat damals niemand geahnt. Das Fernsehen irgendwann einmal anders sein würde schon. Als ich etwa Mitte der achtziger Jahre durch die Straßen zog, meinen Hund Tobby vorne an der Leine, der mich mehr zog als ich selbst, wünschte ich mir ein Gerät für die Hosentasche, oder wenigstens für die Jacke, wo man alles mit machen konnte. Fernsehen gucken, Kommunizieren und lesen. Wie das technisch anzustellen sein würde, blieb mir ein Rätsel. Heute wissen wir mehr.
Als meine Mutter mich dem Krimi nahe brachte von Durbridge über Maigret bis hin zu Derrick und Der Alte, ahnte sie sicher nicht, was sie damit hinauf beschwor. Zu ihrem Unwillen kam eines Tages Edgar Wallace und Hitchcock dazu. Aber all das prägte mein Jugend-Dasein. Auch andere Serien wie Mit Schirm. Charme und Melone oder gar Die Straßen von San Francisco sah man gern. Nicht zuletzt Raumschiff Enterprise (wenn auch seinerzeit sehr stark gekürzt und verkürzt als Gesamtserie. All das was heute wieder populär ist im Sinne von Nostalgie, war damals etwas für Fernsehzuschauer mit Hang zum schwärmen und Träumen. Einmal so ein Held sein wie John Steed, jemand wie Steve Heller wenigstens, wie Tarzan vielleicht (am besten in Gestalt von Ron Ely um in der Zeit der 80er-Jahre zu bleiben) oder vielleicht doch wenigstens autoritär wie ein Tatort-Kommissar namens Finke oder Haferkamp. Nichts besonderes eben, aber eben doch unbesiegbar.
All diese Helden scheinen heute austauschbar, wenn es sie denn noch gibt.
Das Ideal, das Vorbild, das Abbild eines Vaters vielleicht... all das fehlt heute. Die Helden von heute sind keine Normalos wie damals, obwohl sie es vorgeben zu sein oder damit kokettieren. Aber sie haben meist stählerne Brüste und muskelbepackte Oberarme. Oder aber wenigstens viel zu warme Herzen und himmelblaue Augen, die alle Frauen schwach machen. Es geht wie damals darum, dass der Held auch seine Schutzbefohlene Schöne erobert, die dann aber nicht wie früher in den Bund der ewigen Ehe flüchten, sondern in die nächste Kurzzeit-Beziehung. Besser noch, wenn die weibliche Gefährtin den Helden in all seinen Fähigkeiten noch überstrahlt, was aber auch schon damals möglich war.
Es gibt aber auch jene, die als gescheiterte Existenzen trotzdem Helden sind, die als Alkoholiker Kriminalfälle lösen oder auch mal Fehler machen, die früher undenkbar waren bei all jenen Helden, die man heute so vermisst. Die ich vermisse. Genauso erging es leider auch meinen Heftchenhelden von Larry Brent bis... -ja bis wohin eigentlich? Hatte ich einen anderen so verehrt? Kaum welche blieben jedenfalls. Irgendwann, ganz schleichend verschwand alles. Irgendwann in den Achtzigern und Neunzigern. Genau zu der Seit als ich erwachsen wurde.
Mit den alten Größen und ihren Präsentatoren verschwanden auch ihre Kinder - ihre Ideen und die Faszination beim Publikum. Große Fernsehereignisse wurden auch rarer. "Wetten dass..." ohne Frank Elstner, die Hitparade ohne Dieter Thomas Heck usw. Stationen des Wohnzimmer-Lebens in dieser Zeit und Highlights scheinbar trostloser Abende.
Und selbst, wenn es sie heute noch gebe, würde ich sie dann auch so verehren wie einst? Nein. Die Helden sind gegangen und mit Ihnen ihre Darsteller. Fast alle tot und begraben. Die neuen jungen wilden haben nicht mehr den Hang zur Faszination - nicht in der alten Zeit. Vielleicht sollte man die alte Zeit, die irgendwann auf der Strecke blieb, vergessen. Doch was machen wir dann mit dem Satz von Erich Kästner?
© by author
Kommentare