Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Fortsetzungen – Pest und Cholera des guten Erzählens? - August 2013

Auf eine Mail mit Uschi ZietschFortsetzungen
Pest und Cholera des guten Erzählens?

Wenn uns beim Essen etwas gut schmeckt, füllen wir uns gern noch einmal den Teller. Und übersehen dabei schon mal gerne die Devise, dass man aufhören soll, solange man sich den Magen noch nicht verrenkt hat. Oder so ähnlich. Wie aber ist das bei Büchern und Filmen? Darf’s da auch ein bisschen mehr sein, wenn’s gefallen hat? Oder wird auch hier viel zu oft erst aufgehört, wenn’s schon lange nicht mehr schön ist? Beziehungsweise, um im Bild zu bleiben: Wann ist der x-te Aufguss eines Erfolgsrezepts nur noch fade aufgewärmt?


Andreas: Immer nur Fortsetzungen, denen fällt nix Neues mehr, jammert jeder. Und: Fortsetzungen sind schlechter als das Original. Und doch greift jeder zur Fortsetzung eines erfolgreichen Romans, zu dem nächsten Abenteuer von Robert Langdon oder schauen sich so viele Menschen im Kino den nächsten Hangover-Film an. Ist die Fortsetzung also wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Warum fallen wir dann auch sie rein?
Uschi: Warum wir Fortsetzungen wollen, ist ganz klar: Wir wollen mehr von dem, was uns so gut gefallen hat. Allerdings stellen wir dann einen ganz erheblichen Anspruch und erwarten höher, schneller, weiter ... Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Kann man dem Anspruch gerecht werden? Gibt die Geschichte genug her, um weitererzählt zu werden? Wenn die Geschichte nicht von vornherein auf eine Fortsetzung ausgelegt wurde, ist es schwer, das Niveau zu halten. Schließlich hat man im Original "alles gegeben" - ist also noch genug übrig, um wieder genauso zu fesseln? Genauso lustig zu sein?
Oft genug scheint das Niveau leider keine Rolle zu spielen, weder bei Buch noch Film. Wenn etwas erfolgreich war, musste sofort ein Sequel her, Niveau egal, Hauptsache es kommt schnell. Die Leute kaufen das schon. Und das geht aber doch meistens daneben. Die Zuschauer/Leser nehmen eben nicht diese lieblosen Schnellschüsse hin, nur weil es ein Nachfolger ist, sondern erwarten vielmehr mindestens das gleiche Niveau. Doch solange der Erfolg leidlich bleibt, wird auf der Schiene natürlich weitergemacht, gerade bei Film-Komödien.
Eine absolute Gurke für Sequels ist beispielsweise "Die purpurnen Flüsse" - der zweite Teil hat überhaupt nichts mit dem großartigen Teil 1 zu tun, außer dass man ihn so nannte, und ist einfach nur ein peinliches Desaster. Zum Glück ist Jean Reno ein Darsteller, dem so etwas nicht schadet, weil er schon immer "alles" gemacht hat, um Geld zu verdienen (siehe auch das doofe Remake von "Rollerball") - da hat er nie einen Hehl draus gemacht, und ihm "verzeiht" man das dann auch.
Eine positive Ausnahme unter vielen damaligen Schrott-Nachfolgern war seinerzeit Terminator 1 + 2; die Fortsetzung war überaus gelungen, wenn nicht streckenweise sogar besser, weil die Geschichte sowieso noch nicht zu Ende erzählt war, "reifer" war, und damit ebenso die Charaktere. Dabei hätte man es dann aber bitte auch belassen sollen ...
So einige Filmemacher haben aber begriffen, dass eine Fortsetzung kaum je so gut sein kann wie das Original - und deshalb anders sein sollte. Bei "Alien" wurde das konsequent umgesetzt - jeder Teil ist eine Geschichte für sich, hat seinen eigenen Stil und ist anders umgesetzt. Es gibt natürlich viele, die darüber schimpfen, aber ich finde, gerade dieses Konzept ist hervorragend aufgegangen. Mir gefallen übrigens alle Teile, weil ich sie als eigenständig auf der Grundgeschichte basierend erachte und dadurch jeden für sich als gelungen empfinde. Sie sind optisch und technisch aufwendig gemacht, und die jeweiligen Thematiken sagen mir auch zu. Wobei ich auch hier sagen muss: Teil 1 und 2 sind der Bringer, der Rest deutlich schwächer, aber im Niveau immer noch über vielen anderen Produktionen.
Aktuell ist das Konzept auch mit "The Hangover" sehr gelungen, weil du es schon angesprochen hast - wobei ich den dritten Teil noch nicht gesehen habe, aber Teil 1 und 2 funktionieren jeder für sich sehr gut und sind witzig. Allerdings ist diese Storyline auch schon auf 3 Teile geplant gewesen, im Falle des Erfolgs - und dann ist Schluss. Das ist nämlich auch wichtig: Man muss wissen, wann Schluss ist ...
Sehr gut gelungen ist auch der Teil 2 von "Despicable me - Ich, einfach unverbesserlich", denn er fokussiert ein ganz anderes Thema. Dazu kommen neue, großartige Figuren, die einen ordentlichen Drive hineinbringen, anstatt dass es abgeschmackt wird.

