Western im Weltall - »New Dodge«
Western im Weltall
»New Dodge«
Einführung
Science Fiction und Western? Kann das was werden? Es gibt anscheinend Leser, die auf so etwas warten. Herausgeber Torsten Scheib jedenfalls dachte bereits seit längerer Zeit über eine Space-Western-Anthologie nach, doch erst Tanja Kummer und Mitherausgeber Marc Hamacher brachten ihn dazu, aus dieser Idee ein richtiges Buch zu machen.
Besser als die Herausgeber kann ich die vorliegende Antho kaum vorstellen.
"Willkommen auf New Dodge, Reisende!
Was führt euch her? Illegale oder legale Geschäfte? Wobei, das interessiert eh niemanden. Ihr solltet wissen: Recht hat hier, wer als Erstes schießt. Oder wen die Syndikate riechen mögen.
Seid ihr etwa Kopfgeldjäger? Dann findet ihr sicher einen Job. Und zum Feierabend geht es in einen unserer zahlreichen Saloons. Dort finden einsame Herzen alles, wonach sie sich sehnen. Unsere Wüstenblumen sind die schönsten, aber auch die kratzigsten. Warnen muss ich jedoch vor den Pokertischen, denn hier ist jeder für sein Blatt selbst verantwortlich.
Dann mal los - hinein ins Abenteuer! Und keine Sorge, unser Bestatter hat eure Maße schon von mir bekommen. Und sagt nicht, man hätte euch nicht gewarnt." (Klappentext)
Die Geschichten
Colonel Bran Charleston fliegt mit einem Ghostjet den entscheidenden Angriff gegen die Rebellen. An Bord hat er ein außerirdisches Artefakt, das aus einem hochentwickelten Rechner besteht, der die Abwehr des Planeten kollabieren lassen soll. Doch der Rechner analysiert die planetare Kommunkation und kommt zu dem Schluss, dass er reingelegt wurde. Die Rebellen sind keine Monster. Kurzerhand sabotiert er die Mission und lässt sich abschießen. Der Colonel gilt als gefallen.
Ein Jahr später wird auf New Dodge eine brachliegende und abgelegene Farm verkauft. Und jetzt nach weiteren vier Jahren taucht eine einsame Reiterin auf der Farm auf. Wie sich herausstellt eine frühere Untergebene des Colonels. Sie wird von niemand anderem als dem Colonel begrüßt. Er hat vor fünf Jahren ein Abkommen mit dem Artefakt geschlossen und seinen Tod nur vorgetäuscht.
Jetzt beginnt ein dramatisches Duell zwischen den beiden Menschen und dem Rechner, der entschieden etwas dagegen hat, die Farm zu verlassen.
Action pur und eine nette Hintergrundgeschichte. Ein famoser Einstieg in die Antho!
Die Ghost Riders haben einen neuen Auftrag. Auf dem Hinterwäldlerplaneten von PANDORA IV sollen sie ein Päckchen abholen und nach New Dodge City bringen.Wie sich herausstellt handelt es sich um eine Urne und einen Begleiter dafür. Scheinbbar eine einfache Sache, doch der Kontaktmann hat einige Einzelheiten des Auftrages unterschlagen. Die Urne soll gemäß dem letzten Willen des Verstorbenen in der Silver Moon Bar die letzte Ruhe finden. Unterhalb der Theke im Keller. Doch die Bar ist gut gesichert und dann tauchen auch die schärfsten Konkurrenten der Riders auf: die Raiders.
Die Akteure in dieser Geschichte sind alle irgenwie "gute" Menschen, selbst wenn sie als Schmuggler, Diebe und Betrüger tätig sind. Und am Ende löst sich alles mit ein bisschen gutem Willen in Friede, Freude, Eierkuchen auf. Zwischendurch erfreut sich der Leser an so mancher lustiger Verwicklung. Eine Story, die zum Schmunzeln einlädt.
Die Angst vor den Androiden geht um. Immer mehr Fanatiker machen Jagd auf sie. Joy ist Androidin. Deshalb will sie den Asteroiden verlassen. Um das nötige Geld aufzutreiben, will sie einen leicht ledierten Robotlehrer reparieren und aufhübschen. Auf dem Weg zu einem potentiellen Käufer findet sie einen abgestürzten Gleiter. Und den einzigen Überlebenden, einen kleinen Jungen. Der Kleine schließt die Androidin schnell in sein Herz. Gemeinsam überstehen sie etliche gefährliche Situationen. Joy bringt ihn schließlich auf eine Farm, wo es etliche Kinder gibt, die auch einen Robotlehrer gebrauchen können. Doch dort warten auch etliche Androidenjäger.
