Wenn der »Alte Hahn« kräht... - Fakten und Legenden
Wenn der »Alte Hahn« kräht...
Fakten und Legenden
Fakten und Legenden
Gleiches gilt für Charles Bukowski. Hunter Thompson, der Erfinder des so genannten Gonzo Journalismus, nahm alles, was er kriegen konnte, und Terry Gilliam setzte ihm mit Johnny Depp in der Hauptrolle mit »Fear And Loathing In Las Vegas« ein filmisches Denkmal. Nicht jeder Autor war so spießbürgerlich wie Tolkien (der ja immerhin die Tabakspfeife zu rauchen pflegte).
Humphrey Bogart, Carrie Fisher oder große Teile der Schauspieler-Dynastie der Barrymores (von Lionel bis hin zu Drew) haben Drogen- und Alkoholerfahrungen gemacht. Man ist schon fast geneigt, von einer Säuferdynastie sprechen.
Stephen Kings Biographie enthält auch Jahre voller Alkohol, Drogen und Tabletten. Das zeigt, dass man nicht mal ausschließlich auf Verstorbene zurückgreifen muss. Seriöse und weniger seriöse Blätter sind immer wieder voll mit Meldungen über Suchtprobleme, Leben und auch Sterben von Autoren, Schauspielern, Sängern und anderen (mehr oder weniger) Kreativen. Da muss man nicht mal die »InTouch« oder im TV »prominent« goutieren. Da reicht oft der »Spiegel«, die »FAZ«, die »SZ« oder im TV »Buchjournal«, »Aspekte« oder »ttt«.
Oben angeführte Liste ließe sich beliebig mit Kulturschaffenden (toten wie lebenden) aus den unterschiedlichsten Bereichen fortsetzen. Aber Fakt ist: Bei den Aufgeführten gehören Alkohol und Drogen zur ihrer gemeinhin akzeptierten Vita. Da gibt es keine Diskussionen. Im Gegenteil, es ist eben so. Dabei kann und wird diese Sucht auch immer wieder in Zusammenhang mit der Arbeit genannt. Entweder als Inspiration, als Hemmschuh oder Grund für den zwischenzeitlichen oder endgültigen Niedergang der Karriere.
Keine Stimme erhebt sich, um die Verletzung der Pietät anzumahnen, zu fordern, derartige Krankengeschichten gehören nicht in die Öffentlichkeit oder den simplen Ausruf zu tun »Das tut man nicht!«. Warum eigentlich nicht? Bei anderen erhebt sich die empörte Stimme ja, um eben diese Klagen anzustimen...
Denn: Vor einigen Wochen sorgte Rolf Michael in seiner Teestunde wieder für großen Aufruhr. Neben lustigen Plaudereien, Anekdoten und seinem Leben als Schriftsteller erzählt er auch von Zeit zu Zeit (teils) unangenehme, ernste Dinge. Diesmal sprach Rolf mehr oder weniger offen über Krankheit und Sterben seines Freundes und Kollegen Werner Kurt Giesa. Zwei User des Zauberspiegels ließen als Reaktion auf diesen Beitrag der Kolumne ihre Accounts löschen, weitere fanden Rolfs Ausführungen degoutant und der Kernsatz der Kritiker war eben dieser simple Ausruf: »Das tut man nicht!« Das wäre zu privat. Und man sah, die Grenzen der Pietät wären überschritten.
Häh?
Warum gehören Krankheit, Sucht und auch das Sterben bei so vielen anderen zum normalen Lebenslauf, zu ihrer Biografie, die immer und immer wieder in Beiträgen, Artikeln und umfangreichen Biografien aufgearbeitet und thematisiert wird? Aber in Sachen W. K. ist das zu privat? Krankengeschichten gehören nicht veröffentlicht, heißt es da gerne mal.
Aha.
Dann lese ich Artikel über Jürgen Grasmück. In jedem Artikel, der sich auch nur ansatzweise ernstzunehmend mit dem insbesondere als »Dan Shocker« bekannt gewordenen Grasmück befasst, finde ich unter Garantie den Hinweis auf seine Krankheit, die ihn an den Rollstuhl fesselte. Der progressive Muskelschwund findet bestimmt Erwähnung. Das ist nahezu unausweichlich. Denn vieles in seinem Schaffen, findet eine Erklärung durch diese Krankheit. Zu allererst erklärt sie, warum Jürgen Grasmück nicht deutlich produktiver war. Warum ein Autor, der vor Ideen geradezu barst, nicht ein deutlich umfangreicheres Werk geschrieben hat oder es gar ablehnte, Mitte der Sechziger (Jahre vor seinem Erfolg als »Dan Shocker«) bei »Perry Rhodan« einzusteigen. Das lässt sich durch den Umstand seiner Krankheit wohl begründet erklären. Diese Krankheit war untrennbar mit seinem Leben und Werk verbunden.
