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Schreiben Sie bitte etwas Vertrautes, aber ganz neu! - Juli 2013

Auf eine Mail mit Uschi ZietschSchreiben Sie bitte etwas Vertrautes, ...
... aber ganz neu!

Müssen junge Autoren die Wollmilchsau erfinden, um ein Manuskript an den Lektor zu bringen?

Dürfen Sie sich an Trends hängen oder müssen sie das Rad neu erfinden, um angenommen zu werden? Und was ist das große Problem von unbekannten Neulingen?

Die Antwort liegt nahe.


Andreas: Verlage lieben Trends, weil sie das Kalkulieren von Büchern (angeblich?) erleichtern. Es ist wie mit dem Sequel im Kino: Wenn die Wanderhure gerne gelesen wird, dann kann auch das nächste Mittelalterbuch mit starker Heldin nicht fehlschlagen. Verlage geben dann ihren Autoren den Auftrag, in dieser Richtung was zu schreiben. Trotzdem sollten gerade Neulinge nicht einem Trend hinterherhecheln. Stimmt das?

Uschi: Talentierte Neulinge, die ihr Handwerk beherrschen, haben ein ganz großes Problem: Sie sind unbekannt. Was also können sie bieten, um wahrgenommen zu werden? Die Verlage wollen Mainstream, den neuesten Vampir- Zombie- und sonstigen Trend, um auf der sicheren Seite der Wirtschaftlichkeit zu segeln. Also muss der Neuling so etwas bieten, denn etwas, das kaum jemand liest, braucht man gar nicht erst mit einem unbekannten Autor zu wagen, das ist ein unkalkulierbares Risiko. Aber zugleich muss der Neuling etwas "gaaaanz Originelles, niiiiiie Dagewesenes" präsentieren, um eine Chance zu bekommen, weil für den "Einheitsbrei" haben die Verlage ja die Hausautoren. Wozu also mühsame Aufbauarbeit bei einem Neuling leisten, wenn der Verlag dasselbe vom bewährten, kalkulierbaren Hausautor kriegt?
Hier muss der hoffnungsvolle Jungautor  also einen geschickten Kniff schaffen. Seine Geschichte darf ruhig vertraut und im Mainstream sein, aber er braucht einen ganz bestimmten überraschenden Dreh darin, wodurch sich der Roman eben doch von anderen unterscheidet. Sodass der Lektor sagt: "Uih, das ist mal was anderes, das gefällt mir." Das hinzubekommen - das ist eigentlich die größte Hürde. Es gibt kein Erfolgsrezept dafür, denn bei jeder Geschichte ist es eine andere "Überraschung", die geboten werden muss. Von innovativ will ich gar nicht reden, denn bei den Millionen Büchern, die inzwischen existieren, ist das kaum mehr möglich. Aber eine originelle Wendung ist immer drin, sei es die Auflösung, sei es eine bestimmte Voraussetzung, sei es ein ungewöhnlicher Charakter, eine skurrile Idee, die eine entscheidende Wendung bringt ... hier sind keine Grenzen gesetzt. "Raffiniert" sollte es eben sein.
Ich bekomme häufig Manuskripte, die vollmundig versprechen: "... haben Sie noch nie gelesen ... wurde so noch nie geschrieben ... ist wirklich einzigartig ..." Nur leider ist das dann eben nicht der Fall, sondern das x-te langweilige Rollenspiel mit ... ach, was ist doch gerade in? Noch Orks? Oder doch Vampire? Austauschbar. Solche Anpreisungen sind nur leere Worthülsen, heiße Luft und nix dahinter. Damit wird mir sofort signalisiert: Ich hab eigentlich nichts zu bieten und verstecke mich daher hinter allgemeinen Superlativen.
Wenn jemand etwas Tolles zu bieten hat, dann schreibt er darüber und zeigt es mir wie die Katze mir stolz die Maus präsentiert. Dazu benötigt er keinen Superlativ.
Um den Lektor zu überzeugen, sollte man also Abstand von werbeträchtigen Anpreisungen nehmen, sondern mit Fakten daherkommen: ein gutes, spannendes Exposé, das den Lektor anfixt, weil er merkt, "öha, da steckt was drin, das interessiert mich jetzt. Will ich wissen, was das zu bedeuten hat!"

Andreas: Apropos Themenwahl bei Neulingen: Viele fangen mit Fanfiction an. Das ist dann meist eine Sackgasse, weil Fanfiction gegen bestehende Lizenzen läuft und daher nicht verkäuflich ist (wenn nicht gerade der Verlag selbst die Lizenzen besitzt). Ich selber war früher der Meinung, dass die Grundidee meiner Geschichte so originell sein muss, dass sie schon viel zu kompliziert wurde, und habe darüber die Charaktere mal gleich ganz vergessen. Wie hast du den Sprung vom "Für sich selbst"-Schreiben zum "Das könnte viele interessieren"-Schreiben geschafft? Oder gab es da überhaupt einen Sprung?
Uschi: Ähem ... nein. Bei mir nicht. Ich habe nie Fanfiction geschrieben. Dass man so was auch schreibt und in Fanzines veröffentlicht, wusste ich damals gar nicht. Das lag schlicht daran, dass ich nie "Fan" war. Ich bin erst sehr spät als Autorin mit dem Fandom in Berührung gekommen, und das damalige Pen&Paper bis zur heutigen 3D-Entwicklung habe ich niemals gespielt.
Ich habe nie Geschichten für mich geschrieben, sondern ich wollte immer anderen Geschichten erzählen. Allerdings muss ich die Geschichte, die ich erzähle, auch selbst mögen. Ist das nicht der Fall, finde ich keinen Draht dazu, dann kann ich damit nicht weitermachen. "Irgendwas aus den Fingern saugen" geht bei mir bei aller Professionalität heute noch nicht. Deshalb kann ich auch nur den Mittelweg beschreiten "gefällt mir - und damit hoffentlich auch anderen".

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