Eine Geschichte gegen Hass und Diskrimierung. Wie immer wenn es um Kinder geht sehr anrührend.
Stefan Cernohuby "Der große Western-Detektiv"
Gridlock Jonas, der große Westerndektiv, und seine Partnerin Dr. Hamiska Watson, Ärztin und Scharfschützin, suchen Mort Jameson, dessen Gesicht scheinbar niemand kennt. Sie sind dabei nicht zimperlich. Als sie den Aufenthaltsort seiner Tochter Nola in Erfahrung bringen, benutzen sie das Im Rollstuhl sitzende Mädchen als Köder. Sie lassen sie vor Gericht stellen und zum Tode verurteilen. Am Tage der Hinrichtung warten sie auf Jameson. Und er kommt tatsächlich!
Für meinen Geschmack hat Cernohuby sich ein bisschen viel vorgenommen. Zu viel. Die große Menge Anspielungen wird nur wenige Leser komplett erreichen. Dass es sich um eine Persiflage auf Sherlock Holmes und Dr.Watson handelt, wird fast jeder erkennen. Aber die anderen Zitate aus Literatur, Film und Fersehen?
"Manche behaupteten, es gäbe eine Million Möglichkeiten, in New Dogde City zu sterben. Gefühlt ein Viertel davon hatte er bereits gesehen." (S.86)
In New Dogde City soll ein großes Pokertunier stattfinden. Auf dem Weg dorthin erzählt einer Spiele ran der Bar aus seinem Leben. Als Schürfer entdeckt auf einem abgelegenen Asteroiden ein havariertes Raumschiff mit Vircea, der schönsten Frau die er je gesehen hat. Er lässt sich gerne von ihr verführen. Seit einiger Zeit hat er nun Visionen und hört eine Stimme in seinem Kopf. Anscheinend ist nicht die Teilnahme am Tunier der Grund für seine Reise, sondern er hat gehört, dass das Raumschiff seiner Traumfrau auf dem Asteroiden im Dock ist. Tja, es gibt unterwegs einige Schwierigkeiten. So trifft man auf rachedurstige Opfer einer früheren Pokerpartie. Und außerdem muss Vircea aus den Händen eines Kolosses befreit werden.
Der Autor präsentiert eine eigenwillige Art der Fortpflanzung. Eine sehr ironisch gehaltene Geschichte.
Ark Dan soll auf New Dogde die Wissenschaftlerin Clarice Shelby finden. Doch das scheinbar lukrative Geschäft entpuppt sich als Falle des Duro Thrill-Syndikats. Diese Verbrecher brauchen Leute um ein Alien einzufangen, das bei einem missglückten Handel frei gekommen ist. Seitdem versteckt es sich in einem Höhlensystem. Dummerweise sondert es permanent Sporen ab, die eine tödliche Krankheit unter die Bewohner von New Dodge bringen. Um kein Aufsehen zu erregen, lockte man einfach eine große Zahl von Kopfgeldjäger auf den Asteroiden und stellte ihnen eine Falle. Jetzt verspricht man ihnen die Freiheit wenn sie den Auftrag erfüllen. Den Kopfgeldjägern bleibt also keine Wahl. Die Monsterhatz beginnt.
Atmosphärisch dichte Geschichte, die im Grunde aus zwei Teilen besteht. Der erste ist sehr ironisch, der zweite dann tief gehender.
Reuben hat sich jahrelang um seine kleine Schwester Shirley gekümmert. Während er das Frachtschiff Berzerk als Kapitän geflogen ist war sie immer dabei. Um nach dem Tode der Eltern das Schiff halten zu können hatte er illegale Fracht angenommen. Erst gefakte Markenware, dann Waffen und schließlich Drogen. Als Shirley heimlich von den Drogen probierte, kam sie nicht mehr davon los. Um den körperlichen und geistigen Verfall des Mädchens aufzuhalten, wollte er sie in eine Spezialeinrichtung auf New Dogde geben, doch sie konnte fliehen. Seitdem sucht er sie verzweifelt. Jedesmal wenn sein Schiff den Asteroiden besucht, ist er tagelang in der Unterwelt unterwegs. So auch dieses Mal.