Horst Hübner hat darum gebeten, nicht über sein Krebsleiden zu schreiben, so lange er damit kämpfe. Denn so lange es so oder so nicht ausgestanden war, wollte er nicht, dass darüber etwas berichtet wird. Nicht, weil er sich der Krankheit schämte, sondern weil er bei diesem Kampf seine Ruhe haben wollte und nicht von gut gemeinte Ermunterungsanrufen oder Genesungswünschen gestört werden mochte. Das war eine vernünftige Bitte, der ich gerne nachgekommen bin. Aber es war dann irgendwann ausgestanden. Leider mit seinem Tod. Wo sind bzw. waren da die Stimmen, dass man über Krankengeschichten nicht schreiben darf, als mein Nachruf veröffentlicht wurde?
So, so...
Gibt es also Krankheiten, über die man sprechen, schreiben und erzählen darf? Eben weil sie als Teil eines dramatischen Schicksals zu sehen sind, die man als von Gott gesandte Plage begreifen kann und daher als ethisch einwandfrei und zur Veröffentlichung freigegeben gelten dürfen? Diese muss man quasi hervorheben, um die Arbeit unter diesen Umständen als besondere Leistung herausstellen zu können. Andere Krankheiten, insbesondere Suchtkrankheiten, sind nicht koscher und müssen daher totgeschwiegen werden bzw. fallen unter Pietät und Anstand und werden so tabuisiert.
Es gilt zu begreifen, dass W. K. Giesa auch eine Person des öffentlichen Lebens war. Eine Person der Berichterstattung, ein (kleiner) Teil (man ist versucht Randnotiz zu sagen) deutscher Literaturgeschichte, aber für einen Kreis am Heftroman Interessierter ein wichtiger Teil der Publikationsgeschichte dieses Literaturformats (und je weiter man das Feld einengt bis hin zu reinen Geschichte der Serie »Professor Zamorra Der Meister des Übersinnlichen« je wichtiger wird W. K. Giesa und sein Tun).
Humphrey Bogart, Carrie Fisher oder große Teile der Schauspieler-Dynastie der Barrymores (von Lionel bis hin zu Drew) haben Drogen- und Alkoholerfahrungen gemacht. Man ist schon fast geneigt, von einer Säuferdynastie sprechen.
Stephen Kings Biographie enthält auch Jahre voller Alkohol, Drogen und Tabletten. Das zeigt, dass man nicht mal ausschließlich auf Verstorbene zurückgreifen muss. Seriöse und weniger seriöse Blätter sind immer wieder voll mit Meldungen über Suchtprobleme, Leben und auch Sterben von Autoren, Schauspielern, Sängern und anderen (mehr oder weniger) Kreativen. Da muss man nicht mal die »InTouch« oder im TV »prominent« goutieren. Da reicht oft der »Spiegel«, die »FAZ«, die »SZ« oder im TV »Buchjournal«, »Aspekte« oder »ttt«.
Oben angeführte Liste ließe sich beliebig mit Kulturschaffenden (toten wie lebenden) aus den unterschiedlichsten Bereichen fortsetzen. Aber Fakt ist: Bei den Aufgeführten gehören Alkohol und Drogen zur ihrer gemeinhin akzeptierten Vita. Da gibt es keine Diskussionen. Im Gegenteil, es ist eben so. Dabei kann und wird diese Sucht auch immer wieder in Zusammenhang mit der Arbeit genannt. Entweder als Inspiration, als Hemmschuh oder Grund für den zwischenzeitlichen oder endgültigen Niedergang der Karriere.
Keine Stimme erhebt sich, um die Verletzung der Pietät anzumahnen, zu fordern, derartige Krankengeschichten gehören nicht in die Öffentlichkeit oder den simplen Ausruf zu tun »Das tut man nicht!«. Warum eigentlich nicht? Bei anderen erhebt sich die empörte Stimme ja, um eben diese Klagen anzustimen...
Denn: Vor einigen Wochen sorgte Rolf Michael in seiner Teestunde wieder für großen Aufruhr. Neben lustigen Plaudereien, Anekdoten und seinem Leben als Schriftsteller erzählt er auch von Zeit zu Zeit (teils) unangenehme, ernste Dinge. Diesmal sprach Rolf mehr oder weniger offen über Krankheit und Sterben seines Freundes und Kollegen Werner Kurt Giesa. Zwei User des Zauberspiegels ließen als Reaktion auf diesen Beitrag der Kolumne ihre Accounts löschen, weitere fanden Rolfs Ausführungen degoutant und der Kernsatz der Kritiker war eben dieser simple Ausruf: »Das tut man nicht!« Das wäre zu privat. Und man sah, die Grenzen der Pietät wären überschritten.
