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Kelter legt ab - Das wars schon wieder

Zauberwort - Der Lei(d)tartikelKelter legt ab
Das wars schon wieder

Der Sturm tobte nur im Wasserglas, war eher heiße Luft, eine laues Lüftchen statt eines Tornados. Gäbe es nicht ein paar Romane, ein Interview und so manche Artikel und heiße Diskussion im Zauberspiegel, könnte man meinen, einer ›Taschenheft-Fata-Morgana‹ aufgesessen zu sein. Vier Monate nach dem Start im Mai verschwinden Kelters Frühjahrsneustarts bereits wieder aus den Romanstandern. Um einen Ingmar Bergmann-Filmtitel abzuwandeln: ›Sie tanzten nur einen Sommer‹. 

 

Die Kelter-Rebe - Das SymbolDoch: Ein langer Atem sieht anders aus...

Kelter war im Mai diesen Jahres von seiner Linie abgewichen in den so genannten ›Männergenres‹ immer nur alt bewährtes in Heft und Taschenheft wieder aufzulegen (womit das Verlagshaus aus Hamburg-Wandsbek sich wegen dauernden Roman-Recyclings den Spottnamen »Verlag mit dem ›Grünen Punkt‹« verdient hat). Man ging in die Vollen und brachte zwei Serien mit (so hatte des den Anschein) Abenteuern ála »Indiana Jones« und »Lara Croft«. Dazu dann noch gleich eine dicke Fantasy-Taschenbuchserie unter dem Titel »Mythenland« und es wurde gemunkelt, man suche nicht nur noch eine zweite Fantasyserie, sondern auch weitere neue Stoffe.  Wow! Das roch doch nach einer Kelter’schen Großoffensive. Man wünschte den Verantwortlichen einen langen Atem, um diese Formate zu etablieren, um endlich frischen Wind die in vor sich siechende Heftromanszene zu bringen.

Dazu wurde dann noch die so genannte ›weiche‹ Schiene (also an der [vermeintlichen] Zielgruppe Frau gerichtete Romane) mit der Soap-Adaption »Das Chateau« bedient und sollte noch ergänzt werden durch die Serie »Hattrick« um Fußball und Spielerfrauen (mit einem solchen Konzept war RTL schon mal auf die Fresse gefallen und Omid Djalili hat eine wunderbare Parodie mit »Dartsplayer’s Wifes« hingelegt).

Das Ganze weckte zunächst einmal Hoffnungen, dass Kelter die Lehren aus all den Jahren mit den alten Erfolgsformeln aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern gezogen hatte und diese überholten Rezepte stilvoll zu Grabe trägt. Dazu dann diese neuen Reihen in frischer, moderner Form zu präsentieren. Kurzum eine Runderneuerung des trivialen Unterhaltungsromans vornimmt. (vgl. Kelter legt vor).

Die Hoffung auf eine Reform starb – wie im Fußball so oft beschworen – nicht zu letzt, sondern schon nach den ersten Bänden der jeweiligen Serien.

Roberta Lee - David Johnson - MythenlandDenn nach der Lektüre eben schon der ersten Bände folgte  Ernüchterung. Man hatte nur das Bibelwort abgewandelt und ›Alten Wein in neue Schläuche‹ gefüllt. Da war nichts Frisches, sondern nur Kost, die auch vor zehn, fünfzehn oder fünfzig Jahren hätte erscheinen können. Die Berge, die das Werratal säumen warfen mein Wutgeheul tausendfach zurück.   

Immerhin gelang Earl Warren (Walter Appel) mit seiner überzogen genialen Heldin »Roberta Lee« letztlich noch solide und unterhaltsamer Heftroman im klassischen Sinn, wo es auch mit Action und Körpereinsatz zur Sache ging. Es war zwar keine Serie, die man eine moderne Adaption nennen könnte, doch hinreichend amüsant. Und möglicherweise ist Earl Warren auch nicht mehr die Generation, die den Heftroman erneuert. Doch immerhin kann er unterhaltsam schreiben, so dass »Roberta Lee« kein völliger Fehlschlag war. Das ist Kost, die man auch weiterlesen kann. Die Romantruhe hat ja schon angedeutet, den Faden wiederaufnehmen zu wollen.
 