Eine berührende Geschichte, die das Thema Drogensucht thematisiert.
Das Raumschiff YUMA kollidiert mit dem Schutzschirm des Asteroiden New Dogde. Mit viel Glück überlebt die Besatzung den Absturz. Doch der örtliche Sheriff wartet schon mit einem Haftbefehl auf Captain Jackson. Der Vorwurf lautet Handel mit humanoiden Species. Er ist berechtigt, in gewisser Weise jedenfalls. Das Schiff transportierte gegen Bezahlung befreite Sklaven der Mining-Cooperation. Doch die Besatzung des Schiffes kämpft um ihren Captain. Da ist zum Beispiel Barbie eine Art nanitsche Schwarmintelligenz. Und es gibt auch Johnny den Androiden. Eine wichtige Rolle spielt auch der Sheriff, genauer die Sheriff.
Gekonnt in Szene gesetzte Geschichte mit vielen Anspielungen: z.B. "Deputy Hudschie Hulef Omar Ben Hudschi Abul Gossuruh".
Frank ist Kopfgeldjäger. Zwischen seinen Jobs kommt er immer wieder nach New Dogde City in einen ganz bestimmten Saloon. Dort arbeitet nämlich Tiger Lilli. Lilli ist eine Katzoide mit seidig getigerten Fell. Und obwohl sie Geld als Hure verdient, wartet sie nur auf einen, auf Frank. Doch so einfach ist es nicht. Frank wehrt sich gegen seine Gefühle für Lilli, glaubt, dass sie nur mit ihm spielt, wie mit jedem anderen Mann. Lilli aber liebt nur ihn und kann auch nichts dagegen tun, obwohl er sie immer wieder verlässt.
Eines Tages erhält Frank einen neuen Auftrag. Der unbekannte Auftraggeber will, dass er Lilli fängt und abliefert. Frank nimmt an, doch Lilli gelingt es in die Wüste zu fliehen. Dort kommt es zum Showdown.
Eine unterschwellig höchst erotische Geschichte. Dem Männlichkeitswahn wird gnadenlos der Spiegel vorgehalten. Man merkt, dass Faye Hell zu den Autoren hehört. *zwinker
"Diese Mal hatte Frank es lange ausgehalten. Da draußen, wo es tagsüber heiß war wie im Innern eines Dampflokkessels und nachts so eisig wie im Höschen einer Betschwester. Aber wie immer hatte ihn New Dodge City angezogen wie das Licht die Motten." (S.209)
Torsten Scheib "Nichts als Ärger"
In der Missionsstation St. Trinity hat es einen Diebstahl gegeben. Doch die Mönche setzten die Diebin fest bevor sie sich mit dem Kreuz von Sérignan absetzen konnte. Sie riefen einen Kopfgeldjäger zur Hilfe, der die Dame ihrer gerechten Strafe zuführen soll. Als Northpine eintrifft, hat sich die Diebin jedoch aus dem Staub gemacht. Es beginnt eine Hetzjagd durch Kanalisation und Unterwelt.
Eine ironische und actionreiche Geschichte mit ein paar hübschen Wendungen. Der Mann kann einfach schreiben!
Bob ist eines der ältesten Lebensformen in diesem Teil der Galaxis. Er führt ein Warenhaus auf New Dodge. Und er ist kein Mensch. Praktischerweise verfügt er über vier Arme, von denen er meistens zwei unter seinem Mantel verbirgt. Tja und seine Waren sind ungwöhnliche Waren wie thermonukleare Sprengköpfe und andere Waffen, illegale Substanzen, schwer zugängliche Informationen und dergleichen. Und natürlich befinden sich die Waren nicht im Warenhaus. Bob stellt nur den Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer her. Zur Seite steht ihm die quirlige, ewig gutgelaunte Zerda. Wenn Verkäufer von Bob vermittelte Kunden betrügen, bekommen sie es mit Bob zu tun.
Eine solche Kandidatin ist Cambri, die plötzlich spurlos verschwunden ist. Bob macht sich auf die Suche und spürt sie auf einem abgelegenen Asteroiden auf. Sie wartet schon auf ihn. Doch sie ist nicht allein.