Häh?
Warum gehören Krankheit, Sucht und auch das Sterben bei so vielen anderen zum normalen Lebenslauf, zu ihrer Biografie, die immer und immer wieder in Beiträgen, Artikeln und umfangreichen Biografien aufgearbeitet und thematisiert wird? Aber in Sachen W. K. ist das zu privat? Krankengeschichten gehören nicht veröffentlicht, heißt es da gerne mal.
Aha.
Dann lese ich Artikel über Jürgen Grasmück. In jedem Artikel, der sich auch nur ansatzweise ernstzunehmend mit dem insbesondere als »Dan Shocker« bekannt gewordenen Grasmück befasst, finde ich unter Garantie den Hinweis auf seine Krankheit, die ihn an den Rollstuhl fesselte. Der progressive Muskelschwund findet bestimmt Erwähnung. Das ist nahezu unausweichlich. Denn vieles in seinem Schaffen, findet eine Erklärung durch diese Krankheit. Zu allererst erklärt sie, warum Jürgen Grasmück nicht deutlich produktiver war. Warum ein Autor, der vor Ideen geradezu barst, nicht ein deutlich umfangreicheres Werk geschrieben hat oder es gar ablehnte, Mitte der Sechziger (Jahre vor seinem Erfolg als »Dan Shocker«) bei »Perry Rhodan« einzusteigen. Das lässt sich durch den Umstand seiner Krankheit wohl begründet erklären. Diese Krankheit war untrennbar mit seinem Leben und Werk verbunden.
Horst Hübner hat darum gebeten, nicht über sein Krebsleiden zu schreiben, so lange er damit kämpfe. Denn so lange es so oder so nicht ausgestanden war, wollte er nicht, dass darüber etwas berichtet wird. Nicht, weil er sich der Krankheit schämte, sondern weil er bei diesem Kampf seine Ruhe haben wollte und nicht von gut gemeinte Ermunterungsanrufen oder Genesungswünschen gestört werden mochte. Das war eine vernünftige Bitte, der ich gerne nachgekommen bin. Aber es war dann irgendwann ausgestanden. Leider mit seinem Tod. Wo sind bzw. waren da die Stimmen, dass man über Krankengeschichten nicht schreiben darf, als mein Nachruf veröffentlicht wurde?
So, so...
Gibt es also Krankheiten, über die man sprechen, schreiben und erzählen darf? Eben weil sie als Teil eines dramatischen Schicksals zu sehen sind, die man als von Gott gesandte Plage begreifen kann und daher als ethisch einwandfrei und zur Veröffentlichung freigegeben gelten dürfen? Diese muss man quasi hervorheben, um die Arbeit unter diesen Umständen als besondere Leistung herausstellen zu können. Andere Krankheiten, insbesondere Suchtkrankheiten, sind nicht koscher und müssen daher totgeschwiegen werden bzw. fallen unter Pietät und Anstand und werden so tabuisiert.
Es gilt zu begreifen, dass W. K. Giesa auch eine Person des öffentlichen Lebens war. Eine Person der Berichterstattung, ein (kleiner) Teil (man ist versucht Randnotiz zu sagen) deutscher Literaturgeschichte, aber für einen Kreis am Heftroman Interessierter ein wichtiger Teil der Publikationsgeschichte dieses Literaturformats (und je weiter man das Feld einengt bis hin zu reinen Geschichte der Serie »Professor Zamorra Der Meister des Übersinnlichen« je wichtiger wird W. K. Giesa und sein Tun).