Der zweite Abenteuerstoff war nur mit äußerstem Wohlwollen und einer guten Portion Ignoranz des Genres als solcher zu bezeichnen, denn »David Johnson« ging Abenteuer und Action (nahezu) komplett ab. Das ganze war mehr die »Schwarzwaldklinik« auf einem betulichen Betriebsausflug. Elemente des Abenteuers ála »Indiana Jones« oder »Lara Croft« fehlten den Romanen völlig. Da scheinen Autor oder Autorin und Verlag ein weibliches Publikum ins Auge gefasst zu haben. Aber eines, das »Leni Behrendt« (Kelters Erfolgsmarke in Sachen Liebesroman) bevorzugt.

Das war »David Johnsons« größtes Handicap. Dabei muss man nur zur Community bei Lübbe rübergucken. Frauen lesen längst nicht mehr nur die ihnen zugedachten Liebes-, Arzt- und Heimatromane. Der Thriller (mit oder ohne Serienkiller) hat selbst in seinen härtesten Ausprägungen weibliche Anhänger. Dazu kommt, dass selbst noch relativ ›weich gespülte‹ Autorinnen wie Nora Roberts für ihre Liebesschnulzen schon mal hier und da zu Mord, Totschlag und Thriller greifen. David Johnson ohne jede Action zu schildern und damit quasi zu kastrieren, der Schlüsselelemente zu berauben. »Indiana Jones« und »Lara Croft« stürmen ja auch kein Häkelkränzchen... und klöppeln dann ›Brüsseler Spitzen‹. Grausam!

»Mythenland«, eine Fantasyserie mit High-Fantasy-Welt, hat letztlich auch keinen riesigen Nachhall gefunden, zumal Autor Ferkau nicht konsequent der High-Fantasy-Linie folgte, sondern Aliens einführte und Vampire ankündigte. Eine Fantasywelt lebt aber von seiner inneren Konsistenz. Da gibt es Grenzen, die man respektieren muss.

Insgesamt war das Fazit nach den ersten Bänden nicht von Euphorie geprägt. Eher bildeten sich erste Sorgenfalten, ob des angebotenen Lesestoffs. Dazu kamen Zweifel am kommerziellen Erfolg. (vgl. Kelter hat vorgelegt).

Und das Fazit am Ende des Sommers. Der Atem hat nicht gereicht. Kelter stellt ein. Keiner der Serien ist auf den Seiten der Romantruhe noch zu abonnieren. Auch »Das Chateau« hat es wohl erwischt und der »Hattrick« um die Spielerfrauen verkommt zur Nullnummer, denn ob die Serie dann noch erscheint ist mehr als fraglich (vielleicht kommt ein möglicherweise gedruckter erster Band dann ja auf die Wühltische diverser Sonderpostenmärkte, Supermärkte und Kaufhäuser). Edit: Leserkommentar #45 besagt, dass »Hattrick« Nummer 1 nun doch erschienen ist. Ein weiterer Band soll in acht Wochen erscheinen. 

Martin Weinrich»Mythenland« pausiert offiziell, weil man erst abwarten wolle, bis alle Auslieferungszonen den ersten Zyklus gelesen haben, um dann nach zwei weiteren Monaten Pause den zweiten Zyklus anzugehen. Schon Martin Weinrich wunderte sich in seinem Artikel »Die unendliche Geschichte« über diese – vorsichtig formuliert – wenig glückliche Begründung. Da kommt außer dem Abschlussband des ersten Zyklus nichts mehr nach, denke ich. Aber wir können uns dann ja Anfang 2011 von Kelter überraschen lassen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass sich auch das Kapitel »Mythenland« erledigt hat.

Solch übereilte Einstellung aller ›Objekte‹ des Verlages kann nur eines heißen: Der Absatz muss derart desaströs sein, dass nur noch das ›Ende mit Schrecken‹ hilft, bevor daraus ein ›Schrecken ohne Ende‹ wird.