Große Klasse die Schreibe von T.S. Orgel. Ein paar unerwartete Wendungen und ein schönes Ende. Eine der Geschichten, die mir am Besten gefallen haben.
Mandelohr-Ian ist mit Leib und Seele Bäcker. Nach mehreren Schicksalsschlägen lebt er seit nunmehr zwei Jahren auf New Dodge. Allein. Seit seine Frau vor einigen Jahren gestorben ist, kennt er nur noch eine Leidenschaft: Das Backen. Eines Tages findet er den heruntergekommenen Streuner Grego. Er gibt ihm zu Essen und freundet sich mit ihm an. Bald ist er sein Gehilfe und er gibt ihn als seinen Neffen aus. Greg, wie er ihn nennt, hat jedoch ein Geheimnis. Er ist aus einem Labor geflüchtet, in dem Soldaten mit mentalen Kräften gezüchtet werden. Und so dauert es nicht lange bis er plötzlich verschwunden ist. Mandelohr-Ian, macht sich auf die Suche. Die Spur führt ihn auf die Ranch von Kit Corrigan. Anscheinend hat der Verbrecher Greg entführt und will ihn ausliefern um eine Belohnung zu kassieren. Der Bäcker spielt dabei aber nicht mit.
Eine behutsam erzählte Geschichte. Die Figuren werden vorsichtig eingeführt und aufgebaut, aber am Ende gibt es einen Showdown.
Razze ist nach New Dogde zurückgekehrt. Die Marine will sich an dem Mörder ihrer Eltern rächen. Doch Noob Killfucker erwartet sie bereits und hat jede Menge Söldner angeheuert, die sie ausschalten sollen. Den Anfang macht eine gestaltwandelnde Prostituierte.
Jede Menge Action, eine Prise Sex und ein unerwartetes Ende. Erinnert mich streckenweise an einen Egoshooter.
Schauplatz dieser Story ist der Long Branch Saloon. Dort sitzt die alte Cass jeden Tag und nippt an ihrem einzigen Whiskey. Sie ist eine Art Wahrsagerin und wartet dort auf ihre Kunden. Die Wirtin ist ihr gewogen seit sie einmal von ihr vor einer Gefahr gewarnt worden ist, die tatsächlich eingetreten ist. Jetzt hat sie wieder eine Ahnung. Doch diesmal geht es nicht nur um einige Verbrecher, die abkassieren wohlen.
Eine Geschichte mit Wortwitz und augenzwinkernden Anspielungen an die Gegenwart. Hat mir gut gefallen!
Meine Gedanken
Als ich das erste Mal die Autorenliste gesehen habe, war ich hin und weg. So viele bekannte Namen! Darunter erfahrene Herausgeber, Preisträger und Erfolgsautoren! Horrorqueen Faye Hell, Karl-May-Pastiche Verfasserin Jacqueline Montemurri, Science-Fiction Autor T.S. Orgel, eigentlich lässt fast jeder Autor Erinnerungen an frühere Romane und natürlich Stories anklingen. 14 Stories von 15 Autoren vermitteln Westernflair und Weltraumfieber. Eine eher seltene Mischung, aber auch schon der alte K.H. Scheer ließ bei Perry Rhodan auf Wanderer einen Cowboy auftreten. Und irgenwie muss ich auch an den Film Westworld aus den siebziger Jahren denken.
Natürlich kommt noch der Faktor Humor dazu. Der Leseratten Verlag hat sich in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet einen Namen gemacht. Piraten, Wikinger und Götter, warum sollen diesmal nicht auch die Spacecowboys prächtige Unterhaltung bieten?
Ein weiteres Plus der Antho ist die Mitwirkung von Arndt Drechsler als Grafiker. Den Mann braucht man nicht mehr vorstellen. Für alle SF-Leser ist er ein Begriff. Drei Grafiken gibt es zu bewundern. Einmal natürlich das Cover und dann die ausklappbaren Umschlagsseiten.
Mir hat die Antho sehr zugesagt! Die Herausgeber Torsten Scheib und Marc Hamacher haben gute Arbeit geleistet. Und wer weiß, vielleicht haben sie mit dem Western/Science-Fiction Thema auch eine Marktlücke aufgetan!
New Dodge