Wenn man seinen Beitrag richtig einordnen will, braucht man ein Bild jenseits des Mythos des Mannes mit Cowboyhut und im weißen Anzug, der auf Cons munter plauderte und immer ein offenes Wort für die Fans hatte. Ein Mann, der seine Frau liebte und sie als Beraterin in seine Arbeit einbezogen hat. Einer, der den »Zamorra« prägte und auf Kurs brachte. Aber so wie das oft aussieht, ist das eher der Versuch, eine Gestalt jenseits der Realität zu erschaffen, weniger in dem man diese Person auf einen Sockel stellt, denn mehr durch Verschweigen und Tabuisieren von Teilen Giesas Person und Persönlichkeit. Im Moment entsteht eine Legende und ich fühle mich an den John Wayne-Western »The Man, Who Shot Liberty Valance« erinnert, der in der Erkenntnis gipfelt: » «
Gut, Giesa erregte nicht annährend so viel Aufmerksamkeit wie Presley, Joplin oder auch Hemingway. Aber Fakt ist und bleibt: Er ist als Autor eine Person des Zeitgeschehens. Und das was Rolf angesprochen hat, war Teil des Menschen und hatte definitiv Auswirkungen auf seine Arbeit. Wäre W. K. Lehrer geworden, wäre eine Alkoholabhängigkeit grundsätzlich erst mal seine Angelegenheit (vielleicht noch die seines Dienstherren und seiner Schüler), aber er war kein Lehrer. W. K. Giesa war Chefautor der Serie »Professor Zamorra«. Und natürlich spielt eine mögliche Alkoholabhängigkeit dann eine Rolle, die man auch diskutieren darf und über die es auch zu berichten gilt. Seine Wirken in der Geschichte der Serie wird diskutiert, aber wie will der Interessierte zu einer korrekten Einschätzung kommen, wenn man wesentliche Teile weglässt? Oder ist doch so, dass » «
Zudem hat Rolf weder absolut private Geheimnisse ausgesprochen oder noch schlimmer auch noch erfunden. Denn aufgemerkt und also keiner der Kritiker zweifelte an, dass dem so war, wie Rolf es erzählte. Jeder schien davon zu wissen. Wenn das alles so privat war, dann müssen alle, die Rolfs Artikel nicht angemessen fanden, W. K. ziemlich nahe gestanden haben. Aber es war eben nicht so privat. W. K. hat immer wieder selbst über seine Krankheit gesprochen und (zumindest) zwischen den Zeilen angedeutet, dabei aber immer auch an seiner eigenen Legende gestrickt. Aber wenn man eben dem Autor Giesa wirklich gerecht werden will, dann ist es kaum hilfreich zu nennen, diese Dinge auszusparren oder für zu privat zu erklären, solange diese seine Arbeit und damit seine (kleine) Rolle in der Literaturgeschichte betreffen.
Nun gut: Bei all den Diskussionen über die Hochs und Tiefs der »Zamorra«-Serie, sollte man diesen Faktor jetzt berücksichtigen. Man bekommt auch eine Erklärung für W. K.s Ausfälle, die Oliver Fröhlich in »Die Nackten und die Doofen« beschrieb. Denn Alkohol verändert die Persönlichkeit bzw. bringt teils unangenehme Seiten hervor. Ich kenne das aus eigener Anschauung. Mein Bruder ist seit dreißig Jahren Alkoholiker und er ist unter dem Einfluss von Alkohol zu einem sehr unangenehmen Menschen geworden. Wir haben seit 1993 (dem Todesjahr unserer Mutter) kein Wort mehr gewechselt. Das nur am Rande.
Daher ist all das, was Rolf in seiner Teestunde erzählt, im Grunde sehr wertvoll, um dem Menschen und Autor Giesa einen Schritt näher zu kommen und nicht der Legende auf dem Leim zu gehen. Dabei hat er sich eben nicht in unangenehmen Details gesuhlt, die als Begleiterscheinung zum Saufen gehören, obwohl er ein paar davon erlebt hat. Denn man macht sich ungeheuer lächerlich im Suff. Ich weiß das, es gibt in meinem Leben etwa eine Handvoll Tage, an denen mich der von mir konsumierte Alkohol richtiggehend zum Volldeppen machte. Einen davon habe ich in »As Time Goes By« nacherzählt. Das waren allesamt Tage, von denen ich mit einer gewissen Selbstironie erzählen kann und auf die ich nur bedingt stolz bin. Sie geben gute Geschichten ab, wenn ich mich selbst in die Pfanne hauen will. Zu mehr reicht es nicht. Man fühlt sich im Suff zwar wie ein Held, gibt aber eher eine sehr traurige Gestalt ab. Um es im FOLLOW-Deutsch zu formulieren: Man sieht [während des Suffs und danach] beeindruckend Scheiße aus. Kurzum: Betrunken mutiert man zur Witzfigur.
Wo also ist das Problem, dass Rolfs Kritiker sehen bzw. haben? Mir drängt sich die Vermutung auf, dass es vor allem daran liegt, dass den meisten davon W. K. Giesa persönlich begegnet oder er ihnen sonstwie nahe gekommen ist. Er hat durchaus Spuren in deren Leben hinterlassen. Für sie war neben dem Autor Giesa auch (vielleicht gar in erster Linie) der Bekannte oder gar Freund W. K. bzw. Werner. Es ist dann nicht mehr irgendeine entfernte Figur, dessen Romane man gelesen, dessen Filme man gesehen oder dessen Musik man gehört hat. Eine persönliche Ebene wird erreicht. In diesem Augenblick greifen andere Mechanismen. Da ist jeder geneigt, den Bekannten und Freund zu schützen. Das Bild des Menschen (neudeutsch Image), mehr noch als der Mensch selbst, droht demontiert zu werden. Da muss man als Bekannter, Freund oder auch nur Fan doch eingreifen...