Nun, höre ich den Chor heulen: Da fehlt die Werbung. Und ja, man hätte man die neuen Titel auf der eigenen Homepage auffälliger ankündigen können. Anzeigen mit Bastei und VPM tauschen können, ebenso wie mit Genreblättern wie der »Nautilius« und ähnlichem. Aber sonst? Auch hier sind die Margen nicht so hoch, dass man einen riesigen Werbeetat hätte bereitstellen können, zumal ich mir zunehmend sicherer werde, dass es nicht wirklich bekannt ist, wer den Heft-/Taschenheftleser überhaupt sind. Und es ist heute wichtig zu wissen ›Wo‹ ich ›Wen‹ erreichen kann. Nur wenn ich nicht weiß ›Wen‹ ich erreichen will, brauche ich mir erst gar keine Gedanken über das ›Wo‹ machen. Dann brauche ich keine Spots buchen und Anzeigen schalten. Und den hohen Kosten stünde kein wirklicher Nutzen gegenüber. – Hier kann man dem Verlag nicht wirklich einen Vorwurf machen. Ein wenig PR und Eigenpräsentation hätte es aber sein können.

Im Vertrieb ist so einiges schief gelaufen. Und nicht alles ist Schuld des Verlages. Die Präsentation an den Kiosken hat nicht funktioniert. Ich möchte hierzu auf die Interviews mit Wolfhart Luther und die Erzählungen Horst Hübners hinweisen. Beide betonen die Rolle des Außendienstes, die beim Kiosk und der Bahnhofsbuchhandlung vor Ort erscheinen und die Heft ›pushen‹ (wie man Neudeutsch so schön sagt). So was gibt es heute nicht mehr, weil es zu teuer ist, spezielle Außendienstler zu bezahlen. Daher hätte beim Kontakt zum Bahnhofsbuchhandel und den Kiosken mit Aktionen und Anreizen angesetzt werden können. Also nicht beim Kunden, sondern bei der Verkaufsstelle werben. – Doch zu spät.

Damit hätte sich also Kelters groß angelegtes Experiment mit den so genannten ›neuen‹ Formaten wohl endgültig erledigt. Nun kann man sagen, dass das eben nicht funktioniere. Eine Batterie Ausreden steht zur Verfügung. Es gäbe eben doch keine Alternative zum Heftroman und dergleichen mehr.

Völliger Quatsch... oder wie der gemeine US-Amerikaner zu sagen pflegt: Bullshit!

Der Heftroman als Format stirbt und mit ihm die Muster. Ich weiß, ich wiederhole mich: Aber »Perry Rhodan« ist die einzige Serie, die sich konsequent modernisiert hat, die mit der Zeit gewachsen ist. Der Rest... nun ja... Auch der Nierentisch, die Musiktruhe und der gute alte Käfer waren mal hochaktuell und topp modern, aber die Zeit hat sie überholt. Wie auch die Filmstoffe jener Zeit. Nicht, dass wir uns missverstehen. Ich liebe diese Filme, ich mag die SF dieser Tage, aber man kann mit beiden heute keinen Blumentopf mehr gewinnen.  - (Und ich mag auch den Käfer, den Nierentisch und auch die Musiktruhe. Aber mögen heißt noch lange, diese Gegenstände als unersetzlich oder modern zu deklarieren)

Genauso ist es mit den Heftromanstoffen. Sie sind antiquiert wie das Format, in dem sie erscheinen. Es hat sich überlebt und darf als Relikt betrachtet werden, dass aus der Populärkultur der sechziger und siebziger Jahre stammt. Da hilft es auch nicht, diese Stoffe Lesern von heute in einer hübscheren Verpackung anzubieten. - Und es ändert auch nichts daran, dass es noch Leute gibt, die Heftromane mögen. Nur darf der verklärte Blick auf das was man mag nicht in Sentimentalität umschlagen. 

Auch wenn gleich einige der Leser dieser Zeilen die Übelkeit plagen wird: Ich weise gerne noch einmal auf den »Cora Verlag« hin. Ich höre schon wieder das Geschrei, dass das nur Frauenromane wären. Da ließe sich doch kein Vergleich ziehen und überhaupt gehe das gar nicht.

Augen auf, Scheuklappen weg... Man kann das vergleichen. Es geht um triviale Unterhaltungsromane. Und da zeigt »Cora« den Weg, wie moderne, triviale Unterhaltung aufgezogen wird. Da muss nur eine Transferleistung her. Das heißt, Erlentes und Wissen auf andere Zusammenhänge azuwenden. Dafür wird es Zeit.