Andreas: Ist der Erzähler beim Schreiben einer Fortsetzung also vor allem dann eingeengt, wenn er sie nicht von vornherein eingeplant hat und an eine in sich geschlossene Geschichte "dranklebt"?
Uschi: Klar. Bei Büchern ist das noch schwieriger als beim Film. Wenn eine Geschichte abgeschlossen ist, dann sollte sie nicht mit Gewalt wieder geöffnet werden, nur weil es ein Erfolg ist. Es gibt nun einmal Geschichten, die mit einem Band fertig erzählt sind, und dabei sollte es dann auch bleiben. Wenn man dann trotzdem etwas nachschiebt, weil der Verlag mit einem Millionenscheck wedelt, dann sollte ein zweiter Teil nur darauf basieren und eine neue Geschichte erzählen, aber keinesfalls eine richtige Fortsetzung sein, weil sie sonst nur ein müder Abklatsch oder Aufwasch ist.

Andreas: Wann ist eine Filmfortsetzung eigentlich "echt"? Muss sie der originale Drehbuchautor geschrieben haben oder reicht es, wenn sie von den gleichen Schauspielern gespielt wird? Gibt es da Unterschiede?
Uschi: Na ja, was heißt schon "originaler Drehbuchautor", auf dessen Script basiert ja ein Film in der Regel nur, das Ergebnis ist zumeist eh was anderes, und es gibt ja auch noch die Nachbearbeiter. Von der Stringenz her ist es natürlich schön, wenn derselbe Autor zum Zuge kommt, aber meines Erachtens nicht unbedingt erforderlich. Bei den Darstellern ist das etwas anderes, wenn es dieselben Figuren sind, will man auch dieselben Darsteller wiederhaben, weil man natürlich Figur und Darsteller miteinander verknüpft.

Kommentare  

#1 Laurin 2013-08-03 11:52
:D Da sieht man mal wieder wie verschieden Geschmäcker sein können. Den zweiten Teil von "Die purpuren Flüsse" fand ich sogar besser als den ersten Teil. Bei Terminator 1 und 2 decken sich die Meinungen bei mir (aber alles weitere in dieser Richtung war dann eher übel), während ich bei Alien die weiteren Fortsetzungen eher als Aufguss mit veränderter Handlung ansehe. Man kann also darüber sinnieren, aber am Ende werden nur die nackten Zahlen der Einnahmen eine klare Antwort darüber abgeben, was ein Erfolg war und wo man besser hätte die Finger von gelassen.
#2 Kerstin 2013-08-04 18:22
Manchmal merkt man bei einer Serie im Laufe der Zeit, dass der Autor sicherer wird. Dann hat er seinen roten Faden gefunden, Haupt- wie Nebenfirguren besser entwickelt und kann sich damit besser auf die jeweilige Handlung konzentrieren.

Mag sein, dass bei einer erfolgreichen Serie der Verlag dem Autor mehr Freiheit lässt, die er am Anfang nicht hatte. So kann er dann vom Schema F wegkommen zu seinem eigenen Stil. Vielleicht hat auch nur ein heller Kopf erkannt, welches Potential noch in der Sache steckt und holt es hervor. Rückmeldungen von Lesern oder Zuschauern können da auch berücksichtigt sein, sofern sich eine Richtung herauskristallisert.

Umgekehrt sind eben auch die Aufgüsse zunehmend fade, die Handlung wird an den Haaren herbeigezogen und die Figuren fangen an zu nerven, wenn sie keine weitere Entwicklung mehr erfahren, sondern stur die alte Schiene weiter fahren.

Was mich total genervt hat, als ich noch Fernsehen geguckt habe, war in der Serientod, der durch das Ausscheiden eines Schauspielers mit der Brechstange in das Drehbuch geknüppelt wurde. Dramatische Ereignisse überstürzen sich dann, die eigentlich gar nicht passen. Und dann kommt der womöglich nach einer Zeit doch zurück, dann wirds noch alberner. Da hätte man die Abwesenheit manch einer Figur sicher auch unspektarkulärer erklären können und wäre damit glaubwürdiger gewesen.

Bei reinen Buch-Figuren spielt die Mitwirkung eines bestimmten Schauspielers zum Glück keine Rolle und so bleiben einem dabei bestimmte Panikreaktionen des Autors erspart.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.