Aber ich rufe nochmals in Erinnerung: » « Das kann es nicht sein. Da muss man Distanz zu dem Bild des Menschen schaffen, sich frei machen von mütterlichen Instinkten und von Verteidigungsreflexen. Durchatmen und zwei dritte Schritte zurücktreten und das ganze Bild in aller Ruhe betrachten. Erst recht dann, wenn man selbst um die angesprochenen Umstände wusste.
Wie Rolf in seiner »Teestunde« immer wieder schrieb: Von etwa Mitte der Siebziger bis Mitte der Achtziger standen sich die beiden Männer sehr, sehr nahe. Sie haben weitaus mehr geteilt, als das, was Rolf hier erzählt. Bei einigen Gelegenheiten war ich dabei. Bei den meisten anderen nicht, aber mir ist von manchen berichtet worden (zum großen Teil von Rolf, aber auch eben von W. K.). Diese wirklich privaten Momente waren und sind bisher nicht Teil der »Teestunde« gewesen. Sie werden es auch nicht. Das will Rolf auch gar nicht. Darum geht es auch nicht.
Rolf Michael erzählt von seiner Karriere als Schriftsteller und dieses ist eine ganze Zeitlang eng mit der von W. K. verknüpft, so eng, dass sie nicht trennen lassen. Da hinein spielen Dinge, die manche auf den ersten (vielleicht noch durch persönliche Kontakte getrübten) Blick als zu privat empfinden mögen (und ich will das auch gar nicht abstreiten, dass ein derartiger Eindruck entstehen kann, denn das liegt an der jeweils persönlichen Wahrnehmung), aber das hält wirklich keiner näheren, distanzierten Betrachtung stand. Es geht um Dinge, die das Wirken der Schriftsteller direkt oder indirekt betreffen. Die Form, die Rolf dafür wählt, mag zu manchen Reaktionen beitragen, denn er erzählt aus seiner persönlichen (ganz und gar subjektiven) Warte. Das birgt den Umstand, dass in seiner Erzählung keine Distanz vorhanden ist, nicht analysiert wird und ungefiltert sind. Das provoziert den Umstand, dass Reaktionen ebenso distanzlos, ungeschminkt und ungefiltert sind, erst recht wenn sie dann auch direkt nach der Lekrüre erfolgen.
Die Form der Erzählung ist jedoch bewusst von Rolf gewählt. Da redet ihm niemand rein. Wie die Herausgeber allen Autoren des Zauberspiegel nicht in ihre Texte reinreden oder ablehnen, weil sie nicht unserer Meinung entsprechen. Daher müssen wir auch mit den Reaktionen der Leser leben. Im Falle der »Teestunde« gibt es in der Redaktion und unter den Mitarbeitern durchaus unterschiedliche Ansichten. Ja, auch Bettina Meister, die Mitherausgeberin, ist da (und auch in manch anderen Fällen) nicht immer unbedingt meiner Meinung. Und doch. Es muss bei uns im Zauberspiegel auch keine Reichseinheitsmeinung herrschen, aber man muss auch einfach mal den Mut haben, Beiträge zu bringen, mit denen wir nur bedingt Jubel und Zustimmung ernten, denn der Satz: » « darf für uns keine Gültigkeit haben. Das wäre Schwachsinn. In diesem Fall sollten wir den Laden dicht machen und das Feld anderen überlassen.
»Allen wohl und niemand weh« mag ein erstrebenswertes Ziel sein, aber in der Realität eher doch ein so genanntes magisches Viereck sein. Man kann versuchen, sich durchs Leben zu schlängeln, ohne jemanden auf die Füße zu treten. Aber eigentlich funktioniert das nicht wirklich. Und um ehrlich zu sein, es wäre auch langweilig und ätzend, wenn wir jedes Wort im Zauberspiegel auf seine angemessene Bedeutung oder auf ihr Konfliktpotential hin prüfen würden, ob hier und da mit Widerstand zu rechnen sei oder Gefühle verletzt werden. Das auch noch verbunden mit der Konsequenz auf diesen oder jenen Beitrag zu verzichten.
Das kann nicht funktionieren und manchmal tritt man jemanden auf die Zehen. Das lässt sich nicht vermeiden. Die Bibel (Hosea 8,7) sagt dazu »Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten«. Durch den Sturm der Entrüstung müssen wir eben durch. Da bleibt uns nichts übrig. Das hat im Zauberspiegel seit langem eine gewisse Tradition. Schon in den achtziger Jahren blies uns der Wind immer wieder mal ins Gesicht. Da heißt es dann: Hacken in den Teer schlagen und standhaft bleiben.