Diese Erfolgsmuster Coras muss man transferieren und adaptieren. Noch immer gilt Monty Python’s »Adapt, adopt and improve – Motto of the Round Table«. Wer es also Ernst meint, der sollte sich an seine Schulzeit erinnern und eine simple Transferleistung erbringen. Wer sagt, dass da nichts geht, der macht es nur zu einfach und will bloß abwimmeln. Was Bastei in den Neunzigern passiert ist und Kelter jetzt, hat nachvollziehbare Gründe, die als erstes in der Stoffentwicklung lagen. Da gilt es zu allererst anzusetzen. Schluss mit Wiederholen alter Erfolgsmuster.

Neben »Cora« und seinen Taschenheften ist jede Menge Platz (nicht nur physisch im Verkaufsregal, sondern auch kaufmännisch am Markt). Ein Verlag muss es nur mal ernsthaft angehen und den Gedanken an klassische Stoffentwicklung aufgeben. Das Fernsehen und das Kino, Hardcover und auch »Cora« zeigen wie es geht. Nun muss man das alles nur mal wirklich adaptieren, ohne die Erfolgsmuster aus dem letzten Jahrtausend noch im Hinterkopf zu haben. Mut zu von aktuellen Erfolgsmustern abgeleiteten Stoffen ist gefragt. Wenn man die Tradition des preiswerten Unterhaltungsromans fortführen will, heißt das immer noch nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Fackel weiterzugeben. Und im alten Format mit den alten Stoffen glimmt kaum noch etwas, aber im neuen Format mit wirklich frisch adaptierten Stoffen, könnte man schon ein heftig brennendes Feuer entzünden. - Und eben das beweist »Cora« mit den Taschenheften.

Uwe WeiherAuch wenn das gedruckte Medium (das Taschenheft, wenns nach mir ginge - der Heftroman nach den Wünschen anderer) wohl noch länger die führende Rolle (also das Leitmedium) spielen wird, sollte man diesmal rechtzeitig Zukunftsformate mit entwickeln und nutzen. Das geht weit über das eBook hinaus. Da sollte man nicht zu lange an überkommenen Formen festhalten. Uwe Weiher hat hier spielerisch  schon einige Ansätze geliefert. Ich werde mich mit ihm mal für eine Multimedia-Kolumne entwickeln, um seine Gedanken weiterzuspinnen. Es gilt dynamisch zu bleiben und in Stoff und Format auf der jeweiligen Höhe der Zeit zu bleiben...

Und jetzt noch was von Goethe: Allein mir fehlt der Glaube. (dass das ein Verlag ein solches Unterfangen ernsthaft angeht).

Kommentare  

#106 VM 2018-10-07 16:55
Ich habe die Woche vergeblich nach "Al Capone" Ausschau gehalten. Vier Kioske und kein einziger Band ...
Nur Arztromane von Dr. Norden und Dr. Laurin waren als Taschenheft erhältlich.


Dennoch soll es auch in den nächsten Tagen weitergehen:
www.kelter.de/stoertebeker/7229-stoertebeker-doppelband.html

Autorin: Gloria von Felseneck
#107 VM 2018-10-13 12:33
Auch bezüglich Störtebeker gab es bei mir Flaute im Kioskregal.
Dieses war allerdings mit einem anderen Titel reichlich befüllt: "Die Journalistin" Bd. 1
Erscheinungsdatum laut Kelter-Homepage: 13. Juli!
Dort gibt es mittlerweile schon die Nummer 4!

Also riecht das für mich nach Phasenvertrieb bei den sogenannten Pockets. Und ich habe die Arschkarte und kann mit Glück mal in 3 Monaten gucken, was so eintrudelt. Ich finde das vollkommen inakzeptabel.
#108 VM 2018-10-15 20:06
Es gibt (irgendwo) auch diese Woche einen Neustart:

www.kelter.de/roman/7267-helen-perkins-doppelband.html
#109 VM 2018-10-20 19:06
In der kommenden Woche dann Krimiklassiker:

www.kelter.de/roman/639-butler-parker-doppelband.html
#110 Laurin 2018-10-20 19:17
Man, hauen die beim "Butler Parker" seitens Kelter wieder für hässliche Cover drauf. Schon das ist absolut abschreckend. :-x

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