Sicherlich hätten wir Rolfs zwei oder drei Aufsehen erregende Teestunden nicht bringen können. Aber: Was wäre dadurch gewonnen? Ein paar Menschen mehr würden uns mögen, aber wir würden dann eben nach diesem Grundsatz handeln: » «. Und Rolf hätte seine Teestunde mit Sicherheit nicht fortgeführt. Für sowas gibt er sich nicht her. Und ich bin mit die »Teestunde« als Gesamtprojekt viel zu zufrieden, um diese durch Unterlassung zu gefährden. Immerhin stellt uns Rolf jede Menge Zeit und Text zur Verfügung.
Was ich stattdessen möchte, ist ein wenig mehr Gelassenheit und Ruhe bei unangenehmen Beiträgen anmahnen. Peter Rudl ein deutscher Aphoristiker - hat gesagt: »Denken, das sich erregen lässt, ist keines«. Dann können wir uns die »Teestunde« jenseits aller Subjektivität zu Nutze machen, um die Rolle und das Wirken W. K. Giesas zumindest zu einem Teil einordnen zu können und seine (unbestrittenen) Leistungen angemessen und realitätsnah würdigen zu können. Immerhin ist das einer der ganz wenigen Fälle, die uns (ungeschminkten) Einblick in das Wirken und das Leben von zwei Heftromanautoren geben. Da ist ein kleiner Zipfel Einblick, der sich uns öffnet, und den aus erster Hand.
Ich danke für die Aufmerksamkeit...
Gut, Giesa erregte nicht annährend so viel Aufmerksamkeit wie Presley, Joplin oder auch Hemingway. Aber Fakt ist und bleibt: Er ist als Autor eine Person des Zeitgeschehens. Und das was Rolf angesprochen hat, war Teil des Menschen und hatte definitiv Auswirkungen auf seine Arbeit. Wäre W. K. Lehrer geworden, wäre eine Alkoholabhängigkeit grundsätzlich erst mal seine Angelegenheit (vielleicht noch die seines Dienstherren und seiner Schüler), aber er war kein Lehrer. W. K. Giesa war Chefautor der Serie »Professor Zamorra«. Und natürlich spielt eine mögliche Alkoholabhängigkeit dann eine Rolle, die man auch diskutieren darf und über die es auch zu berichten gilt. Seine Wirken in der Geschichte der Serie wird diskutiert, aber wie will der Interessierte zu einer korrekten Einschätzung kommen, wenn man wesentliche Teile weglässt? Oder ist doch so, dass » «
Zudem hat Rolf weder absolut private Geheimnisse ausgesprochen oder noch schlimmer auch noch erfunden. Denn aufgemerkt und also keiner der Kritiker zweifelte an, dass dem so war, wie Rolf es erzählte. Jeder schien davon zu wissen. Wenn das alles so privat war, dann müssen alle, die Rolfs Artikel nicht angemessen fanden, W. K. ziemlich nahe gestanden haben. Aber es war eben nicht so privat. W. K. hat immer wieder selbst über seine Krankheit gesprochen und (zumindest) zwischen den Zeilen angedeutet, dabei aber immer auch an seiner eigenen Legende gestrickt. Aber wenn man eben dem Autor Giesa wirklich gerecht werden will, dann ist es kaum hilfreich zu nennen, diese Dinge auszusparren oder für zu privat zu erklären, solange diese seine Arbeit und damit seine (kleine) Rolle in der Literaturgeschichte betreffen.
Nun gut: Bei all den Diskussionen über die Hochs und Tiefs der »Zamorra«-Serie, sollte man diesen Faktor jetzt berücksichtigen. Man bekommt auch eine Erklärung für W. K.s Ausfälle, die Oliver Fröhlich in »Die Nackten und die Doofen« beschrieb. Denn Alkohol verändert die Persönlichkeit bzw. bringt teils unangenehme Seiten hervor. Ich kenne das aus eigener Anschauung. Mein Bruder ist seit dreißig Jahren Alkoholiker und er ist unter dem Einfluss von Alkohol zu einem sehr unangenehmen Menschen geworden. Wir haben seit 1993 (dem Todesjahr unserer Mutter) kein Wort mehr gewechselt. Das nur am Rande.
Daher ist all das, was Rolf in seiner Teestunde erzählt, im Grunde sehr wertvoll, um dem Menschen und Autor Giesa einen Schritt näher zu kommen und nicht der Legende auf dem Leim zu gehen. Dabei hat er sich eben nicht in unangenehmen Details gesuhlt, die als Begleiterscheinung zum Saufen gehören, obwohl er ein paar davon erlebt hat. Denn man macht sich ungeheuer lächerlich im Suff. Ich weiß das, es gibt in meinem Leben etwa eine Handvoll Tage, an denen mich der von mir konsumierte Alkohol richtiggehend zum Volldeppen machte. Einen davon habe ich in »As Time Goes By« nacherzählt. Das waren allesamt Tage, von denen ich mit einer gewissen Selbstironie erzählen kann und auf die ich nur bedingt stolz bin. Sie geben gute Geschichten ab, wenn ich mich selbst in die Pfanne hauen will. Zu mehr reicht es nicht. Man fühlt sich im Suff zwar wie ein Held, gibt aber eher eine sehr traurige Gestalt ab. Um es im FOLLOW-Deutsch zu formulieren: Man sieht [während des Suffs und danach] beeindruckend Scheiße aus. Kurzum: Betrunken mutiert man zur Witzfigur.
Wo also ist das Problem, dass Rolfs Kritiker sehen bzw. haben? Mir drängt sich die Vermutung auf, dass es vor allem daran liegt, dass den meisten davon W. K. Giesa persönlich begegnet oder er ihnen sonstwie nahe gekommen ist. Er hat durchaus Spuren in deren Leben hinterlassen. Für sie war neben dem Autor Giesa auch (vielleicht gar in erster Linie) der Bekannte oder gar Freund W. K. bzw. Werner. Es ist dann nicht mehr irgendeine entfernte Figur, dessen Romane man gelesen, dessen Filme man gesehen oder dessen Musik man gehört hat. Eine persönliche Ebene wird erreicht. In diesem Augenblick greifen andere Mechanismen. Da ist jeder geneigt, den Bekannten und Freund zu schützen. Das Bild des Menschen (neudeutsch Image), mehr noch als der Mensch selbst, droht demontiert zu werden. Da muss man als Bekannter, Freund oder auch nur Fan doch eingreifen...
Aber ich rufe nochmals in Erinnerung: » « Das kann es nicht sein. Da muss man Distanz zu dem Bild des Menschen schaffen, sich frei machen von mütterlichen Instinkten und von Verteidigungsreflexen. Durchatmen und zwei dritte Schritte zurücktreten und das ganze Bild in aller Ruhe betrachten. Erst recht dann, wenn man selbst um die angesprochenen Umstände wusste.
Wie Rolf in seiner »Teestunde« immer wieder schrieb: Von etwa Mitte der Siebziger bis Mitte der Achtziger standen sich die beiden Männer sehr, sehr nahe. Sie haben weitaus mehr geteilt, als das, was Rolf hier erzählt. Bei einigen Gelegenheiten war ich dabei. Bei den meisten anderen nicht, aber mir ist von manchen berichtet worden (zum großen Teil von Rolf, aber auch eben von W. K.). Diese wirklich privaten Momente waren und sind bisher nicht Teil der »Teestunde« gewesen. Sie werden es auch nicht. Das will Rolf auch gar nicht. Darum geht es auch nicht.
Rolf Michael erzählt von seiner Karriere als Schriftsteller und dieses ist eine ganze Zeitlang eng mit der von W. K. verknüpft, so eng, dass sie nicht trennen lassen. Da hinein spielen Dinge, die manche auf den ersten (vielleicht noch durch persönliche Kontakte getrübten) Blick als zu privat empfinden mögen (und ich will das auch gar nicht abstreiten, dass ein derartiger Eindruck entstehen kann, denn das liegt an der jeweils persönlichen Wahrnehmung), aber das hält wirklich keiner näheren, distanzierten Betrachtung stand. Es geht um Dinge, die das Wirken der Schriftsteller direkt oder indirekt betreffen. Die Form, die Rolf dafür wählt, mag zu manchen Reaktionen beitragen, denn er erzählt aus seiner persönlichen (ganz und gar subjektiven) Warte. Das birgt den Umstand, dass in seiner Erzählung keine Distanz vorhanden ist, nicht analysiert wird und ungefiltert sind. Das provoziert den Umstand, dass Reaktionen ebenso distanzlos, ungeschminkt und ungefiltert sind, erst recht wenn sie dann auch direkt nach der Lekrüre erfolgen.
Die Form der Erzählung ist jedoch bewusst von Rolf gewählt. Da redet ihm niemand rein. Wie die Herausgeber allen Autoren des Zauberspiegel nicht in ihre Texte reinreden oder ablehnen, weil sie nicht unserer Meinung entsprechen. Daher müssen wir auch mit den Reaktionen der Leser leben. Im Falle der »Teestunde« gibt es in der Redaktion und unter den Mitarbeitern durchaus unterschiedliche Ansichten. Ja, auch Bettina Meister, die Mitherausgeberin, ist da (und auch in manch anderen Fällen) nicht immer unbedingt meiner Meinung. Und doch. Es muss bei uns im Zauberspiegel auch keine Reichseinheitsmeinung herrschen, aber man muss auch einfach mal den Mut haben, Beiträge zu bringen, mit denen wir nur bedingt Jubel und Zustimmung ernten, denn der Satz: » « darf für uns keine Gültigkeit haben. Das wäre Schwachsinn. In diesem Fall sollten wir den Laden dicht machen und das Feld anderen überlassen.
»Allen wohl und niemand weh« mag ein erstrebenswertes Ziel sein, aber in der Realität eher doch ein so genanntes magisches Viereck sein. Man kann versuchen, sich durchs Leben zu schlängeln, ohne jemanden auf die Füße zu treten. Aber eigentlich funktioniert das nicht wirklich. Und um ehrlich zu sein, es wäre auch langweilig und ätzend, wenn wir jedes Wort im Zauberspiegel auf seine angemessene Bedeutung oder auf ihr Konfliktpotential hin prüfen würden, ob hier und da mit Widerstand zu rechnen sei oder Gefühle verletzt werden. Das auch noch verbunden mit der Konsequenz auf diesen oder jenen Beitrag zu verzichten.
Das kann nicht funktionieren und manchmal tritt man jemanden auf die Zehen. Das lässt sich nicht vermeiden. Die Bibel (Hosea 8,7) sagt dazu »Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten«. Durch den Sturm der Entrüstung müssen wir eben durch. Da bleibt uns nichts übrig. Das hat im Zauberspiegel seit langem eine gewisse Tradition. Schon in den achtziger Jahren blies uns der Wind immer wieder mal ins Gesicht. Da heißt es dann: Hacken in den Teer schlagen und standhaft bleiben.
Sicherlich hätten wir Rolfs zwei oder drei Aufsehen erregende Teestunden nicht bringen können. Aber: Was wäre dadurch gewonnen? Ein paar Menschen mehr würden uns mögen, aber wir würden dann eben nach diesem Grundsatz handeln: » «. Und Rolf hätte seine Teestunde mit Sicherheit nicht fortgeführt. Für sowas gibt er sich nicht her. Und ich bin mit die »Teestunde« als Gesamtprojekt viel zu zufrieden, um diese durch Unterlassung zu gefährden. Immerhin stellt uns Rolf jede Menge Zeit und Text zur Verfügung.
Was ich stattdessen möchte, ist ein wenig mehr Gelassenheit und Ruhe bei unangenehmen Beiträgen anmahnen. Peter Rudl ein deutscher Aphoristiker - hat gesagt: »Denken, das sich erregen lässt, ist keines«. Dann können wir uns die »Teestunde« jenseits aller Subjektivität zu Nutze machen, um die Rolle und das Wirken W. K. Giesas zumindest zu einem Teil einordnen zu können und seine (unbestrittenen) Leistungen angemessen und realitätsnah würdigen zu können. Immerhin ist das einer der ganz wenigen Fälle, die uns (ungeschminkten) Einblick in das Wirken und das Leben von zwei Heftromanautoren geben. Da ist ein kleiner Zipfel Einblick, der sich uns öffnet, und den aus erster Hand.
Ich danke für die Aufmerksamkeit...
Kommentare
Persönliche Lebensumstände eines Autoren können ja vielleicht für den Einzelnen von Interesse sein. Die Teilnehmer eines Forums zu einem Outing zu drängen, geht dann doch etwas weit. Hierfür eignen sich Selbsthilfeforen, o.ä., wenn es denn überhaupt ernst gemeinte Nachfragen sind. Hämische Kommentare zum Thema Alkoholismus eignen sich überhaupt nicht.
normalerweise würde ich Euch beiden ja zustimmen, dass solche privaten Dinge nicht in einem öffentlichen Forum diskutiert werden sollten. Bei einem ausgesprochenen Selbstdarsteller wie HvA mache ich da ja jedoch gerne eine Ausnahme. Immer gib ihm!
Euer Demon Girl
Und Du meinst, Du hast getroffen? da muss ich Dich enttäuschen. immer konsequent daneben ... Aber bitte, mach ruhig weiter und trage zu meinem Amüsement bei. - Ich müsste das ja noch nicht mal veröffentlichen. Schon mal darüber nachgedacht?
Diverse Sachen, die wirklich brisant wären, habe ich nicht erzählt... deswegen wird auch nie jemand sich ein komplettes Bild von ihm machen können. In meinem letzten Interview für Rudi habe ich manches noch einmal sehr deutlich ausgesprochen - und damit ist es nun wirklich genug. Jetzt will ich an anderer Stelle versuchen, das sich die Leute vielleicht wieder an ihn erinnern...
@Alter Hahn: Bei welcher Gelegenheit hast du denn das Vergessen von Werner festgestellt?
Und an welcher Stelle willst du helfen, dass man sich an ihn erinnert?
Zwei Fragen, wo ich auf die Antwort doch gespannt bin.